Marco Friedl hat in den vergangenen fünf Wochen tagtäglich hart dafür gearbeitet, um nach seinem Syndesmosebandriss möglichst schnell wieder auf dem Fußballplatz stehen zu können. Und so betrachtet bot der 27. Spieltag für den Österreicher im Vorfeld reichlich Anlass zur Freude – allerdings auch nur im Vorfeld. Rechtzeitig zum Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg hatte sich der Innenverteidiger des SV Werder Bremen zurückgemeldet, um seiner Kapitänsrolle nach der verdienten 0:2-Niederlage, die gleichzeitig die vierte Pleite in Serie war, wie folgt gerecht zu werden: als Lautsprecher, der mit deutlichen Worten Alarm schlägt.
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"Unterm Strich war es einfach viel zu wenig, um ein Bundesligaspiel gewinnen zu können", begann Friedl seine Ausführungen, in denen er weder sich selbst noch seine Teamkollegen schonte. "Wir machen wieder spielentscheidende Fehler und tun uns enorm schwer, mit dem Ball ins letzte Drittel zu kommen. Das sind Sachen, an denen wir arbeiten müssen, damit wir wieder besseren Fußball spielen", forderte der 26-Jährige, dessen knallhartes Urteil lautete: "Es ist gerade langweilig, uns zuzuschauen."
In der ersten halben Stunde hatte Werder gegen keinesfalls überragende Wolfsburg hier und da noch gute Ansätze gezeigt und hätte durch Nick Woltemade auch in Führung gehen können (30.) – oder müssen, wie Friedl urteilte: "Der Ball muss drin sein, da gibt es kein Wenn und Aber." Dass sich Werder in den vergangenen Wochen sowohl vorne als auch hinten immer wieder Nachlässigkeiten geleistet hat und deshalb keine Punkte mehr holt, führte der Kapitän auch auf die mangelnde Einstellung seiner Mannschaft zurück.
"Wir schenken es zu sehr her, und das stinkt mir generell. Es nervt mich auch in der Mannschaft, dass wir das zu locker hinnehmen und sagen: ,Es geht ja nur darum, dass wir in der Liga bleiben.'" Ein Denken, dass Friedl widerstrebt, wie er unmissverständlich kundtat: "Wenn du die Chance hast, oben dranzubleiben, warum schenkst du es dann so billig her und stehst Woche für Woche wieder da und sagst: ,Ja, das hätten wir jetzt nicht verlieren müssen.'" Einmal in Rage geredet, legte der Österreicher nach: "Jedes Jahr um die goldene Ananas zu spielen, interessiert mich nicht. Ich will ja irgendwann mal etwas erreichen. Dass es nicht unser Anspruch ist, dieses Jahr nach Europa zu kommen, ist klar. Aber es geht darum, dass wir unsere Chancen, etwas zu erreichen, nicht so einfach herschenken dürfen."
Klar ist: Das Thema Europa, das in Bremen vor einigen Wochen berechtigterweise noch Sehnsüchte hervorgerufen hatte, ist endgültig vom Tisch. Angst, dass es wie vor drei Jahren im Saisonendspurt wieder ganz nach unten gehen könnte, hat Friedl aber nicht. "Ich glaube nicht, dass alle Vereine da unten am Ende 30 Punkte holen werden." Grundsätzlich sei die aktuelle Situation zudem nicht mit dem Abstiegsjahr 2021 zu vergleichen, als Werder elf Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz noch aus der Hand gab. Am Samstagabend hatten die Bremer weiterhin 30 Zähler auf dem Konto und damit noch zehn Punkte mehr als der Tabellensechzehnte Mainz 05. "Damals haben wir Sachen umgestellt und Dinge probiert. Das machen wir jetzt nicht, sondern wir kennen unsere klaren Abläufe. Wir kriegen sie halt einfach nicht auf den Platz", monierte Friedl – und hielt fest: "Es ist relativ einfach gerade, Spiele gegen uns zu gewinnen, weil wir in entscheidenden Momenten nicht das Niveau zeigen, das wir eigentlich haben."
Werders Verantwortliche, Cheftrainer Ole Werner und Leiter Profifußball Clemens Fritz, lagen mit ihren Analysen übrigens auf derselben Linie wie Marco Friedl. "Wir sind aktuell pro Spiel in einer Handvoll Szenen nicht auf der Höhe, und die fliegen uns gnadenlos um die Ohren", sagte Werner, ehe er betonte: "In den ersten 35 Minuten spielen wir ordentlich, aber ordentlich reicht für uns nicht, um Bundesliga-Spiele zu gewinnen. Es geht jetzt darum, Konsequenz an den Tag zu legen und jede Chance so zu behandeln, als sei es die spielentscheidende Szene."
Damit es am Ende nicht tatsächlich noch einmal eng wird. Auf die leichte Schulter nehme am Osterdeich die aktuelle Lage niemand, wie Fritz erklärte: "Wir unterschätzen nichts. Wir können uns auch auf nichts ausruhen, und wir wissen, dass wir noch Punkte brauchen. Und wir wissen auch, was für ein Programm wir noch vor uns haben." Die Forderung des Ex-Profis: "Das Entscheidende ist, dass wir zusammenbleiben und nicht anfangen, mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Wir können uns da nur als Gruppe gemeinsam wieder rausziehen."