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SV Atlas Delmenhorst Engelbart: "Wir müssen um jeden Zuschauer kämpfen"

Manfred Engelbart erläutert im Interview, wie er wieder mehr Menschen zum Stadionbesuch motivieren will. Außerdem sagt der Vorsitzende des SV Atlas Delmenhorst, was er von Drittliga-Träumen hält.
03.01.2022, 20:00 Uhr
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Engelbart:
Von Christoph Bähr

Herr Engelbart, Anfang Oktober 2021 haben Sie vor dem Heimspiel gegen den HSC Hannover im Stadionheft Ihre Unzufriedenheit über die sinkenden Zuschauerzahlen deutlich kundgetan. Der SV Atlas verzichtet seitdem auf den Corona-Zuschlag von drei Euro, und Sie haben gefragt, was der Verein noch tun kann. Haben Sie inzwischen Antworten auf die Frage bekommen?

Manfred Engelbart: Die Reaktionen auf meine Äußerungen waren überwiegend positiv. Ich wurde für die klaren Worte gelobt. Ob durch den Aufruf einige Leute mehr gekommen sind, ist für uns nicht messbar. Das ist aber auch nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass wir das ganze Jahr über um jeden Zuschauer kämpfen müssen. Und ich bin bereit das zu tun, genauso wie meine Kollegen im Vorstand. Die Zuschauerproblematik ist sehr ernstzunehmen und steht auf der Prioritätenliste ganz oben. Das Thema treibt mich schon seit Saisonbeginn um. Es gelingt uns zurzeit nicht, die Leute von der Couch herunterzubekommen.

Gab es nach Ihrem Aufruf Vorschläge für mögliche Veränderungen?

Das waren relativ wenige. Der eine sagt dann, er hätte gerne mehr Sonntagsspiele, aber das Thema hatten wir ja schon. Der Sonntag ist nicht das Allheilmittel. Durch Spiele am Sonntag würde man möglicherweise Familien zerreißen, das wäre auch für unsere ehrenamtlichen Helfer, unser "Team Heimspiel", ein Problem.

Also bleibt es bei den Heimspielen am Sonnabendnachmittag?

Ja, uns fehlen natürlich die Freitagabendspiele, weil wir kein Flutlicht haben. Da dürften 300 bis 500 Leute mehr kommen. Der Sonnabend ist nun der Kompromiss, der derzeit für uns am besten ist. So haben die Spieler wenigstens den Sonntag frei, denn sie sind ja schon kaum noch zu Hause. Sie trainieren mindestens viermal pro Woche, dazu kommen die Spiele. Bei Auswärtsspielen ist man oft den ganzen Sonntag unterwegs.

Und der SV Atlas ist ja auch keine Profimannschaft. Wie viele Spieler haben einen regulären Job neben dem Fußball?

Ein Drittel unserer Mannschaft arbeitet in Vollzeit, ein Drittel arbeitet ermäßigt, und ein Drittel arbeitet wenig bis gar nicht neben dem Fußball. Das ist also semi-professionell. Damit können wir Spieler auch locken. Bei anderen Vereinen waren sie Vollprofis, bei uns können sie durch einen Nebenjob den Einstieg ins Berufsleben schaffen, was für ihre Zukunft wichtig ist. Durch Fußball und Arbeit verdienen sie bei uns dann genauso viel wie woanders als Vollprofi. Natürlich können wir finanziell nicht bei den U 23-Teams der Profivereine oder bei Traditionsklubs wie dem VfB Oldenburg oder dem VfB Lübeck mithalten, aber über die persönliche Schiene können wir oft punkten. Bei uns bekommen die Spieler eine besondere Aufmerksamkeit.

Diese Aufmerksamkeit erhalten sie auch von den Fans. Ist das Umfeld ein Faktor bei Vereinswechseln?

Definitiv. Seit der Wiedergründung des SV Atlas sind die Zuschauer ein elementarer Bestandteil unseres Erfolges. Um unsere Fans beneiden sie uns in jeder Liga, jetzt auch in der Regionalliga – von der Stimmung her, aber auch von der Anzahl her. Die Spieler, die zu uns kommen, verzichten zum Teil auf viel Geld, um bei uns zu spielen. Wer hat denn Lust, vor 70 Zuschauern zu kicken? Die wollen vor Fans spielen und die Atmosphäre spüren. Wir laufen jetzt allerdings Gefahr, in diesem Bereich etwas zu verlieren. Daher müssen wir alle Kräfte daran setzen, das zu verhindern. Ich habe viele Ideen, um im neuen Jahr Zuschauer zu aktivieren. Da geht es zum Beispiel um etwas, das Willi Lemke schon vor rund 30 Jahren gemacht hat.

1989 hat der damalige Werder-Manager Lemke das für Zuschauer wenig attraktive Heimspiel gegen Waldhof Mannheim an Citroën verkauft. Der Autokonzern brachte die Eintrittskarten dann zu deutlich vergünstigten Preisen unter die Leute. Ist etwas Derartiges beim SV Atlas auch geplant?

