An diesem Wochenende starten die Werder-Frauen offiziell in die Saisonvorbereitung – und damit die einzig verbliebene erstklassige Fußballmannschaft des Vereins außerhalb der Nachwuchsabteilung. Der Abstieg ihrer Profikollegen in die 2. Liga erwischte die Frauenabteilung während eines Aufschwungs: Nach dem Aufstieg in die Bundesliga gelang schon vorzeitig der Klassenerhalt, mit dem neuen Trainer Thomas Horsch an der Seitenlinie entstand im Frühjahr sogar so etwas wie Aufbruchstimmung. Und die soll jetzt unter dem Dilemma der Herren nach Möglichkeit nicht leiden. „Natürlich soll sich der Frauenfußball bei uns weiter positiv entwickeln“, sagt Werders Präsident Hubertus Hess-Grunewald, einer der größten Förderer des Frauenfußballs im Verein.
Die nächsten Ziele sind klar abgesteckt: In einer Zeit, in der Frauenfußball in Deutschland und generell in Europa eine immer größere Wertschätzung erfährt und sich zunehmend professionalisiert, möchte Werder Bremen bei dieser Entwicklung möglichst weit vorne dabei sein, ohne größere Risiken einzugehen. „Wir haben nicht den Anspruch, dass wir mit Bayern oder Wolfsburg um die Spitze spielen, davon sind wir weit entfernt“, erklärt der Präsident mit Blick auf die beiden Branchengrößen in Deutschland, „aber wir wollen uns gerne in der 1. Frauen-Bundesliga etablieren.“
Was einfach klingt, dürfte für Werder schwierig genug werden. Das zeigt schon der Blick auf die Konkurrenz, etwa bei Bayer Leverkusen. Eigentlich wurde das Thema Frauenfußball dort in den Vergangenheit eher vernachlässigt – doch das hat sich gewaltig geändert, seit der frühere Werder-Sportchef Thomas Eichin dort verantwortlich ist und – wie man ihn kennt – ordentlich Gas gibt. Mit ganz anderen finanziellen Möglichkeiten, dank des Engagements der Bayer AG und dem guten Ruf in der Branche. „Sehr ambitioniert“, nennt Hess-Grunewald das, was am Rhein unter Eichins Kommando entsteht.
Bei Werder wird es trotz größerer Anstrengungen über die finanzielle Schiene nicht funktionieren, den Frauenfußball fit für die Zukunft zu machen. Das entscheidende Wort, das man im Verein in Bezug auf die Mannschaft von Trainer Horsch häufig hört, heißt „solide“. Hess-Grunewald erklärt es so: „Wir möchten durch unser bodenständiges Agieren im Frauenfußball und auch mit jungen Talenten, die sich bei uns entwickeln wollen, eine gute Rolle spielen. Sodass wir, wie jetzt gerade, auch dauerhaft zu den zehn besten Klubs in Deutschland gehören.“

Präsident Hubertus Hess-Grunewald.
Um das zu schaffen, müssen die gesamten Strukturen schrittweise angepasst werden. „Es geht auch darum, sich weiter zu professionalisieren, was das ganze Umfeld angeht“, betont der Präsident, „das ist unter den wirtschaften Bedingungen eines Zweitligisten SV Werder Bremen natürlich schwieriger. Fürs nächste Jahr ist alles gut aufgestellt – und wir hoffen, dass wir uns damit ein weiteres Jahr in der Frauen-Bundesliga halten können.“
Gemessen an Werders Möglichkeiten sei von der zuständigen Abteilungsleiterin Birte Brüggemann „wirklich fantastische Arbeit“ geleistet worden, lobt Hess-Grunewald, „nur durch das hohe Engagement in dieser Abteilung sind wir heute überhaupt so weit oben im Frauenfußball. Wir haben uns da in den vergangenen Jahren sukzessive entwickelt und uns verbessert. Es wäre schön, wenn wir uns dort nun auf dem guten Niveau stabilisieren könnten. Aber natürlich ist das angesichts der Konkurrenzsituation unfassbar schwierig.“

Trainer Thomas Horsch.
Bisher ist der Frauenfußball für den Verein noch ein Zuschussgeschäft, auch wenn die Sponsoren-Einnahmen in dieser Branche zuletzt grundsätzlich stiegen und auch der DFB inzwischen mit höheren und zeitgemäßen Zahlungen zum Gelingen der Liga beiträgt. Dass Spitzenspielerinnen in Europa heute einen Marktwert im mittleren sechsstelligen Bereich haben und viele Verträge bei den Topklubs zuletzt bewusst über vier oder fünf Jahre abgeschlossen wurden, um bei einem vorzeitigen Vereinswechsel Ablösesummen zu generieren, macht deutlich, wie sich der Frauenfußball entwickelt. Im Frühjahr erzielte der TV-Sender Sport1 mit Spielen der Frauen-Champions-League beachtliche Einschaltquoten mit Spitzenwerten von 800.000 Zuschauern.
Im Gegensatz zu etlichen männlichen Kollegen gewinnen die bei Weitem nicht so abgehobenen Frauen mit ihrem Sport an gesellschaftlicher Akzeptanz, was viele Werbetreibende inzwischen sehr bewusst nutzen möchten. Hess-Grunewald: „Ob man mit Frauenfußball in absehbarer Zeit Geld erwirtschaften kann, ist im Augenblick aber noch schwer zu prognostizieren. Wir haben da bei den Einnahmen noch Luft nach oben.“ Die Spielerinnen bei Werder etwa sind keine Profis, sie haben einen anderen Beruf oder studieren.
Das mittel- und langfristige Ziel des SVW ist für den Vereinschef klar: erstklassig bleiben – beziehungsweise werden. „Das große Interesse sollte schon sein, dass wir die Männer und die Frauen in der ersten Liga positionieren“, betont Hess-Grunewald, „das ist auch unser Selbstverständnis als Verein, der so viele Jahrzehnte in der Bundesliga gespielt hat. Dass wir mit den Männern abgestiegen sind, ist mehr als bitter. Aber der Anspruch und das Denken muss dahin gehen, heiß darauf zu sein, wieder nach oben zu kommen.“ Also dahin, wo die Frauen sich erfolgreich gehalten haben.