Am zweiten Tag nach dem Spiel ist frei, da wird nicht trainiert, sondern entspannt. Schon seit vielen Jahren ist das eine Art ungeschriebenes Gesetz beim SV Werder Bremen, weil es aus Gründen der Belastungssteurung Sinn ergibt. Auch nach dem bitteren 1:2 beim FC Schalke 04 hat Cheftrainer Ole Werner nicht daran gerüttelt. Heißt: Den Mai-Feiertag verbrachten die Bremer Profis bei herrlichem Wetter im privaten Bereich. Dass sie ihn uneingeschränkt genossen haben, darf aber zumindest bezweifelt werden. Schließlich wirkte der Frust über dieses Erlebnis in Gelsenkirchen noch mächtig nach. „Natürlich ist die Enttäuschung noch da. Das dauert immer ein, zwei Tage“, sagt Werders Leiter Profifußball Clemens Fritz im Gespräch mit der DeichStube, ehe er versichert: „Aber ab Dienstag richten wir den Blick nach vorne und konzentrieren uns auf das Spiel gegen Bayern.“
Der Rekordmeister ist am Samstag ab 18.30 Uhr zum Topspiel des 31. Spieltags im Weserstadion zu Gast – und mit ihm die Frage: Was wird denn im Schlussspurt noch aus dieser Werder-Saison? Droht tatsächlich noch einmal das ganz große Zittern? Oder sind die 35 Punkte, die der Aufsteiger bis dato gesammelt hat, schon genug, um sich keine Sorgen mehr machen zu müssen? Antwort Clemens Fritz: „Ein Sieg auf Schalke wäre ein großer Schritt gewesen, mit dem wir uns eine deutlich bessere Ausgangslage hätten verschaffen können. Es gibt andererseits aber auch deutlich schlechtere als die, die wir weiterhin haben.“
In Zahlen sieht sie wie folgt aus: Sieben Punkte Vorsprung haben die Bremer bei noch zwölf zu vergebenen Zählern auf den Relegationsplatz, den aktuell der VfB Stuttgart belegt. Zum Vorletzten Schalke sind es acht Punkte Abstand, zum Schlusslicht Hertha BSC sogar 13 – heißt: Die Berliner werden Werder an den letzten vier Spieltagen definitiv nicht mehr abfangen können. Was sicher auch seinen Teil dazu beiträgt, dass Clemens Fritz mit Nachdruck betont: „Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass wir unser Saisonziel am Ende erreichen.“ Also über dem Strich stehen.
Soweit zur rechnerischen Ausgangslage, mit der sich Werder ab Dienstag auf das Bayern-Spiel vorbereitet. In der Folge des 1:2 gegen Schalke wurde allerdings deutlich, dass es – zumindest im Umfeld des Vereins – noch eine zweite gibt: nämlich die emotionale. Nicht wenige Fans waren regelrecht erschrocken darüber, wie sich ihre Mannschaft während des zweiten Durchgangs präsentiert hatte, als der Schalker Druck minütlich größer wurde, die Bremer Gegenwehr allerdings nicht. Mit Blick auf Werders anspruchsvolles Restprogramm (Bayern, Leipzig, Köln, Union) ließ der Auftritt in der Tat nichts Gutes erahnen.
„Die Partie gegen Schalke war definitiv nicht unser bestes Spiel, weil wir irgendwann nicht mehr für ausreichend Entlastung sorgen konnten“, weiß Fritz, der daraus aber keine Allgemeingültigkeit für die nächsten Wochen ableiten möchte. Auch die Tatsache, dass Werder in den vergangenen acht Spielen immer exakt zwei Gegentore kassiert hat, möchte Fritz (zumindest öffentlich) nicht zu hoch hängen: „Ich bin kein Freund davon, sich zu sehr mit solchen Statistiken zu beschäftigen. Wenn man das tut, wird es irgendwann wirklich zum Thema. Generell ist wichtig, dass wir als Mannschaft kompakt verteidigen und gegen den Ball arbeiten. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.“ Gegen die Bayern kann es für Werder andernfalls ziemlich unangenehm werden.
Trotz Schreckensbilanz, Werder will gegen Bayern punkten
Die Bremer Schreckensbilanz gegen den Rekordmeister ist schon seit längerer Zeit verlässlich Thema, wann immer ein direktes Duell bevorsteht, denn bis heute wird sie fortgeschrieben. Aktuell wartet Werder seit nunmehr knapp 15 Jahren und 26 Spielen auf einen Sieg in der Bundesliga gegen den einstigen Erzrivalen. Weshalb sich sämtliche Mutmach-Aussagen der Bremer Offiziellen vor dem 27. Anlauf automatisch wie das berühmte „Pfeifen im Walde“ anhören. Andererseits haben sich die Bayern um Neu-Trainer Thomas Tuchel in den vergangenen Wochen nicht eben als unerschütterlich präsentiert. „Die Bayern zeigen aktuell vielleicht nicht die Souveränität, die sie sonst ausstrahlen“, sagt Fritz, rechnet aber trotzdem mit einer „großen Herausforderung“ für sein Team – und stellt klar: „Auch in diesem Spiel ist für uns grundsätzlich etwas drin. Allerdings müssen wir dafür an unsere absolute Leistungsgrenze kommen.“
Im allerbesten Falle – eigener Sieg und passende Ergebnisse der Konkurrenz im Tabellenkeller – könnte für Werder am Samstagabend der Klassenerhalt rechnerisch perfekt sein. Was angesichts von Schalke-Spiel und kommendem Gegner zugegeben unwahrscheinlich klingt. Tritt es aber tatsächlich ein, dürfte eine Sache sicher sein – nämlich dass Cheftrainer Ole Werner seiner Mannschaft nicht nur den zweiten Tag nach dem Spiel frei gibt.