Ja, so etwas in der Art stelle ich mir vor. Diesbezüglich habe ich schon lockere Gespräche geführt. Eine Firma könnte ein Heimspiel kaufen und die Karten dann verschenken oder verlosen. Meine persönliche Aufgabe wird es darüber hinaus sein, die Leute zu motivieren, ins Stadion zu gehen. Durch die Corona-Pandemie ist eine gewisse Lethargie entstanden. Die Unternehmungslust fehlt ein bisschen. Das gilt es aufzubrechen mit neuen Ideen und auch durch gute Leistungen der Mannschaft. Wir brauchen einen Durchschnitt von 1000 bis 1200 Zuschauern.

Wo liegt der Zuschauerschnitt aktuell?

Zurzeit sind wir von unserem Ziel leider entfernt. Der Schnitt liegt etwa bei 800 Zuschauern. Eigentlich hatten wir sogar mal gehofft, dass in der Regionalliga ein Schnitt von 1500 möglich sein könnte, aber das war illusorisch.

Was können Sie noch tun, damit wieder mehr Zuschauer zum SV Atlas kommen?

Ich habe für die vergangenen Spiele schon persönlich Jugendspieler vom JFV Delmenhorst eingeladen. Das will ich noch intensivieren und auch an die anderen Vereine herantreten. Es geht nicht nur um den SV Atlas, es geht um Fußball in Delmenhorst. Daher gilt es, dass alle den SV Atlas stärken, und das geht am besten mit dem Besuch im Stadion. Ich werde Jugendmannschaften mit ihren Trainern einladen, um ihnen höherklassigen Fußball zu zeigen. So sehen sie, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, nicht zu rauchen, nicht zu trinken, sondern einen gesunden Körper aufzubauen, damit man vielleicht höherklassig spielen kann.

Welche Rolle spielen beim Zuschauerrückgang die Pandemie und die Angst, sich im Stadion anzustecken?

Natürlich haben viele auch Ängste. Wir haben aber hervorragende Konzepte und arbeiten mit der Stadt sehr gut zusammen. Nicht ein einziger Corona-Fall ist auf den Besuch bei uns im Stadion zurückzuführen. Es ist sehr schade, dass wir die Menschen trotzdem nicht wie gewünscht dazu motivieren konnten, ins Stadion zu gehen. Es reicht nicht, Fan zu sein, ich muss auch zu den Spielen kommen.

Sie haben schon den Wunsch nach Freitagabendspielen angesprochen. Dafür ist ein Flutlicht für den Stadion-Hauptplatz nötig. Wird es das bald geben?

Eigentlich müssen wir in der Regionalliga ein Flutlicht haben, aber wir haben vom Verband eine Freistellung bekommen. Spätestens 2023 müssen wir das Flutlicht allerdings präsentieren. Wir werden jetzt im neuen Jahr die entsprechenden Gespräche mit der Stadt führen. Und wir müssen natürlich der Stadt auch beweisen, dass wir den Aufwand wert sind, indem wir den Mehrwert aufzeigen, den wir für Delmenhorst erzielen. Das Flutlicht gehört zu den Dingen, die wir kurzfristig umsetzen wollen.

Was gehört noch dazu?

Genauso dringend wie das Flutlicht brauchen wir einen Kunstrasenplatz für uns alleine. Der Kunstrasenplatz, der für Delmenhorst geplant ist, bringt uns nicht weiter. Da hängen so viele Vereine dran. Was können die uns da denn schon für Trainingszeiten geben? Unseren Kunstrasenplatz könnten wir mit dem JFV Delmenhorst teilen, sodass die Jugendlichen nachmittags trainieren, aber die Zeit von 18 bis 20 Uhr muss den semiprofessionellen Fußballern vorbehalten sein.

Welchen Beitrag kann der SV Atlas zu den geplanten Vorhaben leisten?

Die Vorhaben gilt es mit der Stadt gemeinsam anzugehen, wir haben ein gutes Miteinander. Wir wollen alle ins Boot holen: die Politik, die Verwaltung und den Verein mit den Sponsoren. Die Stadt kann und darf es natürlich nicht alleine machen. Beim SV Atlas wissen wir, dass die Sponsoren unser Rückgrat darstellen. Da ist eine ganz tolle Gemeinschaft entstanden, der Zusammenhalt ist riesengroß.

Sind Sie optimistisch, dass sich in Sachen Flutlicht und Kunstrasenplatz kurzfristig etwas bewegen lässt?

Wir müssen das möglichst schnell umsetzen, denn allein die Planung nimmt viel Zeit in Anspruch. Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um die Machbarkeit und die Standortfrage. Wir sind jedenfalls in den Startlöchern. Wir wollen und wir können. Die Regionalliga-Tauglichkeit des Stadions haben wir in kürzester Zeit sichergestellt. Da hatten wir als SV Atlas die Federführung für Planung und Durchführung. Nur so geht es.

