Stefan Emmerling hat schon sehr viel erlebt im Fußball, unter anderem ein DFB-Pokalfinale. Mit all seiner Erfahrung wusste der Trainer des BSV Kickers Emden die Bedeutung des Moments kurz nach dem Abpfiff gleich richtig einzuschätzen. "In Delmenhorst ist es sehr schwer, zu bestehen. Wir haben hier vorher noch nie drei Punkte erzielt und freuen uns sehr, dass es dieses Mal geklappt hat", hielt er fest. Der erste Emder Erfolg beim 2012 neu gegründeten SV Atlas war für den Tabellenführer der Fußball-Oberliga Niedersachsen ein wichtiger Schritt in Richtung Meisterschaft, während die 1:2 (0:2)-Niederlage am Sonnabend für die Delmenhorster eine große Enttäuschung war. "Die letzten Prozentpunkte haben gefehlt. Wir waren in der ersten Halbzeit nicht da, darüber bin ich enttäuscht. Mich nervt es, dass die Jungs sich durch Unaufmerksamkeiten nicht für die gute Arbeit der vergangenen Monate belohnt haben", sagte Atlas-Sportchef Bastian Fuhrken.
Die zum elften Mal in Folge siegreichen Emder können die Blau-Gelben angesichts von nunmehr neun Punkten Rückstand kaum noch einholen, zumal der Erzrivale drei Partien weniger bestritten hat. Der SV Atlas muss sich auf den Kampf um den Relegationsplatz zwei konzentrieren, der derzeit drei Zähler entfernt ist. "Man muss realistisch sein: Emden wird es durchziehen. Wir wollen sie aber mit Siegen weiter unter Druck setzen und werden zusehen, dass wir Platz zwei erreichen", blickte Atlas-Trainer Dominik Schmidt voraus.
In einem umkämpften, teilweise hitzigen Oberliga-Topspiel vor 1530 Zuschauern musste Atlas den gelbgesperrten Stamm-Innenverteidiger Raoul Cissé ersetzen. Philipp Eggersglüß übernahm dessen Part. Daniel Hefele rückte nach überstandener Verletzung wieder ins zentrale Mittelfeld. Im Angriff erhielten Ousman Touray und Steffen Rohwedder den Vorzug vor Justin Dähnenkamp und Phil Gysbers, die beim 3:0-Erfolg im Pokal-Halbfinale gegen den SC Melle noch in der Startelf gestanden hatten.
Steffen trifft gegen Ex-Klub
Atlas hatte sich vorgenommen, im heimischen Stadion von Anfang an die Spielkontrolle zu übernehmen, doch daraus wurde nichts. Die Emder fanden besser in die Partie und hatten direkt eine gute Chance durch den stark aufspielenden Pascal Steinwender, der an Atlas-Torwart Damian Schobert scheiterte (3.). Die zweite Möglichkeit der Gäste brachte wenig später die Führung: Eine Flanke von Steinwender verlängerte Tido Steffens auf Tobias Steffen, und der Ex-Atlas-Akteur schoss zum 1:0 ein (7.).

Da ist es passiert: Atlas-Torwart Damian Schobert nach dem 0:1 durch Tobias Steffen.
In der 17. Minute lag der Ball schon wieder im Delmenhorster Tor, doch weil der im Abseits stehende David Schiller einen Steffens-Schuss noch abgefälscht hatte, zählte der Treffer richtigerweise nicht. Den Gastgebern fehlte das Tempo im Offensivspiel, und sie kamen zunächst zu keinerlei Gelegenheiten. Als die Blau-Gelben sich dann einmal nach vorne wagten, wurden sie ausgekontert. Ein langer Ball erreichte Steffen, der sich gegen den schnelleren, aber zu zögerlichen Touray durchsetzte. Die geschickte Ablage des Ex-Delmenhorster schoss Steinwender mithilfe des Innenpfostens zum 2:0 ins Netz (29.).
Steinwender schießt an die Latte
Auf der Gegenseite wurde es in der ersten Hälfte nur einmal gefährlich, als Shamsu Mansaray den Kickers-Torwart Moritz Ben Onken bereits umkurvt hatte, aber keinen Druck mehr hinter den Ball bekam, sodass Dennis Engel mühelos klärte (36.). Ganz anders die Emder: Nach einer der gefürchteten Einwurf-Flanken von Engel donnerte Steinwender den Ball an die Unterkante der Latte (39.).
Der Atlas-Auftritt vor der Pause gab Rätsel auf. "Wir haben in der ersten Halbzeit nichts von dem umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten", monierte Schmidt. Die Emder Stärke in Umschaltmomenten, bei Einwürfen und beim Erobern von zweiten Bällen habe das Trainerteam der Mannschaft ausführlich erläutert, dennoch sei auf dem Platz nicht entsprechend agiert worden. Vor dem ersten Gegentor schob Atlas auf der ballfernen Seite nach vorne. Beim zweiten Treffer stimmte die Konterabsicherung nicht, und der Gegner bekam zu viel Raum für sein starkes Umschaltspiel. "Beides war anders abgesprochen. In solch einem Spiel muss man mehr Aufmerksamkeit erwarten können", ärgerte sich Fuhrken.
Joker Gysbers sticht
Immerhin: Nach dem Seitenwechsel steigerten sich die Delmenhorster. Mit Gysbers für Hefele wechselte Schmidt einen weiteren Stürmer ein. Atlas ging nun volles Risiko, bot den Emdern dadurch aber auch Räume zum Kontern. Somit gab es Chancen auf beiden Seiten. Nachdem er in der 62. Minute noch aus fünf Metern am Tor vorbei geschossen hatte, köpfte der Joker Gysbers in der 76. Minute nach einer Flanke von Ibrahim Temin das 1:2. "Dass Atlas in der zweiten Hälfte Druck machen würde, war klar. In der Schlussphase lag sowohl das 3:1 als auch das 2:2 in der Luft", sagte Gäste-Coach Emmerling.
Die Delmenhorster probierten alles und schlugen den Ball immer wieder hoch in den Emder Strafraum. Es wurde aber nur noch einmal brenzlig für die Gäste, als Keeper Onken Gysbers anschoss und der Ball zu Touray prallte, der damit allerdings nichts anzufangen wusste (90.). "Aufgrund der ersten Halbzeit war Emdens Sieg verdient", gab Schmidt zu. "Wie gegen Bersenbrück, haben wir uns leider selbst geschlagen. Aber wir behalten die Köpfe oben und machen weiter. Die Saison ist noch lang."