Am 3. Oktober stand Pascal Wiewrodt erstmals in einem Pflichtspiel für den SV Atlas Delmenhorst im Tor. Die etatmäßige Nummer zwei des Fußball-Regionalligisten durfte im Viertelfinale des Niedersachsenpokals im heimischen Stadion an der Düsternortstraße vor rund 1500 Zuschauern gegen BW Lohne ran und zeigte beim 4:2 trotz zweier Gegentore – an denen er schuldlos war – eine starke Leistung. Er rettete mehrfach im Eins-gegen-eins und mit Grätschen an der Strafraumkante. Daher lobte ihn Coach Key Riebau nach dem Spiel ausdrücklich: "Karpfen hat das heute richtig stark gemacht. Es war eine sehr gute Leistung von ihm. Punkt".
Dass Pascal "Karpfen" Wiewrodt spielen durfte, ergab sich in der Woche vor dem Viertelfinale. "Am Tag vor dem Spiel gegen den VfB Lübeck am Freitag hat mich das Trainerteam zur Seite genommen und mir gesagt, dass ich gegen Lohne auflaufe. Und das nicht als Geschenk, sondern als Belohnung für meine Trainingsleistungen und das Verhalten drumherum", berichtet der 22-Jährige, der eine Woche vorher seinen Geburtstag feierte.
Klare Rolle als Nummer zwei
Das Drumherum ist bei Ersatztorwarten nicht immer einfach. Anders als Feldspieler werden sie – es sei denn, die Nummer eins verletzt sich oder fliegt vom Platz – nicht eingewechselt. Und auch rochiert wird zwischen den Pfosten selten. Meistens bleibt also nur der Platz auf der Bank – im ständigen Wissen, bereit sein zu müssen. "Mir war es daher sehr wichtig, dass mir klar gesagt wurde, welche Rolle ich einnehme, bevor ich bei Atlas unterschrieben habe", erinnert sich Wiewrodt. Er sei als Nummer zwei eingeplant. Zeige der Stammtorwart schwache Leistungen, entscheide das Leistungsprinzip. "Damit kann man was anfangen. Natürlich sollte man nie zufrieden sein, wenn man nicht spielt. Aber wir haben im Torwartteam einen sehr guten Draht. Ich stelle meinen persönlichen Ehrgeiz zurück und versuche, die Jungs auf dem Feld von außen zu pushen", beschreibt der 22-Jährige seine Rolle.
In diese kehrt er nun trotz seiner Pokalgala gegen Lohne zurück. "Das ist nicht schwierig. Ich gebe weiter alles. Wichtig ist mir, dass ich den Fans, dem Verein, den Trainern und dem Team zeigen konnte, dass ich da bin, wenn es drauf ankommt", meint Wiewrodt. Übermäßig nervös sei er nicht gewesen, angespannt schon. "Die Vorfreude hat aber klar überwogen. Es war einfach mega angerichtet", sagt er und meint die große Kulisse und den Pokalcharakter. Leichte Sorgen habe sich der Sportliche Leiter Bastian Fuhrken vor dem Match gemacht, berichtet der Torwart. "Er sagte mir nach dem Spiel, dass er die Sorge hatte, dass ich mir vielleicht zu viele Gedanken machen würde und zu viel wollen würde. Meine Eltern und meine Freundin haben mir aber gesagt, dass ich einfach mein Spiel machen soll", erinnert er sich.
Wiewrodt überzeugt komplett
Und das tat der Bremer. Sein Spiel ist risikobehaftet. Er eilt gerne aus seinem Kasten, klärt mit Grätschen und lässt auch mal einen Gegenspieler mit dem Ball am Fuß aussteigen. Gegen Lohne bewies er sein starkes Timing. "In einer Szene war es so, dass ich den Ball noch mit dem Zehennagel bekommen habe. Hätte ich da eine Millisekunde gezögert, wäre ich zu spät gekommen und hätte ihn umgehauen. Das realisiert man später", sagt er. Die Entscheidungsfindung, wann er rauskomme und wann im Tor bleibe, sei eine Mischung aus Erfahrung und Instinkt. "Wir trainieren das auch viel. Ich habe mir die Spielszenen noch einmal angeschaut und kann sagen: Es war teilweise knapp, aber richtig, rauszukommen", erzählt er. Grundsätzlich sieht Wiewrodt seine Stärken im Eins-gegen-eins und darin, dass er sehr beweglich und flink ist. "So mache ich meine Defizite bei der Körpergröße wett", meint er.
Bleibt noch die Frage, wie ein Torwart zum Spitznamen "Karpfen" kommt, gemeinhin werden Schlussmänner eher als Katzen bezeichnet. Wiewrodt lacht und erzählt: "Bei meinem ersten Testspiel gegen Wilhelmshaven bin ich bei einem langen Ball aus dem Tor gekommen und habe ,Torwart' gerufen. Der prallte aber auf, sprang über mich und ich guckte hoch. Mit offenem Mund. Später hat Nico Matern dann ein Bild von einem Karpfen in unsere Whatsapp-Gruppe gepackt."