Zwölf Jahre lang war Jürgen Janßen nicht nur der Vorsitzende der HSG Delmenhorst, sondern auch das Gesicht der Handball-Spielgemeinschaft. Wenn es um die Interessen der HSG ging, meldete er sich oft leidenschaftlich zu Wort. Sein Ziel war es, das erste Herrenteam in die dritte Liga zu führen, und unter Trainer Jörg Rademacher kratzte die Mannschaft tatsächlich am Aufstieg. Inzwischen sind sportliche Höhenflüge jedoch überhaupt kein Thema mehr, nach dem Rücktritt des HSG-Vorsitzenden Jens Hafemann und des Cheftrainers Thies Libchen geht es um die Existenz der Spielgemeinschaft. Für Jürgen Janßen ist die HSG so etwas wie sein Lebenswerk, und ihn macht die aktuelle Lage fassungslos: "In kurzer Zeit wurde alles gegen die Wand gefahren. Das tut mir richtig weh."
Im Dezember 2021 trat Janßen als HSG-Vorsitzender zurück, blieb aber zweiter Vorsitzender des VSK Bungerhof, dem einen Trägerverein der Spielgemeinschaft. In der derzeitigen Misere sei er nun schon mehrmals gefragt worden, ob er nicht wieder den Vorsitz bei der Spielgemeinschaft übernehmen wolle. Doch Janßen betont: "Das werde ich nicht machen, das wäre auch kontraproduktiv. Ich unterstütze gerne, aber das Amt werde ich nicht wieder übernehmen. Dafür ist zu viel kaputt gegangen. Alle müssten an einem Strang ziehen, doch das ist leider nicht der Fall."
Bereits im vergangenen Jahr gab es Differenzen zwischen den damaligen Trägervereinen TV Deichhorst und VSK Bungerhof. Der TVD gliederte seine Handballabteilung daraufhin in den eingetragenen Verein HSG Delmenhorst aus, der nun der zweite Trägerverein der Spielgemeinschaft neben Bungerhof ist. Zwischen diesen beiden Trägervereinen kam es zuletzt immer wieder zu Unstimmigkeiten. "Kooperation braucht Vertrauen und Verständnis und Begegnung auf Augenhöhe. Es gab mit Bungerhof kein Übereinkommen", bemängelte Hafemann. Der eingetragene Verein HSG Delmenhorst hat den Kooperationsvertrag mit Bungerhof nun zum 30. Juni 2023 gekündigt. Aus Janßens Sicht liegt das vor allem an Hafemann. Er sagt: "Ursprünglich war der Kooperationsvertrag so formuliert, dass der VSK Bungerhof nur bezahlen sollte ohne Mitspracherecht. Das wollten wir natürlich nicht. Der Vertrag wurde geändert, und Jens Hafemann hat ihn auch unterschrieben, aber er hat ihn nie gelebt."
Budgetplanung sorgt für Streit
Ein großer Streitpunkt war die weitere Budgetplanung der Spielgemeinschaft, die bis Mitte Dezember vorliegen musste. Der Termin für die Vorstellung des Konzepts sei von den Bungerhofern abgesagt worden, schilderte Hafemann. „Per E-Mail an die offizielle Adresse der HSG. Obwohl man sonst ständig über andere Wege kommuniziert. Das war schon verwunderlich, das kann man anders machen."
Janßen betont, dass der VSK Bungerhof am 6. Dezember einen Budgetplan vorgelegt habe: "Darin stand sogar, dass wir mehr Geld bereitstellen als vertraglich vereinbart, um die erste Herren abzusichern. Aber der Plan wurde abgelehnt." Bei ihm sei der Eindruck entstanden, die erste Herren sei gar nicht gewollt. "Mich hatten mehrfach Sponsoren und Spieler um Hilfe gebeten. Nur deswegen bin ich aktiv geworden", betont Janßen. Damit reagiert er auf einen Vorwurf Hafemanns, der erklärte: "Jürgen Janßen ging zu den Spielern hin und sicherte zu, dass Bungerhof die Oberliga-Herren unterstützt und investieren will. Ich war dann natürlich verbrannt und für mich war klar, dass ich es nicht geschafft habe, die beiden Vereine zu einen." In dem Zusammenhang ist Janßen wiederum eines wichtig: "Probleme mit den Trägervereinen gibt es bei der HSG erst seit Kurzem. Über lange Zeit haben wir mit Helmfried Unger vom TV Deichhorst und dem VSK Bungerhof gut zusammengearbeitet und Probleme gemeinsam gelöst. Sonst hätte die Spielgemeinschaft nicht 30 Jahre lang funktioniert."
Trainersuche läuft
Die erfolgreichen Zeiten der HSG Delmenhorst gehören erst einmal der Vergangenheit an. Das erste Herrenteam kämpft als Vorletzter der Oberliga Nordsee gegen den Abstieg und steht nach Libchens Rücktritt ohne Coach da. In Sachen Trainersuche verbreitet Jürgen Janßen immerhin vorsichtigen Optimismus: "Ich bin daran nicht direkt beteiligt, aber die Suche läuft und es gibt auch einen Kandidaten." Zudem ist er überzeugt davon, dass die Mannschaft trotz der großen Unruhe nicht auseinanderfällt. Sein Sohn Jörn Janßen, der ebenfalls als zweiter Vorsitzender des VSK Bungerhof fungiert, ist Spieler des Oberliga-Teams. "Er hat mir auch noch einmal bestätigt, dass die Stimmung in der Mannschaft positiv ist", versichert Jürgen Janßen. "Die Spieler haben sich zusammengerauft und werden hoffentlich den Klassenerhalt schaffen. Und sie werden auch bezahlt, dafür sorgen wir als VSK Bungerhof schon. Es gibt schließlich einen Vertrag bis zum 30. Juni, und der sollte von allen Beteiligten eingehalten werden."
Die große Frage bleibt allerdings, wie es ab Juli 2023 mit der Handball-Spielgemeinschaft weitergeht, nachdem der eingetragene Verein HSG Delmenhorst den Kooperationsvertrag gekündigt hat. Am Dienstagabend kam der Vorstand des VSK Bungerhof zusammen. Danach verkündete der VSK-Vorsitzende Rolf Heitmann: "Wir werden dem Vorstand des Vereins HSG ein Gesprächsangebot unterbreiten."
Jens Hafemann ist bekanntlich als Vorsitzender der Spielgemeinschaft zurückgetreten und will auch beim Verein HSG nicht mehr als Klubchef fungieren. Nun sei die verbliebene Führungsriege am Zug, meint Jürgen Janßen. Er hofft, dass der Kooperationsvertrag doch noch verlängert wird. "Hoffentlich merken jetzt einige Leute, worum es geht, und übernehmen Verantwortung", sagt Janßen und betont: "Die erste Herren ist definitiv noch zu retten, aber der Wille von beiden Seiten muss vorhanden sein."