Bastian Fuhrken ist normalerweise jemand, der Menschen mitreißen kann, doch in diesem Moment voller Enttäuschung fiel das sogar dem stets anpackenden Sportchef des SV Atlas Delmenhorst schwer. Mühsam musste er die Spieler dazu bewegen, den Weg zur Siegerehrung anzutreten, um dort die Medaille für den Zweitplatzierten um den Hals gehängt zu bekommen. Große Lust hatte dazu niemand, „aber das gehört sich nun einmal so“, betonte Fuhrken. Im Vorfeld des Finales um den Fußball-Niedersachsenpokal war abgesprochen worden, dass auch der Endspielverlierer an der Zeremonie teilnimmt. Also schlichen die Blau-Gelben vor die Haupttribüne des Friedrich-Ebert-Stadions und ertrugen den großen Jubel ihres Oberliga-Rivalen VfV Borussia 06 Hildesheim mit Fassung. 0:2 (0:1) hatten die Delmenhorster am Sonnabendnachmittag verloren, und Trainer Dominik Schmidt hielt fest: „Dieses Endspiel hat nicht die bessere Mannschaft gewonnen, sondern die Mannschaft, die es mehr wollte. Der Sieg für Hildesheim war verdient.“
Nach einer insgesamt starken Rückrunde hat der SV Atlas nun seine beiden Saisonziele knapp verfehlt. Vor dem verlorenen Pokalfinale hatten die Delmenhorster bereits den angepeilten Relegationsplatz zwei nicht erreicht und die Saison als Dritter beendet. War die Enttäuschung darüber möglicherweise so groß, dass sich die Mannschaft für das Endspiel nicht mehr richtig aufraffen konnte? „Die Hildesheimer waren natürlich schon länger durch. Die haben sich drei Wochen lang nur auf das Finale konzentriert, aber das war für mich nicht der Hauptgrund für ihren Sieg. Ich erwarte von Fußballern, dass sie einen Haken setzen können und sich dann auf die neue Aufgabe konzentrieren“, sagte Fuhrken.
Saris fataler Fehler
In den ersten Minuten wirkten die Blau-Gelben vor 3690 Zuschauern auch voll fokussiert. Sie erspielten sich direkt eine gute Chance, doch Justin Dähnenkamps Schuss wurde noch abgeblockt (3.). Dass Hildesheim wenig später in Führung ging, war einem bösen Schnitzer zu verdanken: Kerem Sari spielte einen zu kurzen Rückpass auf Torwart Damian Schobert, Can Gökdemir ging dazwischen und traf zum 1:0 (7.). Die ersten Minuten seien bezeichnend für den Spielverlauf gewesen, fand der Atlas-Trainer: „Wir nutzen unsere Chance nicht, während der Gegner sofort da ist und direkt das Tor macht.“

Steffen Rohwedder (links) und Joel Schallschmidt kassierten mit dem SV Atlas eine Niederlage.
Bis zur Pause hatte Atlas dann mehr Ballbesitz und war feldüberlegen, kam aber zu keiner richtigen Torgelegenheit. „Der letzte Pass und die Strafraumbesetzung waren nicht gut“, hielt Schmidt fest. In der zweiten Halbzeit haderten die Blau-Gelben mit zwei Entscheidungen von Schiedsrichter Marco Scharf. Als Ousman Touray im gegnerischen Strafraum zu Fall kam, hätte es durchaus einen Elfmeter geben können. Und als Hildesheims Torwart Tobias Dahncke eine Rückgabe in die Hand nahm, hätte das auch einen Freistoß zur Folge haben können, doch Scharf wertete die Aktion als unabsichtlich.
Schwaches Abwehrverhalten
Insgesamt spielte Atlas im zweiten Durchgang allerdings zu schwach, um der Partie eine Wendung zu geben. Das 2:0 durch Fred Mensah bedeutete somit schon die Vorentscheidung (55.). Vorbereiter Gökdemir war zuvor fast unbehelligt durch den Atlas-Strafraum gedribbelt. „Keiner war bei seinem Mann, keiner hat in der Situation Verantwortung übernommen“, bemängelte Schmidt. Torwart Damian Schobert bekannte: „Nach dem zweiten Gegentor war bei uns die Luft raus. Wir hatten danach keine wirkliche Idee mehr.“ Zwar brachte Schmidt alle verfügbaren Offensivkräfte auf den Platz, doch mehr als eine Chance für Steffen Rohwedder sprang nicht mehr heraus (66.).

Trainer Dominik Schmidt vermisste bei seinem Team die allerletzte Konsequenz.
„Der Wille war schon da, aber wir haben nicht das auf den Platz gebracht, was man für solch einen Pokalfight gebraucht hätte“, sagte Schmidt. Für ihn stellte sich am Ende einer Saison mit Aufs und Abs eine zentrale Frage: „Wollten wir unsere Ziele wirklich mit aller Macht erreichen oder haben wir sie hergeschenkt? Das muss jeder Spieler für sich selbst beantworten.“ Der Trainer hat seine Antwort schon gefunden: „Wir haben es hergeschenkt, zum Beispiel in der zweiten Halbzeit gegen den VfL Oldenburg oder in der ersten Hälfte gegen Kickers Emden. Das tut richtig weh.“
Dass sich einige Spieler zu intensiv mit ihrer persönlichen Zukunft beschäftigten, hatte Schmidt schon einmal kritisiert. Nun sagte er: „Diese Zukunftsplanungen waren Störfeuer, die ich als Trainer nicht beeinflussen konnte. Ich bin auch kein Freund davon, wenn manche Spieler immer um jeden Cent feilschen. 50 Euro mehr hier oder 50 Euro mehr da. So etwas habe ich als Spieler nie gemacht.“ Trotz der beachtlichen Aufholjagd nach der Winterpause geht Schmidt nach eigenem Bekunden „mit einem schlechten Gefühl“ aus der Saison, ist aber auch schon wieder voller Tatendrang. „Ich arbeite gerne mit der Mannschaft. Fünf Wochen Sommerpause sind mir zu lang“, sagte er und blickte voraus: „Wir werden noch härter arbeiten, um in der neuen Saison zwei Titel zu holen.“