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Frauen-Fußball Werders Weg: Kreativität statt Scheckbuch

Auch im Frauenfußball geht es zunehmend um Geld. Selbst Werder Bremen zahlt bereits Ablösesummen, wenn auch vergleichsweise geringe. Meistens muss der Verein aber andere Wege gehen, um sich zu verstärken.
13.03.2023, 07:00 Uhr
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Werders Weg: Kreativität statt Scheckbuch
Von Jean-Julien Beer

Als Werder in der Frauen-Bundesliga auf einem Abstiegsplatz überwintern musste, war Kreativität gefragt. Nicht bei den Spielerinnen, sondern bei den Entscheidern. Denn es war offensichtlich, dass die bis dahin sieglose Mannschaft Verstärkung in der Offensive brauchen würde, um realistische Chancen auf den Klassenerhalt zu haben. Das Problem: Ein Verein wie Werder kann nicht mit dem Scheckbuch wedeln und sich starke Spielerinnen kaufen. Was bei den Männern der Grün-Weißen nicht möglich ist, geht bei den Frauen auch nicht.

Also kamen die Verstärkungen Chiara Hahn und Stefanie Sanders auf anderem Wege an die Weser: Hahn hatte sich im Sommer im Vorfeld der U20-WM in Costa Rica schon einmal für einige Wochen in Bremen aufgehalten, in einer kleinen Trainingsgruppe machte sich die Mittelfeldspielerin unter Anleitung von Werders Trainer Thomas Horsch fit für das Turnier; aus dem Kader der Grün-Weißen gehörten die WM-Fahrerinnen Tuana Keles und Maja Sternad zu dieser Gruppe, auch ein paar Bremer Nachwuchstalente durften mitmachen. Man kannte sich also schon, bevor die damals noch in Florida spielenden Hahn nun zu Werder wechselte und seither Stammspielerin ist. „Wenn man schon einmal ein paar Wochen miteinander gearbeitet hat, dann pflegt man natürlich ein ganz anderes Verhältnis zueinander. Dann spricht man anders über einen Wechsel“, sagt Horsch.

Ein ähnliches Netzwerk kam bei Sanders ins Spiel: Die hatte vor einigen Jahren bereits für Werder gespielt und Tore geschossen, jetzt fand sie es reizvoll, ihre Champions-League-Klub in Göteborg zu verlassen und nach Bremen zurückzukehren. Dass die Stürmerin hochklassig Fußball spielen kann, sieht man nach ihren Einwechslungen bei jedem Ballkontakt; nur an der körperlichen Verfassung muss sie noch arbeiten. Aber wenn es anders wäre, würde sie heute wohl nicht bei Werder unter Vertrag stehen, sondern bei einem größeren Verein. Und deshalb ist es gar nicht schlecht für Werder, dass am Sonnabend das Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt wegen des Winterwetters ausfallen musste. Es wird nun am Dienstag (18 Uhr, Platz 11) nachgeholt. Jede Trainingseinheit mehr bringt auch Sanders voran.

Im Frauenfußball ist Werder mit solch kreativen Transfers zunehmend ein Exot – vor allem, wenn man ins Ausland schaut, wo der Takt für die rasante Entwicklung des Sports vorgegeben wird. Vor der Saison kaufte der FC Barcelona die englische Europameisterin Keira Walsh für die Weltrekordablöse von rund 460.000 Euro. Sie löste damit Pernille Harder ab. Die Dänin soll bei ihrem Transfer vom VfL Wolfsburg zum FC Chelsea vor zwei Jahren bis zu 350.000 Euro gekostet haben. Harder sieht die Entwicklung der Ablösesummen positiv: "Es ist gut für den Frauenfußball, dass das Geld ins Rollen kommt."

Bereits jetzt ist es bei uns so, dass auch wir Ablösesummen zahlen oder bekommen.
Birte Brüggemann, Werder Bremen

Auch bei Werder rollt es inzwischen, wenn auch in sehr viel kleineren Beträgen. Die Bremer Fußball-Abteilungsleiterin Birte Brüggemann bestätigt: „Bereits jetzt ist es bei uns so, dass auch wir Ablösesummen zahlen oder bekommen. Natürlich bei weitem nicht in den Dimensionen der Topclubs, die weitere Transfers ermöglichen oder größere Teile des Budgets ausmachen. Dennoch sind aber auch bei unseren Transfers Zahlungen vorhanden.“ Wie es in der Branche heißt, floss bei der Verpflichtung der ungarischen Nationalspielerin Hanna Nemeth im vergangenen Jahr eine Entschädigung; die Abwehrspielerin kam von Ferencvaros Budapest nach Bremen. Das sollen aber nur ein paar Tausend Euro gewesen sein. Torhüterin Anneke Borbe hingegen verliert Werder nun ablösefrei an Meister VfL Wolfsburg, weil ihr Vertrag am Saisonende ausläuft.

Vielleicht sagen wir in sechs oder acht Jahren, dass 400.000 Euro für eine Spielerin ein sehr vernünftiger Preis ist.
Ligachef Manuel Hartmann

Beim Deutschen Fußball-Bund sieht man die wachsenden Summen positiv. „Die Tendenz ist klar, dass im Frauenfußball verstärkt Ablösesummen gezahlt werden“, sagt Ligachef Manuel Hartmann, „das ist auch eine Form der Wertschätzung für die Entwicklung des Frauenfußballs.“ Ob auch mal Dimensionen wie in Spanien oder England erreicht werden? „Ich würde das nicht ausschließen. Die Entwicklung ist klar vorgegeben“, erklärt Hartmann, „vielleicht sagen wir in sechs oder acht Jahren, dass 400.000 Euro für eine Spielerin ein sehr vernünftiger Preis ist. Heute ist solch eine Summe für den Frauenfußball exorbitant hoch.“

Einzelne Vereine im Ausland verfügten "über exorbitant hohe Mittel und sind auch in der Lage, entsprechende Ablösesummen zu zahlen", weiß Hartmann, "das kennen wir von diesen Vereinen ja auch aus dem Männerfußball. Wenn diese Klubs eine Spielerin unbedingt haben wollen, dann holen sie die halt." Dem deutschen Fußball sei es immer gelungen, auch bei den Männern, im Vergleich zu anderen Ligen eine gewisse Vernunft walten zu lassen. „Deshalb glaube ich nicht, dass der VfL Wolfsburg, Bayern München oder andere Vereine der Frauen-Bundesliga morgen oder übermorgen solche Ablösesummen investieren.“

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Birte Brüggemann befürchtet nicht, dass die gerade zunehmende Beliebtheit des Frauenfußballs unter höheren Ablösesummen leiden wird – ein Problem, das den Männerfußball mit seinen ausufernden Summen belastet. „In keinem Sport werden Männer und Frauen auf so vielen Ebenen verglichen wie im Fußball“, meint Brüggemann dazu und betont mit Blick auf den Frauenfußball: „Losgelöst davon sind das Entwicklungsschritte zur weiteren Professionalität – und da kommen wir auch nicht drumherum, über höhere Ablösesummen zu sprechen. Das ist letztlich Teil des Systems.“

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