Wie sehr die Fußballer des SV Atlas Delmenhorst an ihre körperlichen Grenzen gehen mussten, war für die Zuschauer nur bedingt erkennbar. Im ersten Spiel nach dem Corona-Ausbruch im Team schlug sich der Fußball-Regionalligist wacker und erkämpfte am Sonnabend in der Meisterrunde ein 1:1 (1:0)-Unentschieden gegen den FC Teutonia 05 Ottensen. Was für eine Energieleistung dafür nötig war, machte Mittelfeldspieler Nico Matern nach dem Anpfiff deutlich: "90 Minuten durchpowern konnte ich leider nicht. Ab der 60. Minute habe ich richtig gemerkt, dass die Luft weniger wurde."
Matern ist einer von mehr als zehn Atlas-Spielern, die sich in den vergangenen zwei Wochen mit dem Coronavirus infizierten. Mehreren Teamkollegen dürfte es also ähnlich gegangen sein wie ihm, andere konnten gar nicht spielen. Umso höher war zu bewerten, dass die Delmenhorster gegen Ottensen nicht einbrachen und das dritte Unentschieden in ihrem dritten Meisterrundenspiel holten. Das fand auch der gegnerische Trainer Dietmar Hirsch, der betonte: „Respekt an Atlas. Es war sportlich fair, dass gespielt wurde."
Riebau stellt früh um
Bei der Aufstellung musste Atlas-Coach Key Riebau improvisieren. Zunächst setzte er in der Abwehr auf eine Dreierkette mit Flodyn Baloki, Dominik Schmidt und Philipp Eggert. Marco Stefandl spielte rechts, Oliver Rauh links. Matern bekleidete gegen seinen Ex-Klub wie gewohnt die Sechser-Position. Cerruti Siya und Florian Stütz komplettierten das Mittelfeld. Tobias Steffen und Mattia Trianni spielten vorne. Schon Mitte der ersten Halbzeit stellte der SVA auf eine Viererkette um. Rauh verteidigte nun rechts und Eggert links. Stefandl spielte im rechten Mittelfeld, Trianni auf der linken Seite. "Teutonia hat uns etwas überrascht. Wir hatten sie mit einer Fünferkette statt einer Viererkette erwartet. Durch die Umstellung wollten wir die die Außen doppelt besetzen und das Zentrum vor der Abwehr festigen", erklärte Riebau.
Das funktionierte. In der ersten Halbzeit hatten die Gäste aus Hamburg vor 500 Zuschauern im Delmenhorster Stadion zwar mehr vom Spiel, doch sie kamen kaum einmal gefährlich vor das Tor. Die coronageplagten Gastgeber gingen kein Risiko ein und legten den Fokus darauf, sicher zu stehen. Schmidt, Baloki und Matern gewannen im Zentrum viele Zweikämpfe. Dazu hatte Atlas das Glück, dass gleich der erste gefährliche Angriff zu einem Tor führte. Stütz sprang der Ball bei der Annahme zunächst etwas zu weit weg, doch dann traf der Atlas-Kapitän aus 18 Metern wunderschön zum 1:0 in den Winkel (28.). Es war das erste Saisontor für Stütz und der erste Atlas-Treffer in der Meisterrunde nach den torlosen Unentschieden gegen den VfB Lübeck und Holstein Kiel II. Zusätzlich bitter für Ottensen: Beim Versuch, den Schuss zu parieren, verletzte sich Torwart Bennett Schauer an der Hüfte und musste durch Malte Schuchardt ersetzt werden.
Riesenchance für Facklam
"Unser Problem vor der Pause war, dass wir das Tempo nicht hochgehalten haben", bemängelte Teutonia-Coach Hirsch. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte hätte sein Team allerdings den Ausgleich erzielen müssen, doch Torjäger Mats Facklam köpfte freistehend knapp am Tor vorbei (45.+2). Nach dem Seitenwechsel änderte sich das Bild, plötzlich machte der SV Atlas das Spiel. Nach einem Pass von Steffen tauchte Siya frei vor Schuchardt auf, ließ aber die letzte Entschlossenheit vermissen, sodass Francis Onwuzo den Ball noch weggrätschen konnte (52.). Nach der folgenden Ecke prüfte Matern Schuchardt mit einem Schuss aus der zweiten Reihe. Auf der Gegenseite klärte Rauh gerade noch vor dem eingewechselten Fabian Istefo (61.).
Nach schnellem Umschalten bot sich den Delmenhorster direkt danach eine aussichtsreiche Kontermöglichkeit, die Steffen und Siya jedoch nicht richtig ausspielten. "Nach der Pause hatten wir vier oder fünf super Umschaltmomente, aus denen wir zu wenig gemacht haben", bemängelte Riebau. Und sein Gegenüber Hirsch fügte hinzu: "Wäre der Gegner im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen, hätte er diese Situationen womöglich besser genutzt."
Rauh verschätzt sich
Stefandl per Kopfball nach einer Ecke (65.) und Rauh mit einem Weitschuss (67.) verfehlten zudem das Tor der Gäste. Ab der 70. Minute erhöhte Teutonia dann den Druck. Der SV Atlas verteidigte trotz schwindender Kräfte weiterhin engagiert. Riebau wechselte nur zweimal aus und sagte: "Die Jungs, die auf dem Platz waren, haben alles reingehauen. Von den Positionen her bot sich kein Wechsel mehr an, und in solch einem engen Spiel ist es auch immer schwierig, in der Schlussphase noch reinzukommen." Die Delmenhorster mussten sich also durchbeißen und sie hätten den Sieg wohl auch über die Zeit gebracht, wenn Oliver Rauh nicht ein Missgeschick passiert wäre. In der 77. Minute verschätzte sich der Außenverteidiger bei einer harmlosen Flanke und berührte den Ball im Strafraum mit der Hand. Den fälligen Elfmeter verwandelte Istefo zum 1:1-Endstand, es war der erste Atlas-Gegentreffer in der Meisterrunde.
„Vor dem Spiel wären wir mit einem Unentschieden zufrieden gewesen. Das Zustandekommen des Gegentors ist ärgerlich, aber am Ende wurde der Druck von Teutonia auch immer größer", sagte Riebau. Hirsch bilanzierte: „Das Unentschieden geht in Ordnung, auch wenn wir damit nicht zufrieden sind.“ Die Hamburger wollen in die dritte Liga und haben – anders als der SV Atlas – die Lizenz beantragt. Darauf wies Nico Matern nach dem für ihn besonderen Spiel auch noch einmal hin: "Teutonia hat ganz andere Ambitionen, aber wir haben in der Meisterrunde jetzt schon gezeigt, dass wir mit den Topteams mehr als nur mithalten können."