Es war Ende Juli, als Thomas Horsch ein Telefonat geführt hat, dessen Inhalt er im Rückblick als "sehr speziell" bezeichnet. Am anderen Ende der Leitung und quasi auch am anderen Ende der Welt war Torhüterin Livia Peng, die zu dem Zeitpunkt bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen mit der Schweiz in Neuseeland um den Einzug ins Achtelfinale kämpfte. Keine zwei Wochen zuvor hatte Bundesligist SV Werder Bremen die Verpflichtung der 21-jährigen Torhüterin bekannt gegeben. Die Bremerinnen hatten nach der letzten Saison mit Anneke Borbe (Wolfsburg) und Lena Pauels (Lissabon) gleich beide Stammkeeperinnen verloren und deshalb auf dieser Position reagieren müssen.
Die Verpflichtung von Livia Peng war ein Transfer, der bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Zwar blieb Peng, die mit dem FC Zürich 2022 Schweizer Meister und Pokalsieger geworden ist und auch schon in der Champions League gespielt hat, bei dieser WM ohne Einsatz. Sie gilt aber nach dem erklärten Rücktritt von Gaëlle Thalmann in der Schweiz als kommende Nummer eins. Auch beim SV Werder? Nun ja, da wird es "sehr speziell", um bei der Formulierung von Trainer Thomas Horsch zu bleiben. Der SV Werder hat nämlich zwischenzeitlich mit der Kolumbianerin Catalina Perez noch eine zweite Nationaltorhüterin unter Vertrag genommen.
Genau das war also der Moment, als Horsch sein Handy in die Hand nahm. Er sah es als seine Pflicht an, Livia Peng persönlich darüber zu informieren, "dass sie noch Konkurrenz bekommen hat", so Horsch. Und zwar eine richtig starke. Catalina Perez, 28 Jahre alt, geboren in Bogota/Kolumbien und aufgewachsen in Florida/USA, bringt reichlich internationale Erfahrung mit an die Weser. Perez hat zuletzt in Brasilien gespielt, davor in Italien und Spanien. Mehr als 50-mal hat sie im Tor der kolumbianischen Nationalmannschaft gestanden. Sie hat bei der WM unter anderem mit ihren Paraden beim 2:1-Erfolg über Gruppengegner Deutschland für Furore gesorgt, und sie hat mit ihrem Land durch den Einzug ins WM-Viertelfinale etwas Historisches geleistet.
Der SV Werder geht nun also mit zwei Nationaltorhüterinnen in die Mitte September mit einem Auswärtsspiel in Nürnberg beginnende Saison. "Das erhöht die Qualität in unserem Kader", sagt Thomas Horsch. Er war früher selbst Torhüter und weiß um die Wichtigkeit dieser Position. Von einem Luxusproblem mag er deshalb auch nicht sprechen. Vielmehr ist Horsch im Moment einfach nur froh, den Kader endlich komplett zu haben. Livia Peng ist nach ihrer WM-Reise bereits vor knapp zwei Wochen in Bremen eingetroffen und mit ihren neuen Teamkameradinnen dann auch gleich ins Trainingslager nach Nordholz gefahren. Seit vergangenem Wochenende ist nun auch Catalina Perez vor Ort; sie hatte zuvor noch ein paar Tage Urlaub gemacht und ihre Familie in Miami besucht.

Einsatz im Werder-Dress: Torhüterin Livia Peng beim Testspiel gegen Pansdorf.
Der Konkurrenzkampf ist also eröffnet. "Ich werde das beobachten, das Rennen ist offen", sagt Thomas Horsch, der beiden Torhüterinnen in den verbleibenden zwei Testspielen je einmal Gelegenheit geben will, sich zu zeigen. Das erste Pflichtspiel steht dann am 9. September an, wenn Werder in der Zweitrundenpartie im DFB-Pokal zum Zweitligisten Borussia Mönchengladbach reisen muss. Horsch möchte in dieser Angelegenheit jede Hektik vermeiden. Er betont, welchen Einfluss eine Torhüterin auf das Mannschaftsgefüge haben kann, deshalb wolle er auf dieser Position Ruhe haben. Ob es deshalb bald schon eine klare Nummer eins geben werde? Das wisse er noch nicht, sagt Thomas Horsch. Was er aber schon sagen kann, ist dies: "Beide strotzen vor Motivation und Elan. Genau das brauchen wir!"
Catalina Perez und Livia Peng haben sich also auf den Weg gemacht, um sich in der Bundesliga in Deutschland zu behaupten. Beide sind ehrgeizig. Beide verfolgen hochgesteckte Ziele. Das wird in einer Medienrunde mit den beiden Torhüterinnen deutlich. Sie sprechen von neuen Erfahrungen. Von möglichen Titelgewinnen. Beide zeigen sich voller Vorfreude auf eine Top-Liga mit starken Gegnern. Werder Bremen, so sagen sie es, sei der richtige nächste Schritt auf ihrer Karriereleiter. Mit Drucksituationen, auch das wird im Gespräch klar, kennen sie sich aus.
Perez und Peng nehmen den Konkurrenzkampf an. "Ich will die Nummer eins werden", sagt die Kolumbianerin. "Ich will die Nummer eins werden", sagt auch die Schweizerin. Beide Nationaltorhüterinnen formulieren ein klares Ziel. Jede wolle spielen und werde dafür hart arbeiten, erklären Peng und Perez gleichlautend. Und es könne nur gut sein, wenn man sich gegenseitig pushe, "das macht uns nur besser". Die Entscheidung wird am Ende Trainer Thomas Horsch treffen müssen. Der sagt zwar, dass dieses Duell, dieser Zweikampf auf der Torhüterposition, eine normale Situation sei, "wie bei Feldspielerinnen auch". Wirklich überzeugend klingt das indes nicht. Eher doch nach einem Luxusproblem der speziellen Art.