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Die Welt bei Werder: Hellas & Charisteas Der tragische Nationalheld

Werders Geschichte ist geprägt von Spielern aus aller Welt. Mein Werder wirft einen Blick auf den Globus und beleuchtet besondere Länder und Charaktere mit Bremen-Bezug. Diesmal: Griechenland und Charisteas.
23.01.2019, 10:09 Uhr
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Von Toni Nürnberg

Den antiken Griechen verdanken wir Errungenschaften wie die Demokratie, die klassische Philosophie oder große Erkenntnisse in den Naturwissenschaften – der Satz des Pythagoras begleitet noch heute jeden Schüler im Mathematikunterricht.

Mit ganz anderer Kopfarbeit sollte ein junger Grieche, der zu Beginn der 1980er-Jahre geboren wurde, berühmt werden: Angelos Charisteas erblickte am 9. Februar 1980 in Serres, im Nordosten des Landes das Licht der Welt. Wenige Monate nach der Geburt des späteren Werder-Stürmers fand in Italien die Fußball-Europameisterschaft statt, ein Wettbewerb, der im späteren Leben Charisteas‘ eine enorme Bedeutung spielen sollte.

Im Format die Welt bei Werder zeichnet Mein Werder die dank Angelos Charisteas bestehende Verbindung zwischen Bremen und Griechenland nach.

Der Aufstieg

Durch eine überragende Technik oder gewaltige Schnelligkeit fiel der großgewachsene Grieche nie auf, es war vor allem seine Kopfballstärke, die ihn auszeichnete. Eine Fähigkeit, die Werder dazu bewog, Charisteas 2002 für geschätzte drei Millionen Euro aus Thessaloniki an die Weser zu holen. Die Bremer wollten das Profil im Angriff weiter auffächern und suchten einen Stürmer, der gut mit dem „Kugelblitz“ Ailton harmonieren würde.

Zunächst schien es so, als hätte man in Charisteas den richtigen Mann gefunden. Gleich in seinem zweiten Ligaspiel für Werder traf er, acht weitere Treffer sollten in seiner Debütsaison folgen. Dazu kamen vier Tore im DFB-Pokal und zwei weitere im UEFA-Cup. Charisteas stand in der Mehrzahl der Spiele in der Startelf, gleichzeitig war aber absehbar, dass ihm in Ivan Klasnic ein ernsthafter Konkurrent erwachsen würde.

Auf dem Olymp

So wurde die Saison 2003/2004 für Charisteas, oder „Harry“, wie er liebevoll genannt wurde, zwar zur erfolgreichsten seiner Karriere, markierte aber zugleich den tragischen Wendepunkt seiner Laufbahn. Bei Werder durfte der Grieche am Ende der Spielzeit das Double aus Meisterschaft und Pokal feiern, sein Anteil daran war aber sehr bescheiden. Klasnic hatte sich in der Stürmerhierarchie vor Charisteas geschoben, so dass die Spielanteile des Griechen im Laufe der Spielzeit immer weiter geschrumpft waren. Als Werder einen seiner größten Triumphe der Vereinsgeschichte einfuhr, war Charisteas also vornehmlich Zuschauer.

Dafür spielte sich Charisteas bei der Europameisterschaft im gleichen Jahr ins Rampenlicht, obwohl sich die Zielsetzung der Griechen für das Turnier in Portugal durchaus bescheiden ausnahm. Es sei ihr Ziel gewesen, überhaupt ein Spiel zu gewinnen, erzählte Charisteas 2012 in einem Interview mit „Spox“. Am Ende gewannen die Griechen, unter Führung des ehemaligen Werder-Trainers Otto Rehhagel, gleich fünf von sechs Spielen, inklusive des Endspiels in Lissabon.

Das spielentscheidende 1:0 gegen den Gastgeber Portugal erzielte Charisteas. In der 57. Spielminute versenkte der Stürmer einen Eckball von Angelos Basinas – wie könnte es anders sein – mit dem Kopf. Was darauf folgte, sei laut Charisteas ein unbeschreibliches Gefühl gewesen. Die Griechen, der absolute Außenseiter, schlugen die favorisierten Portugiesen um Weltstars wie Luis Figo und schrieben Geschichte. Die Menschen in Griechenland lagen ihren Helden zu Füßen, Charisteas bekam vom Verband eine Nobelkarosse bezuschusst, eine Luxus-Uhr gab es obendrein. „Ich habe das Trikot aus dem Finale bis heute nicht gewaschen“, wurde Charisteas vier Jahre nach dem Triumph von Lissabon im WESER-KURIER zitiert. Es sollte der größte Erfolg in der Laufbahn von Charisteas bleiben.

