Es fehlte nicht viel, und der Mann, der heute für den SV Tur Abdin Delmenhorst steht wie kein Zweiter, hätte dem Verein den Rücken gekehrt. Süleyman Celik erinnert sich noch genau an das schicksalhafte Erlebnis im Jahr 1997. Als 13-Jähriger wollte er im Bus zu einem Auswärtsspiel der ersten Fußballmannschaft von Tur Abdin fahren. "Meine Eltern haben mir etwas Geld mitgegeben, und ich habe mich riesig auf die Fahrt gefreut", erzählt er. Plötzlich war der Bus jedoch voll, und noch mehr Menschen drängten hinein. Ein damaliges Vorstandsmitglied schickte Celik daraufhin wieder hinaus. Tieftraurig und mit Tränen in den Augen musste er mitansehen, wie der Bus ohne ihn losfuhr. "In dem Moment habe ich mit dem Verein abgeschlossen", sagt Celik.
Der 38-Jährige sitzt im Tur-Abdin-Shirt auf der Bank vor den Kabinen auf dem Platz an der Schanzenstraße, macht eine kurze Erzählpause und fügt dann hinzu: "Die Liebe für den Verein war einfach zu stark, ich konnte nicht gehen." Also blieb Celik Mitglied, und heute lässt sich festhalten, dass das ein großer Glücksfall für den SV Tur Abdin war. Seit genau 20 Jahren engagiert sich Süleyman Celik, den alle nur "Sülo" nennen, inzwischen für seinen Klub. Er gehörte eine Zeit lang zum Vorstand, vor allem aber ist er Betreuer der ersten Mannschaft. "Mädchen für alles", nennt er sich selbst. Celik ist immer da, wenn jemand gebraucht wird. Er macht so viel, dass er über die Jahre zum Gesicht des SV Tur Abdin geworden ist. Und das will schon etwas heißen, schließlich stehen Betreuer ansonsten eher im Schatten der anderen.
So läuft ein Heimspieltag
Im Hintergrund fühlt sich eigentlich auch Süleyman Celik am wohlsten. Er hat sich nie nach vorne gedrängt, servierte bei Aufstiegspartys die Getränke, anstatt sich feiern zu lassen. Da er schon so lange dabei ist und sich so sehr engagiert, ist er trotzdem zum Botschafter seines Vereins geworden. "Wenn jemand etwas vom SV Tur Abdin will, meldet derjenige sich meistens bei mir", sagt der 38-Jährige. Auf "Sülo" kann man sich eben immer verlassen, das zeigt sich am deutlichsten, wenn ein Heimspiel des Bezirksligisten ansteht. "Dann bin ich der Erste, der kommt, und der Letzte, der geht", sagt Celik. Ungefähr von 9 bis 18.30 Uhr sei er meistens auf der Anlage.
Erst einmal kocht er den Kaffee, der später verkauft werden soll, und macht den Grill sauber. Auch das Grillfleisch besorgt der ehrenamtliche Abdin-Betreuer, arbeitet er doch als Metzger in einer Bremer Fleischerei. Die beliebten Bratwürste, die oft für Schlangen auf dem Abdin-Platz sorgen, stellt Celik also selbst her und grillt sie zumeist auch selbst. Mit besonders viel Liebe zum Detail richtet er vor den Spielen die Kabine für die Spieler her. Celik zeigt stolz ein Video auf seinem Handy. An jedem Platz liegen ein Trikot, die Hose und die Stutzen – alles ordentlich zusammengelegt. Getränke und Obst stehen bereit. Der Medizinkoffer ist vorbereitet. „Ich bin pingelig“, sagt er.
So fing alles an
Sein Hang zur Ordnung war es auch, der "Sülo" Celik vor 20 Jahren zum Abdin-Betreuer werden ließ. Er schaute bei einem Spiel des ersten Teams zu und konnte kaum glauben, was er sah: "Die Spieler hatten verschiedene Hosen und Stutzen an. Das geht vielleicht in der 5. Kreisklasse, aber doch nicht in der Bezirksliga." Nach dem Abpfiff sprach er Vereinschef Wahib Yousef auf den Missstand an. Dessen Antwort lautete: "Dann kümmere du dich doch darum!" Seitdem ist Celik Betreuer, und der SV Tur Abdin ist nie wieder in unterschiedlichen Hosen und Stutzen aufgelaufen.

So fing alles an: Süleyman Celik in seiner Anfangszeit als Betreuer des SV Tur Abdin.
Wie der Verein ohne ihn aussehen würde, kann sich mittlerweile niemand mehr vorstellen. "Wenn er aufhören würde, könnten wir das kaum auffangen. ,Sülo' ist unverzichtbar und ein toller Mensch", unterstreicht der Sportliche Leiter Isa Tezel. Süleyman Celik ist ein Paradebeispiel für die Ehrenamtlichen, die im Hintergrund den Amateurfußball am Laufen halten, und die leider immer weniger werden. Er wäscht die Trikots, kümmert sich um Spielerpassangelegenheiten, kauft Trainingsutensilien ein und erledigt noch viele weitere Dinge. Für ihn ist das alles selbstverständlich. "Der Verein muss sich nicht bei mir bedanken, ich muss dem Verein Danke sagen", betont er. "Da ich mit 18 Jahren als Betreuer angefangen habe, hatte ich an den Wochenenden immer etwas zu tun. Für mich gab es kein Nachtleben, keine Discos, keinen Alkohol oder Schlägereien. Das habe ich Tur Abdin zu verdanken."
Schon als Kind am Verkaufsstand
Bei so viel Vereinsliebe denkt Celik auch nach 20 Jahren nicht ans Aufhören. Er tut schließlich das, was er schon immer tun wollte. "Als Jugendlicher wusste ich bereits, dass ich etwas für meinen Verein machen will. Das war ein Traum von mir", betont er. Geboren wurde Süleyman Celik 1984 im Dorf Mizizah in dem Gebirge Tur Abdin in der Türkei. Im Alter von drei Monaten kam er mit seinen Eltern nach Deutschland und wuchs mit dem 1987 gegründeten aramäischen Sportverein Tur Abdin auf. Schon früh nahm sein Vater ihn mit zu den Spielen. Als Zehnjähriger kümmerte sich Celik bereits alleine um den Verkaufsstand beim Hallenturnier seines Vereins.
Natürlich spielte er auch Fußball – in der Jugend beim SV Atlas und beim TuS Hasbergen, dann in der zweiten Herren von Tur Abdin. Da er zu wenig Einsatzzeiten bekam, hörte Celik jedoch auf – und wurde abseits des Rasens zu einer Vereinslegende. Immer höflich und hilfsbereit ist er ein echtes Aushängeschild seines Klubs. Manchmal denkt er immer noch daran, wie er damals den Bus verlassen musste. Er habe sich vorgenommen, es einmal besser zu machen als der Mann aus dem Vorstand, der ihn barsch auf die Straße setzte. Er begegne allen mit Wertschätzung, ganz besonders den Kindern, sagt Süleyman Celik. "Sie sind unsere Zukunft."