Die Blicke der Werder-Fans wandern in der Tabelle oft zum 1. FC Heidenheim. Nicht nur, weil der Aufsteiger ein Konkurrent um eine gute Platzierung ist, sondern auch wegen Eren Dinkci. Denn der Bremer Stürmer, für eine Saison an Heidenheim ausgeliehen, sorgt dort für Furore. 34 Tore hat Heidenheim nach 25 Spieltagen auf dem Konto, exakt so viele wie Werder. Sieben dieser Tore hat Dinkci geschossen, drei weitere bereitete er vor – damit ist er an knapp 30 Prozent aller Treffer beteiligt. Das ist ein starker Wert für den 22 Jahre jungen Angreifer, der vorher in 50 Einsätzen bei den Werder-Profis nur ein Tor und zwei Vorlagen verbucht hatte. Wobei er bei diesen Einsätzen oft nur wenige Minuten spielen durfte.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Genau das wird nun ein sehr entscheidender Punkt, wenn es darum geht, ob Dinkci nach Ende seines Leihvertrags in der neuen Saison wirklich wieder für Werder spielt. Dass er gerne in seiner Heimatstadt Bremen ist, wo seine Familie lebt, ist völlig klar. Aber eine feste Rückkehr zu Werder macht für ihn nur Sinn, wenn er nach seinem Bundesliga-Durchbruch dann auch in Bremen Stammspieler wäre. Viele Fans träumen davon, neben den jungen Justin Njinmah und Nick Woltemade auch Dinkci auf dem Rasen des Weserstadions stürmen zu sehen. Andererseits gibt es noch den gesetzten Marvin Ducksch sowie Dawid Kownacki und Neuzugang Marco Grüll, der im Sommer von Rapid Wien kommt. Das wären viele Angreifer, je nach System sogar zu viele.
Systemumstellung für Dinkci?
Und System ist bei Dinkci ein gutes Stichwort: Heidenheim agiert mit einer offensiven Dreierreihe hinter dem Sturm. In dieser Reihe spielt Dinkci meistens rechts außen, mit vielen Freiheiten nach vorne und abgesichert durch den Außenverteidiger einer Viererkette. Das alles gibt es bei Werder aber nicht. Im Bremer System von Ole Werner wird die rechte Bahn von einem offensiven Außenverteidiger besetzt, oft Mitchell Weiser, der viele Defensivaufgaben hat.
Wenn Werder fest mit Dinkci plant, weil seine Leihe so erfolgreich gelaufen ist, würde sich deshalb die Frage nach einer Systemumstellung stellen. Theoretisch wäre die möglich, weil Neuzugang Grüll bei Rapid als linker Flügelstürmer agiert und auf dieser Position bei 18 Saisoneinsätzen schon acht Tore und sechs Vorlagen beisteuerte. Er wäre das ideale Gegenstück zu Dinkci auf rechts. Dazu Ducksch in die Mitte – aber wohin dann mit Njinmah? Und wäre das ideal für Ducksch, der nicht besonders kopfballstark ist?
Eine Umstellung des Systems aber hätte tiefgreifende Folgen für die Besetzung des Mittelfelds und der Abwehr, wo man von der bisher bevorzugten Dreier- auf eine Viererkette umstellen müsste. Fragen nach einer Viererkette aber beantwortet Werner gerne mit dem Hinweis, er sehe dafür keine Außenverteidiger im Kader.
In der Summe wäre das also sehr viel Um- und Neubau, um einen Dinkci optimal zu integrieren. Die Frage, ob Dinkci auch auf einer anderen Position in der Bundesliga glänzen könnte, im Sturmzentrum oder hinter einer Spitze, ist auch deshalb offen, weil es dafür kaum Erfahrungswerte gibt. Für dieses Dilemma hat Werder selbst gesorgt in Zeiten, in denen sich das kongeniale Duo Ducksch/Füllkrug von selbst aufstellte. Dinkcis Spielzeit bei seinen 50 Werder-Einsätzen belief sich auf dünne 1108 Minuten. Unter Werner war es noch dünner: 28 kurze Einsätze, nur 396 Spielminuten. Das Verhältnis der beiden gilt als unterkühlt, was Dinkci bereits deutlich formulierte.
Auffallend: Mit der Rückendeckung seines erfahrenen Heidenheimer Trainers Frank Schmidt blühte der junge Stürmer binnen kürzester Zeit auf, er stürmt nun mit einer breiten Brust und einer Vielseitigkeit im Torabschluss, die man bei seinen kurzen Werder-Einsätzen selten von ihm sah. Auch das haben sie bei Werder intern natürlich analysiert, was da schiefgelaufen sein könnte bei der (Nicht-)Förderung dieses Talentes. Man einigte sich darauf, dass der Spieler die Kurzeinsätze für sich selbst nicht optimal genutzt habe.
Wenn Dinkci nun zurückkommt und bei Werder nicht Stammspieler wird, würde das für den Verein und den Spieler keinen Sinn machen. In Heidenheim kommt er auf eine Startelfquote von 96 Prozent, auch deshalb wird er bereits unter den Top-100 der wertvollsten deutschen Spieler gelistet. Wenn Werder ihn verkauft, angeblich greift eine Ausstiegsklausel von rund fünf Millionen Euro, würde das ein wenig Geld bringen – wenn der Spieler sich dann aber woanders weiter so gut entwickelt und seinen Wert vervielfacht, wäre das bitter für die Bremer. Wenn der Spieler zu einem größeren Klub wechselt, dort aber nicht mehr regelmäßig spielt, wäre ihm auch nicht geholfen. Nicht jedes Szenario ist also gut für den Spieler oder für Werder – deshalb will der nächste Schritt nun von beiden Seiten gut überlegt sein.