Nein, sagt Juliane Wirtz, es nerve sie nicht, auf ihren berühmten Bruder Florian angesprochen zu werden. "Das ist halt ein Teil von mir", sagt die 22-Jährige, die Bayer Leverkusen im vergangenen Sommer nach fünf Jahren verlassen hat, um bei Werder Bremen eine neue Herausforderung anzunehmen. In der Fußball-Bundesliga trifft sie an diesem Freitag um 18.30 Uhr auf Platz 11 nun erstmals nach ihrem Wechsel nicht nur auf den Ex-Klub, sondern zugleich auf viele Freundinnen. "Cool" findet sie das Wiedersehen mit ihren alten Weggefährtinnen, "darauf freue ich mich".
Wenn die beiden Tabellennachbarn am Freitag um den sechsten Rang spielen, den derzeit noch die Rheinländerinnen einnehmen, dürfte die Partie buchstäblich ein richtiges Wirtz-Familientreffen werden. Es haben sich etliche Familienmitglieder angekündigt, sagt Juliane Wirtz. Sie hat allein neun Geschwister, von denen Florian der Jüngste ist. Dass auch er nach Bremen kommt, ist allerdings nicht zu erwarten, denn der Spitzenreiter der Männer-Bundesliga empfängt am Sonnabend Borussia Mönchengladbach.
Juliane und Florian Wirtz verbindet übrigens nicht nur ihr großes Fußballtalent, sondern auch die Leidenschaft für Handball. "Ein großes Thema für mich", sagt Werders Mittelfeldspielerin. Sie verfolgt die EM in Deutschland mit großer Aufmerksamkeit – auch deshalb, weil sie die Familie Köster aus Brauweiler gut kennt. Seit 1975 ist der Ort ein Stadtteil von Pulheim. Und wie die Familie Wirtz, stammt auch der derzeit begeisternde Handball-Nationalspieler Julian Köster aus Brauweiler. Dessen erste Jugendtrainerin war einst: Karin Wirtz, die Mutter von Juliane und Florian. "Wir haben immer noch Kontakt zur Familie Köster", sagt die junge Fußballerin, die sich kein deutsches Handball-EM-Spiel vor dem Fernseher entgehen ließ.
Genau wie Florian Wirtz, durchlief auch seine Schwester sämtliche Jugendnationalmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes. Beide begannen ihre Laufbahn einst beim SV Grün-Weiß Brauweiler – in dem Klub, in dem Vater Hans-Joachim Wirtz noch heute der 1. Vorsitzende ist. Weitere Parallele: Juliane und Florian spielten lange für den 1. FC Köln, bevor sie nach Leverkusen gingen.
Juliane Wirtz blickt trotz ihrer erst 22 Jahre bereits auf 100 Einsätze in der Bundesliga zurück. Den ersten und nur einen bestritt sie für Köln, dann 89 für Leverkusen und inzwischen zehn für Werder. "Ich fühle mich hier sehr wohl", sagt sie. Das liegt vermutlich auch daran, dass die defensive Mittelfeldakteurin in allen Punktspielen in der Bremer Startelf stand und mit 824 Minuten die drittlängste Einsatzzeit von Trainer Thomas Horsch bekam. Nur Michelle Ulbrich (900) und Sophie Weidauer (846) standen in dieser Saison länger auf dem Platz als die dreimal ausgewechselte Ex-Leverkusenerin. "Das hätte ich nicht so gedacht", sagt Juliane Wirtz und scheint selbst ein bisschen überrascht zu sein, dass sie an neuer Wirkungsstätte so gut eingeschlagen hat.
Rückrunde wird "steiniger Weg"
Nun steht also die nächste Bewährungsprobe für Juliane Wirtz an: das Duell mit den Freundinnen. Nach fünf Jahren für Bayer habe sie in Leverkusen ihr Herz gelassen, sagt sie. Ja, gibt sie auch zu, es sei ein besonderes Spiel für sie. Aber es sei auch nur ein weiteres Spiel für Werder, das elfte und letzte der Hinrunde. "Und wir wollen die nächsten drei Punkte." Juliane Wirtz macht deutlich, dass ihre ehemaligen Mitstreiterinnen zumindest für 90 Minuten nicht auf die Unterstützung der Neu-Bremerin hoffen sollten.
Mit 13 Punkten aus zehn Partien hat Werder so reiche Beute gemacht wie noch nie zu Bundesliga-Zeiten. "Ich bin zufrieden, dass wir erstmals so viele gesammelt haben", sagt Juliane Wirtz. Dennoch spricht sie von einem "steinigen Weg", der für ihre Mannschaft in der Rückrunde noch zu erwarten sei. Sich ausruhen auf dem bisher Erreichten: Das gibt es für die 22-Jährige nicht. Mit einem Sieg am Freitag würde Werder mit Bayer die Plätze tauschen und die Hinrunde erstmals in der oberen Tabellenhälfte abschließen. "Es wird ein Vergleich auf Augenhöhe", sagt Juliane Wirtz. Sie hofft dabei erneut auf große Unterstützung der Zuschauer. "Dass derzeit so viele zu unseren Spielen kommen, macht mich stolz. Das pusht mich in jeder Sekunde, wir sind da gerade in einer guten Zeit."
Obwohl für Juliane Wirtz der Erfolg der Mannschaft im Vordergrund steht, verliert sie ihre persönlichen Ziele nicht aus den Augen. "Natürlich habe ich den Traum, Nationalspielerin zu werden", sagt sie, "ich bin froh, mich bei Werder ständig verbessern zu können." Vielleicht zieht sie auch diesbezüglich eines Tages mit ihrem Bruder Florian gleich. Es wäre eine weitere Parallele des Duos, die für ihre gute Beziehung aber keine Rolle spielt. "Wir haben ein sehr geschwisterliches Verhältnis", sagt Juliane Wirtz. Wie schön, wenn das am wenigsten von Fußball geprägt ist.