Am Ende bekam Key Riebau sogar Applaus von den gegnerischen Fans. Das Fazit zum Spiel und die freundlichen Worte, die der Trainer des SV Atlas Delmenhorst via Stadionmikrofon kundgetan hatte, gefielen den verbliebenen Zuschauern am Platz des VfV 06 Borussia Hildesheim offenbar gut. Die freundliche Atmosphäre am Sonntagnachmittag nach dem 1:1 (1:1) zwischen Atlas und Hildesheim zum Auftakt in die Saison der Fußball-Regionalliga Nord stand im krassen Kontrast zum Spiel der Delmenhorster im Friedrich-Ebert-Stadion während der vergangenen Saison. Drei Platzverweise für Atlas-Spieler, eine Ampelkarte für Riebau und viele Provokationen hatte es im Oktober 2021 beim 2:1-Sieg der Hildesheimer gegeben. Dieses Mal ging es deutlich entspannter zu, und Riebau hielt gut gelaunt fest: "Es war ein schöner Auftakt mit einem leistungsgerechten Unentschieden. Ich bin super zufrieden."
In der Startelf hatte der Atlas-Trainer im bewährten 4-2-3-1-System mit Torwart Eike Bansen und Innenverteidiger Leo Weichert nur zwei der zwölf Neuzugänge aufgeboten. Auf der linken Abwehrseite erhielt Philipp Eggert den Vorzug vor Julian Stöhr. Im defensiven Mittelfeld durfte Florian Stütz neben Nico Matern auflaufen, Olivér Schindler und Willem Hoffrogge blieben auf der Bank. Und die Atlas-Elf hätte sich den Start in die Spielzeit nicht besser ausmalen können: Nach starker Vorarbeit von Mittelstürmer Dimitrios Ferfelis erzielte Mattia Trianni mit einem überlegten Schuss ins lange Eck in der zweiten Minute das 1:0 für die Gäste.
Schmidt früh ausgewechselt
Die frühe Führung hätte den Blau-Gelben vor 730 Zuschauern, darunter etwa 100 aus Delmenhorst, eigentlich Sicherheit geben müssen, doch sie stachelte stattdessen die Gastgeber an. In der fünften Minute ließ Eggert Jannis Pläschke flanken, in der Mitte konnte Hildesheims Mittelstürmer Moritz Göttel zwischen Dominik Schmidt und Oliver Rauh das 1:1 köpfen. "Unser Tor ist so früh gefallen, dass wir unsere Ordnung noch gar nicht gefunden hatten", sagte Riebau. "Hildesheim war in der Phase nach dem 1:0 griffiger und besser organisiert." In der elften Minute musste dann auch noch Kapitän Dominik Schmidt mit Knieproblemen gegen Raoul Cissé ausgewechselt werden. Mit Eggert, Weichert und Cissé standen fortan drei unerfahrene Akteure in der Viererkette. "Sie mussten sich erst einmal finden, haben sich dann aber richtig gut reingebissen", sagte Riebau.
Erst einmal hatten die Hildesheimer allerdings viel zu viel Platz. Nachdem Ferfelis mit einem Kopfball am gegnerischen Keeper Antonio Brandt gescheitert war (16.), wurde es mehrfach richtig brenzlig im Atlas-Strafraum. Thomas Sonntag hatte Bansen schon ausgespielt und den Ball in Richtung leeres Tor befördert, als Rauh plötzlich angeflogen kam und mit einer Grätsche bravourös rettete (19.). Nach einer schönen Kombination traf Fred MC Mensah Quarshie den Außenpfosten des Atlas-Tore (22.). Und dann folgte die nächste Hiobsbotschaft für die Gäste: Torschütze Trianni war umgeknickt und musste vom Platz. Für ihn kam Neuzugang Ousman Touray (22.). Göttel schoss kurz darauf ans Außennetz (29.), und Cissé prüfte seinen eigenen Torwart Bansen bei einem verunglückten Klärungsversuch (29.). "Wir hätten zur Pause mit 3:1 führen müssen", sagte Hildesheims Trainer Markus Unger – und damit hatte er vollkommen Recht. Riebau gab zu: "Wir hatten in der ersten Hälfte Glück."
Schwung durch Einwechselspieler
Nach dem Seitenwechsel steigerten sich die Delmenhorster dann deutlich, ließen kaum noch Chancen zu und übernahmen zunehmend die Spielkontrolle. "Wir haben das Spiel nach der Pause besser angenommen, hatten frühere Ballgewinne und mehr Umschaltmomente", schilderte Riebau. Einmal musste Bansen einen Weitschuss von Sonntag parieren (55.), ansonsten verlagerte sich das Spiel zunehmend in die Hälfte der Hildesheimer. Große Chancen gab es zunächst aber nicht, bis die Einwechslungen von Mustafa Azadzoy und Willem Hoffrogge noch einmal für neuen Schwung im Atlas-Spiel sorgten. "Dass wir personell nachlegen konnten, war sehr wichtig", betonte Riebau. Beinahe wäre Hoffrogge bei seinem Atlas-Debüt zum großen Matchwinner geworden, doch in der Nachspielzeit klatschte sein herrlicher Schlenzer gegen den Innenpfosten (90.+2). Den Abpraller konnte Ferfelis nicht verwerten.
Im direkten Gegenzug hätten die Gastgeber beinahe noch zugeschlagen: Bansen hielt einen Freistoß von Yannik Schulze, den Nachschuss setzte Kevin Kalinowski knapp über die Latte (90.+3). Richtig ärgern wollte sich aber keiner der beiden Trainer über den verpassten Siegtreffer kurz vor Schluss. "Ich bin nicht unzufrieden mit dem Spiel", bilanzierte Unger, ehe er sich auf dem inzwischen leeren Platz noch angeregt mit Riebau unterhielt. Es war ein unerwartet harmonischer Nachmittag in Hildesheim.