Phil Gysbers blieb gar nichts anderes mehr übrig, als ein Tor zu schießen. Die letzte Minute lief bereits, und eigentlich hatte sich der Stürmer des SV Atlas Delmenhorst vorgenommen, seine fünfte Gelbe Karte zu kassieren. Also erzielte er den 3:2 (1:1)-Siegtreffer für den Fußball-Oberligisten beim SV Blau-Weiß Bornreihe, zog sich beim Jubeln das Trikot aus und sah Gelb. Gesperrt ist Gysbers somit für das anstehende Duell gegen das Schlusslicht STK Eilvese und steht danach gegen den Spitzenreiter TuS Bersenbrück wieder zur Verfügung. Auch Philipp Eggersglüß sah seine fünfte Gelbe Karte, und die beiden durchaus willkommenen Sperren passten aus Delmenhorster Sicht ins Bild: Es war nicht schön in Bornreihe, aber am Ende fügte sich doch noch alles zum Guten.
Der siebte Sieg in Serie ließ den SV Atlas auf Rang vier klettern. Trainer Dominik Schmidt atmete nach dem Abpfiff einmal tief durch und hielt fest: "In der Hinrunde hätten wir solch ein Spiel noch verloren, aber die Mannschaft hat sich weiterentwickelt. Wir glauben jetzt immer weiter an uns und an unser Spiel." Wie von Schmidt angekündigt, war Justin Dähnenkamp gegen seinen Ex-Verein für den gesperrten Shamsu Mansaray in die Startelf gerückt. Zudem spielte Phil Gysbers anstelle von Steffen Rohwedder im Sturmzentrum.
Auf dem engen, holprigen Platz bei Postels war von Beginn an zu erkennen, worauf die Bornreiher aus waren. Sie wollten ein Spiel mit vielen Zweikämpfen und vielen hohen Bällen. Die Gastgeber plagten enorme Personalsorgen, doch sie legten einen Start nach Maß hin. Christoph Müller schoss aus der Distanz einfach mal auf das Atlas-Tor, und der von Raoul Cissé abgefälschte Ball senkte sich über Keeper Damian Schobert hinweg zum 1:0 ins Netz (6.). Die rund 350 Zuschauer, darunter 100 aus Delmenhorst, zeigten sich erst einmal überrascht. Sollte der seit acht Partien sieglose Tabellenvorletzte den Regionalliga-Absteiger tatsächlich ärgern können?
Schwierige Platzbedingungen
Der SV Atlas übernahm anschließend die Initiative, konnte sein gewohntes Kombinationsspiel aber nicht aufziehen. "Das waren ganz schwierige Bedingungen. Der Platz ist in einem katastrophalen Zustand", sagte Schmidt. Bornreihe verfügt noch über ein weiteres Spielfeld am Vereinsheim, doch nur auf dem Platz bei Postels war eine Fantrennung möglich. Also mussten sich beide Teams in österlicher Vorfreude mit dem hoppelnden Ball arrangieren. Die Gastgeber taten dies, indem sie fast nur lange, hohe Pässe nach vorne spielten, auch wenn diese durch den starken Wind immer wieder weit nach außen getrieben wurden. Die Gäste versuchten, den Ball trotz allem laufen zu lassen, was immerhin manchmal gelang.
Nach einer Kombination landete das Spielgerät bei Gysbers, der im gegnerischen Strafraum ungestüm von Vinzenz van Koll attackiert wurde. Den berechtigten Elfmeter verwandelte Florian Stütz zum 1:1 (23.). "Nach dem Ausgleich hatten wir die Kontrolle", sagte Schmidt. Dähnenkamp (27.), Ibrahim Temin (32.) und Stütz per Freistoß (45.) ließen bis zur Pause weitere Gelegenheiten aus.
Dähnenkamp trifft gegen Ex-Klub
Der zweite Durchgang begann ähnlich wie der erste: mit einem Treffer für Bornreihe aus heiterem Himmel. Eine Freistoßflanke von Terry Becker beförderte Eggersglüß unter Bedrängnis zum 2:1 für die Gastgeber ins eigene Netz (52.). Als Nächstes folgte wieder ein Strafstoß für die Gäste. Dähnenkamp war einen Schritt schneller als van Koll, der ihn leicht berührte und somit zum zweiten Mal einen Elfmeter verursachte. Stütz scheiterte zwar an Torwart Henner Lohmann, doch Dähnenkamp köpfte den Abpraller zum 2:2 ein (58.). Bereits beim 3:0 im Hinspiel hatte er gegen seinen Ex-Klub getroffen.
Die Delmenhorster drängten nun auf den Siegtreffer. Schmidt brachte mit Rohwedder und Mustafa Azadzoy zwei frische Offensivkräfte. Leonit Basha war kurzfristig verletzt ausgefallen. Beinahe wäre der Schuss für Atlas aber nach hinten losgegangen: Bei einem Bornreiher Konter hatte Fabian Linne viel Platz und scheiterte an Schobert (70.). "Da konnten wir froh sein, dass wir nicht wieder in Rückstand geraten sind", betonte Schmidt. Auf der Gegenseite vergab Temin gegen Lohmann (85.). Dann kam Gysbers' großer Auftritt: Eine Hereingabe von Nicolas Fenski nahm er an der Strafraumkante an und schob den Ball überlegt zum 3:2 ein. In der Nachspielzeit sah Bornreihes Nico Sperling noch die Gelb-Rote Karte (90.+4).
"Alle reden schon über das Bersenbrück-Spiel, aber es ist wichtig, dass wir vorher unsere Aufgaben erledigen", betonte Schmidt und fügte hinzu: "Solch ein Spiel auf dem Dorf gegen einen unbequemen Gegner muss man erst einmal gewinnen." Ganz verdrängen konnte allerdings auch der Atlas-Coach das nahende Duell gegen Bersenbrück nicht. Dass die beiden Gelbsperren für Gysbers und Eggersglüß ihm gut in den Kram passen, wollte Schmidt gar nicht leugnen.