Der Abstieg

Wieder bei Werder, landete Charisteas schnell auf dem Boden der Tatsachen. Ein gewisser Miroslav Klose ersetzte den zu Schalke abgewanderten Ailton und bildete fortan mit Klasnic den furiosen K&K-Sturm, für Charisteas blieb einmal mehr nur die Rolle des Zuschauers. Eine Zurückweisung, die dem Griechen gar nicht gefiel. Aus diesem Grund entschied er sich, im Winter Bremen hinter sich zu lassen, auch weil sein Ziehvater Rehhagel ihm dazu riet. Eine Odyssee begann.

„Ajax zahlt – Harry strahlt“ titelte der WESER-KURIER am 24. Dezember 2004. Für knapp fünf Millionen Euro sicherte sich Ajax Amsterdam die Dienste von „Euro-Harry“. Für Werder ein guter Deal. „Wenn man nur solche Geschäfte macht, wäre das optimal“, sagte der damalige Werder-Manager Klaus Allofs dem WESER-KURIER. Charisteas selbst gab nach seinem Wechsel nach Amsterdam zu Protokoll: „Meine Qualitäten sind nicht dafür geschaffen, auf der Bank zu sitzen.“

Am Ende seines ersten Halbjahres bei Ajax stand der Verein auf Platz zwei, Charisteas war fester Bestandteil der Mannschaft und steuerte vier Treffer bei. In der darauffolgenden Saison geriet der Klub allerdings in unruhiges Fahrwasser, auf Trainer Danny Blind folgte Henk ten Cate, und der hatte für Charisteas keine Verwendung. Charisteas zog die Reißleine und wechselte aus Amsterdam zum Erzrivalen Feyenoord Rotterdam. Für diesen Zug bekam Charisteas, in Anlehnung an seinen Vornamen Angelos, den Spitznamen „gefallener Engel“ verpasst.

Ein Jahr hielt Charisteas es in Rotterdam aus, ehe er sich beim 1. FC Nürnberg anschickte, einen neuen Anlauf in der Bundesliga zu nehmen. „Charisteas ist kein Torjäger, der viele Tore schießt – dafür aber entscheidende“, sagte der damalige Nürnberg-Trainer Hans Meyer über Zugang aus den Niederlanden. Charisteas schoss zwar sechs Bundesligatore, konnte aber auch nicht verhindern, dass der Verein am Ende der Spielzeit abstieg.

Trotz des Abstiegs hielt Charisteas den Franken zunächst die Treue, wurde dann aber im Winter 2009 an Leverkusen ausgeliehen. Bei der Werkself sollte Charisteas als Backup für Stefan Kießling und Patrick Helmes dienen und erreichte in dieser Saison mit Bayer das Pokalfinale in Berlin. Dort traf Charisteas auf seinen Ex-Verein Werder, die Bremer gewannen bekanntermaßen mit 1:0.

Nach der Levekusen-Leihe zog es Charisteas für eine weitere Saison zurück nach Nürnberg. Ab 2010 nahm die Wechselfrequenz bei Charisteas dann noch weiter zu, nirgendwo wurde er mehr so richtig heimisch. Auf das Ende seiner Zeit bei Nürnberg folgten Kurzzeit-Gastspiele - immer wieder unterbrochen durch Perioden der Vereinslosigkeit - bei den Franzosen von Arles-Avignon, Schalke 04 und Panetolikos Agrinio, ehe Charisteas seine Karriere beim Al-Nasr Sports Club in Dubai ausklingen ließ. Charisteas‘ Hoffnung, seine Laufbahn in der Bundesliga beenden zu können, erfüllte sich nicht.

Fußballkultur in Griechenland

Für die elf Millionen Hellenen ist Fußball der Sport überhaupt. Derzeit spielen 16 Mannschaften in der griechischen Super League, Rekordmeister ist Olympiakos Piräus. Die Rivalitäten zwischen den einzelnen Mannschaften sind enorm und werden von den Fans intensiv gepflegt, oft genug bis über die Grenzen des Erlaubten hinaus. Gerade in jüngster Zeit wurde der Ligabetrieb von Skandalen überschattet.

Der massive Einsatz von Pyrotechnik in vielen Stadien ist da nur eine Randerscheinung, gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern kommen immer wieder vor. Zuletzt, im Dezember 2018, streikten die griechischen Schiedsrichter, weil Unbekannte den Referee Thanassis Tzilos vor seinem Haus überfielen und zusammenschlugen.

Einwohner Griechenlands: 11 Millionen

Fläche Griechenlands: 131.957 km² (Deutschland: 357.386 km²)

Höchste Liga: Super League

Rekordmeister: Olympiakos Piräus (44 mal)

Bekanntester Fußballer: Giorgos Karagounis

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