Eine Erklärung fand Coach Dominik Schmidt direkt nach dem Abpfiff nicht dafür, warum seine Truppe nach einer komplett dominanten ersten Hälfte im zweiten Durchgang unterlegen war und letztlich nicht unverdient gegen das Mittelfeldteam VfL Oldenburg mit 1:2 (1:0) verlor. Dadurch büßten die Delmenhorster ihre gute Position in der Fußball-Oberliga Niedersachsen ein wenig ein und sind nun auf Schützenhilfe angewiesen, um Platz zwei und die damit verbundene Regionalliga-Relegation zu erreichen. Immerhin gewannen die Konkurrenten VfV 06 Hildesheim (1:2 beim Heeslinger SC) und TuS Bersenbrück (2:2 bei Lupo-Martini Wolfsburg) ebenfalls nicht.
„In der zweiten Halbzeit haben sie uns dominiert. Wir haben keinen Zugriff mehr bekommen, keine Kontrolle mehr im Zentrum gehabt, planlos gespielt. Es ist mir seit Wochen ein Rätsel, wie das zustande kommt. Es hat mit der ersten Halbzeit in Emden angefangen und war 60 Minuten gegen Celle so“, sagte der Atlas-Trainer. Die erste Halbzeit sei sehr gut, die zweite sehr, sehr schlecht gewesen. Zu ungewohnt früher Anstoßzeit um 10.15 Uhr schickte Schmidt die Startelf auf das Feld, die in der Partie zuvor gegen Eintracht Celle zwar gewonnen, dabei aber einen eher schwachen Auftritt gezeigt hatte.
Starke erste Halbzeit
Nach einem ausgeglichenen Auftakt mit mehr Ballbesitz für Atlas, verzeichnete Shamsu Mansaray den ersten Abschluss der Partie, jagte das Leder aus 16 Metern jedoch klar am Kasten vorbei (18.). Nur eine Zeigerumdrehung später scheiterte Ousman Touray aus spitzem Winkel an Torwart Thilo Pöpken, der zur Ecke abwehrte. Die Delmenhorster hatten das Geschehen komplett unter Kontrolle, ließen den Ball durch die Reihen laufen und eroberten ihn im Gegenpressing schnell zurück. Die Oldenburger entwickelten keinerlei Torgefahr und verzeichneten keine Chance im ersten Durchgang.
Atlas schnürte den Gastgeber immer weiter ein. Mehreren Flanken verpassten Phil Gysbers und Co. in der Mitte nur knapp (35.). Als der Mittelstürmer nach 36 Minuten traf, stand er nach einer Hereingabe von Philipp Eggersglüß aus dem Halbfeld knapp im Abseits. Einen verunglückten Pass des VfL-Schlussmanns nahm Tom Trebin direkt, verfehlte das leere Tor jedoch (42.). Der hochverdiente Führungstreffer fiel in der 45. Minute: Kerem Sari nickte aus zentraler Position eine Ecke von Florian Stütz in die Maschen. „Wir waren komplett dominant und müssen eigentlich schon höher führen“, meinte Dominik Schmidt.
Nach dem Seitenwechsel wurden die Gastgeber aktiver. Zunächst vertändelte Damian Schobert beinahe den Ball als letzter Mann, doch der Schlussmann rettete mit einem Pressschlag gegen Remmou (49.). Atlas hatte quasi im Gegenzug eine Dreifach-Chance, aber Touray scheiterte zweimal aus kurzer Distanz und spitzem Winkel, ehe Trebins Nachschuss im Getümmel hängen blieb. Kritisch wurde es nach 54 Zeigerumdrehungen: Ibrahim Temin eilte Justin Dwertmann hinterher und stoppte ihn halbrechts kurz vor dem Strafraum. Er grätsche den Ball weg, zog den Oldenburger jedoch parallel zu Boden. Während die Blau-Gelben kein Foul gesehen hatten, forderten die Oldenburger Rot wegen Notbremse. Temin sah Gelb, den folgenden Freistoß zirkelte Moritz Brinkmann ans Außennetz. Die vom ehemaligen Atlas-Stürmer Patrick Degen trainierten Gastgeber wurden immer gefährlicher: Raoul Cissé rettete in höchster Not mit langem Bein zur Ecke (57.). Der verdiente Ausgleich fiel nach 64 Minuten: Der VfL kombinierte sich stark in den Strafraum. Hier spielten Dwertmann und Remmou auf engem Raum einen Doppelpass, sodass Dwertmann frei vor Schobert über den Torwart zum 1:1 chippte.
Schwache zweite Halbzeit
Schmidt reagierte mit einem Doppelwechsel und brachte Steffen Rohwedder und Daniel Hefele für Gysbers und Trebin. „Wir haben versucht, einen Impuls zu geben und Frische reinzubekommen“, erklärte Schmidt. Doch die Degen-Schützlinge kamen zur nächsten guten Chance: Fynn Luca Friedrichs' Schuss strich knapp am Pfosten vorbei. Der VfL machte weiter Druck, die Delmenhorster kamen nicht in die Zweikämpfe und kassierten das 1:2 per Traumtor. Tassilo Thiele flankte von rechts, Simon Hoffmann wuchtete einen Seitfallzieher in den Atlas-Kasten (72.). Erneut zog Schmidt einen Doppelwechsel: Mustafa Azadzoy und Justin Dähnenkamp ersetzten Joel Schallschmidt und Shamsu Mansaray, der nach starkem ersten Durchgang nach dem Seitenwechsel stark abgebaut hatte – und damit sinnbildlich für das ganze Team stand. Doch besser wurden die Gäste nicht. Remmou verpasste hingegen nach einem Konter das 3:1, Schobert parierte hier mit dem Fuß (80.).
Atlas mobilisierte die letzten Kräfte, schlug diverse Flanken in den Strafraum. Den Ausgleich hatte Azadzoy auf dem Fuß. Nach einem starken Angriff über die linke Seite mit Temin und Dähnenkamp kam der Zehner innerhalb des Strafraums völlig frei zum Schuss, setzte das Leder jedoch klar über den Querbalken. Temin traf den Ball nach Touray-Hereingabe nicht voll (90.+3). „Wir müssen zusehen, bei uns zu bleiben. Egal, ob man in der Kreis- oder der Bundesliga spielt: Wenn man nur 45 Minuten dominant ist und dann 45 Minuten herschenkt, wird es meistens nicht reichen. Wir müssen Konstanz reinbekommen“, bilanzierte Schmidt.
Zudem kritisierte der Coach, dass nicht alle Spieler voll fokussiert seien. „Die Schlussphase der Saison ist schwierig. Die Jungs beschäftigen sich mit Wechseln. Der eine sieht sich in der Regionalliga, der andere sieht sich sonstwo“, berichtete er. Die Mannschaft habe mit Pokalsieg und Aufstieg zwei Ziele. „Da muss der Fokus auf dem Hier und Jetzt sein. Alles andere muss danach kommen. Die Jungs müssen sich auch mal die Frage stellen, was sie überhaupt in die Position gebracht hat, interessant für andere Vereine zu sein. Das ist die Leistung hier im Verein. Und das Woche für Woche“, fügte er hinzu. Er könne nicht mehr machen, als darauf hinweisen. „Was die Jungs dann machen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Ich habe nicht das Gefühl, dass alle Mann im Kader wirklich den Fokus darauf legen, die beiden Ziele mit aller Überzeugung komplett zu verfolgen“, fasste er zusammen.