Der Löwe ist ein schönes und exotisches Tier, das ein hervorragendes Fotomotiv hergibt. Die Wildkatze steht für Stärke und Dominanz – und kleine Löwenbabys sind obendrein noch ziemlich süß. Deshalb und weil Anfassen manchmal noch viel schöner als Angucken ist, ließ es sich der eine oder andere Werderaner am Montag nicht nehmen, die kleinen Raubtiere zu streicheln und mit ihnen zu posieren. Die Fotos machten natürlich die Runde und so gesellt sich zu dem sportlich wackeligen Start in die Wintervorbereitung noch ein kleines PR-Desaster.
Das sogenannte Cub Petting, also das Streicheln von jungen Wildtieren, wird sehr kritisch gesehen. So kann es für die Jungtiere einen erheblichen Stress bedeuten, von ihrer Mutter getrennt zu und ständig von Fremden berührt zu werden – sofern sie nicht von Geburt an daran gewöhnt werden.
Mindestens genauso problematisch ist aber, dass das Cub Petting oft nur ein Nebenerwerb für die Tierparks ist. „Wir lehnen das rundherum ab“, sagt deshalb Immo Fischer von der Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF). Es komme vor, dass die Löwen extra gezüchtet werden, um sie später, wenn sie ausgewachsen und nicht mehr ganz so süß sind, für organisierte Jagden in Gehegen zu verkaufen, so der Naturschützer. „Häufig werden die Tiere auch gezüchtet, um ihre Körperteile nach Asien zu verkaufen, wo sie für medizinische Zwecke verwendet werden“, erklärt Fischer.
„Südafrika exportiert so mehrere hundert Löwenskelette vor allem nach Taiwan, Vietnam und China. Dort werden die Knochen als Tigerknochen verkauft, die dann zu Tigerwein und sogenannten Tigerkuchen verarbeitet werden“, führt der Raubtier-Experte Doktor Philipp Henschel von der amerikanischen Naturschutzorganisation Panthera aus. Ein Skelett könne für bis zu 20.000 Euro verkauft werden. „Viele Touristen sind immer noch schlecht über diese Mechanismen informiert, und die südafrikanische Regierung toleriert die Praxis nach wie vor“, sagt Henschel.
Der „Lion & Safari Park“, den Werder besuchte, macht zwar in einem öffentlichen Statement deutlich, dass man keinen seiner Löwen an Jäger oder Farmen verkaufe, doch auch die Südafrikaner sind sich offenbar bewusst, dass ihr Angebot nicht völlig lupenrein ist. So habe der Park das Streicheln zwischenzeitlich verbieten lassen, in der Folge aber einen erheblichen Besucherrückgang hinnehmen müssen. Die Betreiber sahen sich also genötigt, das Verbot zurückzunehmen und wirtschaftliche Interessen vor moralische Bedenken zu stellen. Immerhin versprachen sie aber, sich auf politischer Ebene für ein Verbot des Streichelns von Wildtieren in ganz Südafrika einzusetzen.
Selbst wenn es den Löwen in besagtem Park besser als anderswo gehen sollte, warnt Fischer vor der medialen Wirkung, die Fotos von Fußballprofis und Wildtieren entfalten können. „Man stärkt die Nachfrage nach solchen Angeboten.“ Und es gebe sehr viele undurchsichtige Anbieter, bei denen die Überprüfbarkeit nicht immer gegeben sei, sagt der WWF-Mitarbeiter. Auch die Naivität, mit der sich Afrika-Reisende wie die Bremer den Raubkatzen nähern, stört Fischer: „Das ist einfach ein völlig falsches Verständnis von Natur. Das sind Wildtiere, die sind nicht zum Streicheln da.“
Bei Werder hingegen mag man an der Streicheleinheit nichts Verwerfliches finden. „Wir haben uns im Vorfeld über den Park informiert, der überwiegend positive Bewertungen bekommt. Selbstverständlich haben wir uns von der Agentur versichern lassen, dass der Park die gesetzlichen und tierschutzrechtlichen Bestimmungen einhält“, teilte der Verein mit. Und: „Jeder konnte selbst entscheiden, ob er diese Fotomöglichkeit wahrnimmt. Die Mehrheit der Spieler hat sich dagegen entschieden."
Zu dieser Mehrheit gehörte auch Martin Harnik: „Ich bin nicht sicher, ob die kleinen Löwen es mögen, wenn ich sie streichele“, sagte er und verzichtete darauf.