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Sportlich hat der SV Atlas den Klassenerhalt in der Regionalliga Nord schon jetzt geschafft. Der 1:0-Sieg über Werder Bremens U 23 am 11. Dezember 2021 hat die Qualifikation für die Aufstiegsrunde perfekt gemacht. Wie haben Sie diesen besonderen Tag erlebt?

Das war alles sehr emotional. Nach dem Spiel gegen Werder hatten wir abends unsere Weihnachtsfeier, aber da waren wir alle noch sehr mitgenommen. Richtig feiern konnte da gar keiner. Mein besonderer Dank auf der Feier galt den Partnerinnen der Spieler, die einen erheblichen Anteil daran haben, dass alles funktioniert. Den Jungs haben wir erklärt, dass sie jetzt alle Delmenhorster sind. Im kleinen Kreis habe ich dann aber noch gesagt: Deswegen seid ihr noch lange keine Düsternorter, das ist noch ein Level drüber, speziell im Fußball.

Wie der Name schon sagt, geht es in der Aufstiegsrunde um den Aufstieg in die dritte Liga. Der Erste der Regionalliga Nord tritt am Ende in Relegationsspielen gegen den Ersten der Regionalliga Nord-Ost an. Mal ganz ehrlich: Träumen Sie manchmal von der dritten Liga?

Nein, ich träume nicht davon. Ich bin auch kein Träumer. Mir geht es um das Wollen. Die Jungs müssen wollen. Ich kann mit niemandem zusammenarbeiten, der nicht in die dritte Liga will. Natürlich müssen sie nicht aufsteigen. Der Klassenerhalt hatte absolute Priorität, und den haben wir geschafft. Aber ich will in die dritte Liga, auch wenn wir das nicht morgen umsetzen müssen. Wir wissen alle, dass die dritte Liga ganz weit weg ist. Alleine vom Finanziellen her.

Schon jetzt in der Regionalliga hat sich der Kader sehr verändert. Früher sollten vor allem Delmenhorster für den SV Atlas spielen, das ist in der vierthöchsten Spielklasse nicht mehr möglich. Können sich die Fans trotzdem noch mit der Mannschaft identifizieren?

Ich bin ja als Vorsitzender angetreten mit den Zielen, die Delmenhorster in Delmenhorst zu halten und die Delmenhorster zurückzuholen. Das hat bis zur Oberliga gut funktioniert, aber in der Regionalliga geht das nicht mehr. Unser Fokus liegt immer noch auf der Region, aber der Radius beträgt nicht mehr 30 Kilometer, sondern 130 Kilometer. Wir müssen den Kader nach Qualität zusammenstellen, nicht nach Wohnort. Trotzdem können sich die Fans mit der Mannschaft identifizieren. Wir hatten noch nie eine so charakterstarke Mannschaft wie in dieser Saison. Bei uns müssen die Spieler spielerisch und charakterlich überzeugen. Stimmt es in einem dieser Punkte nicht, müssen wir uns trennen.

Ein Thema, das Sie sich schon länger auf die Fahne geschrieben haben, ist das Verhalten der Atlas-Fans. Sie fordern immer wieder, dass die gegnerischen Spieler und insbesondere das Schiedsrichterteam nicht beleidigt werden sollen. Hat sich in dem Bereich etwas getan?

Ich führe diese persönlichen Gespräche seit Jahren, aber wir haben das noch nicht 100-prozentig im Griff. Das ist schon alles viel besser geworden. Es gibt keine Ausschreitungen und fast kein Abbrennen von Pyrotechnik. Beim Verband sind wir hoch angesehen, und auch der "Block H" wird nicht mehr so kritisch betrachtet wie früher. Die Wortwahl einiger ist jedoch weiterhin nicht in Ordnung, auch wenn wir beim Fußball sind. Beleidigungen des Schiedsrichters und der Assistenten sind außerdem eher kontraproduktiv. Ein Schiedsrichter, der andauernd beschimpft wird, pfeift ja im Zweifelsfall nicht für uns. Ich sehe es als meine Aufgabe an, immer wieder mit den Leuten zu reden. Und wenn es zu sehr ausartet, sprechen wir Stadionverbote aus. Das habe ich auch schon getan.

Beim Auswärtsspiel gegen den HSC Hannover Anfang Dezember haben Atlas-Fans Pyrotechnik gezündet. Wie geht der Verein damit um?

So etwas ist immer das falsche Zeichen. Das schädigt den Ruf des Vereins. Der Schiedsrichter hat einen Sonderbericht dazu verfasst, aber auch geschrieben, dass das Abbrennen sofort beendet wurde und es keine Unterbrechung des Spiels gab. Es waren nur ein paar Sekunden, dann wurde sofort gelöscht. Einen Strafbefehl haben wir noch nicht bekommen. Sollte es eine Geldstrafe geben, würden wir uns das Geld wiederholen. Wir wissen, wer es war.

Zur Person

Manfred Engelbart (77)

wurde im Februar 2018 zum Vorsitzenden des SV Atlas Delmenhorst gewählt. Er trat damals die Nachfolge von Jörg Borkus an. Engelbart betreibt mehrere Autohäuser, der Hauptsitz befindet sich in Delmenhorst.

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