Es muss ein sehr emotionales Gespräch gewesen sein. Der Vorstand des Fußball-Regionalligisten SV Atlas Delmenhorst hatte beschlossen, aus Kostengründen keinen Antrag auf eine Lizenz für die dritte Fußball-Liga zu stellen, und verkündete die Entscheidung am späten Freitagnachmittag der Mannschaft. "Die Spieler waren am Boden zerstört", schilderte der Vorsitzende Manfred Engelbart die Reaktion des Teams. Also kam der Atlas-Vorstand am Sonnabendvormittag spontan noch einmal zusammen und revidierte seine Entscheidung: Die Drittliga-Lizenz soll beantragt werden. "Wir stellen damit die Emotionen über die Vernunft", betonte Engelbart im Gespräch mit dem DELMENHORSTER KURIER.
Mannschaft in der Bringschuld
"Die Mannschaft ist von ihrer sportlichen Qualität absolut überzeugt und glaubt, dass sie in der Aufstiegsrunde oben mitspielen kann", sagte Engelbart. "Jetzt sind die Spieler natürlich in der Bringschuld." Der Verein geht schließlich ins finanzielle Risiko. Rund 8000 Euro kostet es laut Engelbart, überhaupt den Lizenzantrag beim Deutschen Fußball-Bund zu stellen. Es werden Gebühren fällig, ein Wirtschaftsprüfer und weitere externe Fachkräfte müssen bezahlt werden, um das aufwendige Verfahren zu meistern. Am 1. März um 17 Uhr ist Abgabeschluss. Schatzmeister Thomas von Rönn kümmert sich nun federführend um die schwierige Aufgabe, bis dahin alle nötigen Nachweise zu erbringen. Immerhin muss er sich nicht auch noch parallel um die Regionalliga-Lizenz kümmern, die der SV Atlas natürlich ebenfalls beantragen wird. Dafür ist die Abgabefrist erst am 31. März.
Als Spielort wird Atlas bei der Beantragung der Drittliga-Lizenz das Bremer Weserstadion angeben, denn das Delmenhorster Stadion erfüllt die Anforderungen an eine Drittliga-Spielstätte wie eine Rasenheizung nach spätestens einem Jahr Ligazugehörigkeit und Flutlicht bei weitem nicht. "Dort könnten wir als Drittligist höchstens noch Testspiele absolvieren", verdeutlichte Engelbart. Der SVA orientiert sich am Beispiel des TSV Havelse, der in der laufenden Saison seine Drittliga-Heimspiele in der Arena von Hannover 96 austrägt. Wie hoch die Kosten für die Partien im Weserstadion wären, muss Atlas nun erörtern.
Schwieriger Weg zum Aufstieg
Ab Mitte März nehmen die Delmenhorster an der Aufstiegsrunde der Regionalliga Nord teil. Die Chancen, tatsächlich den Drittliga-Aufstieg zu schaffen, sind eher gering. Aus der Süd-Staffel der Regionalliga Nord gehen der VfB Oldenburg (17) und Werder Bremens U 23 (16) mit mehr Zählern ins Rennen als der SVA, der elf Punkte in die Aufstiegsrunde mitnimmt. Aus der Nord-Staffel, die ihre Qualifikationsrunde noch nicht abgeschlossen hat, werden ebenfalls Mannschaften mehr Zähler aufweisen.
Selbst wenn der SV Atlas sensationell den ersten Platz der Aufstiegsrunde belegen würde, wäre der Drittliga-Aufstieg damit noch nicht geschafft. Dann stünden noch zwei Entscheidungsspiele gegen den Ersten der stark eingeschätzten Regionalliga Nordost auf dem Programm. Die große Unbekannte bleibt dabei, welche Vereine überhaupt die Drittliga-Lizenz beantragen. Im vergangenen Jahr reichten 28 Klubs aus den fünf Regionalliga-Staffeln ihre Unterlagen ein, der Rest verzichtete. An den Aufstiegsspielen nimmt laut Regularien "die bestplatzierte Mannschaft mit einem erfolgreichen Lizenzantrag“ teil.
"Wir für Delmenhorst"
Dass die sportliche Chance auf den Aufstieg klein ist, weiß natürlich auch der Atlas-Vorstand. Mit einer derart emotionalen Reaktion der Spieler hatte Engelbart allerdings nicht gerechnet. "Ich hatte gedacht, dass sie nachvollziehen können, warum wir die Lizenz nicht beantragen wollen", sagte er. Die Gefahr, eine von vornherein demotivierte Mannschaft in die Aufstiegsrunde zu schicken, wollten die Verantwortlichen nun aber doch nicht eingehen. Zumal Engelbart den Spielern stets versprochen hatte, dass sie in der dritten Liga spielen können, wenn sie den Aufstieg schaffen. "Letztlich erleben wir mal wieder das Phänomen Düsternort oder eben auch Delmenhorst, dessen Kind ich bin und immer bleiben werde. Unsere Jungs haben das Motto ,Wir für Delmenhorst' tatsächlich verinnerlicht. Wir brauchen nun wirklich jede Unterstützung", betonte er.
Am Sonnabendvormittag hatte der Klubchef auch gleich den Spielern, die eine Laufeinheit absolvierten, von der Kehrtwende in Sachen Drittliga-Lizenz berichtet. "Als Manfred Engelbart die Entscheidung auf dem Stadionhauptplatz verkündete, brach ein frenetischer Jubel bei der Mannschaft aus. Die Spieler sprangen umher, riefen Namen des Vorstandes und sind dankbar. Das ließ niemanden kalt in diesem Moment", schilderte Stefan Keller aus dem erweiterten Atlas-Vorstand.