Vincenzo Grifo ist in der vergangenen Saison nur knapp an der Torjägerkanone vorbeigeschrammt, der Leistungsträger des SC Freiburg erzielte exakt einen Treffer weniger – nämlich 15 – als Werder-Profi Niclas Füllkrug. Die beiden Offensivspieler eint jedoch, dass sie jeweils siebenmal das 1:0 für ihr Team markierten. Am Sonnabend treffen die Aushängeschilder im Europa-Park-Stadion wieder aufeinander (15.30 Uhr), im Deichstube-Interview spricht der italienische Nationalspieler über das anstehende Duell und die besondere Zusammenarbeit mit Trainer Christian Streich.
Mit Maximilian Philipp gehört dem SC Freiburg nun ein Werder-Experte an. Haben Sie sich bei ihm schon erkundigt, was aktuell das Bremer Spiel ausmacht?
Nein, Maximilian musste hier erst mal ankommen. Wir haben es genossen, mit ihm wieder auf dem Platz zu stehen. Außerdem: Ich spiele schon lange in der Bundesliga und kenne die Bremer schon recht gut.
Was wird in der direkten Spielvorbereitung noch geschehen? Wird sich Christian Streich beim Neuzugang noch über Werder schlaumachen?
Sicherlich wird unser Trainer mit Maximilian noch kommunizieren, ihn fragen, wie es in Bremen gewesen ist und nachhören. Doch Christian Streich ist sehr erfahren, hat einige Partien gegen Werder bestritten, kennt deren Spielweise. Zudem ist er ein Coach, der sich auf das eigene Spiel konzentrieren möchte. Wir sind insgesamt ein Team, das sich auf sich fokussiert und das eigene Spiel durchbringen will.
Philipp kehrt in den Breisgau zurück, nachdem er in Wolfsburg und Bremen gespielt hat. Sie sind auch oft gewechselt, waren beispielsweise zweimal in Hoffenheim, bevor Sie 2019 wieder in Freiburg gelandet sind. Kehren Profis einfach gern hierhin zurück?
Jeder, der mal für Freiburg gespielt hat, weiß um die familiäre Atmosphäre hier. Das zeichnet den Verein aus. Bei mir war das ein wichtiges Argument, um heimzukehren. Und ich denke, für Matthias Ginter war es das im letzten Sommer auch.
Nach durchwachsener Vorbereitung gelang der Saisonstart mit dem Sieg im Pokal und dem Auswärtserfolg in Hoffenheim. Wie ist es gelungen, den Schalter auf Kommando umzulegen?
Für mich war das ein normaler Ablauf. Wir haben hart gearbeitet, waren oft müde und daher in den Tests nicht immer so erfolgreich. Außerdem waren häufig nicht alle Mann an Bord. Da fiel es schwer, die Qualität hochzuhalten. Das ist uns in den ersten Pflichtspielen gut gelungen. Im Pokal haben wir zwar kein gutes Spiel gemacht, aber sind weitergekommen. In Hoffenheim waren wir alle motiviert und haben unsere Leistung abgerufen.
War es für Sie ein Auftaktspiel unter besonderen Vorzeichen gegen Ihren Ex-Klub?
Ich habe in Hoffenheim mein Debüt in der Bundesliga gegeben, doch mein damaliges Engagement ist nicht vergleichbar mit der Zeit hier. Meine Bindung zu Freiburg ist wesentlich enger, hier habe ich meine zweite Heimat gefunden. Schön war, dass wegen der räumlichen Nähe viele aus meiner Familie da waren.
Bei dem Auswärtsspiel hat Ihr Team mit zwei verschiedenen Systemen agiert: erst im 4-2-3-1, danach im 3-4-2-1. Ist diese Flexibilität eine neue Stärke?
Auf jeden Fall, wir fühlen uns in den Grundordnungen wohl und profitieren davon, dass wir vielseitiger sind. Wir sind so gut eingespielt, dass wir uns auf beide Systeme verlassen können, somit auf jeden Gegner blitzschnell reagieren können.
Was zeichnet Christian Streich besonders aus? Was ist sein Erfolgsgeheimnis?
Die Gier nach Erfolg. Er lässt nicht los, er strebt immer weiter danach, noch besser zu werden. Christian Streich ist nie zufrieden. Er will die Spieler stets besser machen. Und er schafft es immer, dass die Mannschaft auch so vorgeht und es umsetzen möchte.
Am Sonnabend hat Noah Atubolu aus dem eigenen Nachwuchs ebenso debütiert wie Merlin Röhl, der im Vorjahr aus Ingolstadt kam. Ist das Setzen auf Talente typisch für den SCF?
Definitiv, so ergibt sich immer wieder eine gute Mischung im Team. Die Jungen sind gut ausgebildet, sehr talentiert und hungrig. Sie haben sich ihre Berechtigung zu spielen über Jahre erarbeitet. Und sie passen zu uns etablierten Spielern. Wir haben viele recht erfahrene Akteure. Ich wiederhole: Die Mischung ist wichtig, die ist bei uns vorhanden.
Union Berlin, der andere Club, der wie Freiburg zuletzt stark performt hat, holt fertige Profis, Stars wie Robin Gosens oder Kevin Volland. Welcher Weg setzt sich auf Dauer durch?
Das ist eine schwere Frage, die ich nicht beantworten kann. Was ich sagen kann, ist das: Ich spiele in Freiburg und bin sehr zufrieden. Was hier aufgebaut worden ist über die Jahre, ist herausragend. Unser Trainerstab hat übrigens auch gute Spieler dazu geholt: Gregoritsch, Doan, Ginter oder Eggestein. Doch ich muss auch Union ein Kompliment aussprechen. Dort funktioniert es auch gut, sie haben in Berlin einen klaren Plan.
Union soll sich mit Bonucci, Ihrem Kollegen aus der italienischen Nationalelf, beschäftigen. Was sagen Sie zu diesem geplanten Coup?
Ich verstehe mich mit Leonardo sehr gut. Ich würde es natürlich begrüßen, sollte der Transfer klappen. Sinn könnte er auch machen, weil Union sich wappnen muss für die Champions League.
Waren Sie überrascht, als Nationaltrainer Roberto Mancini zurückgetreten ist?
Ich hatte damit nicht gerechnet. Doch Roberto Mancini war recht lange im Amt, hatte mit dem Gewinn der Europameisterschaft großen Erfolg. Er hat mir zu meiner Länderspielkarriere verholfen. Dafür bedanke ich mich und wünsche ihm alles Gute. Ich finde es schade, dass er nicht mehr da ist.
Sein Nachfolger wird Luciano Spalleti. Eine gute Wahl?
Ich kenne ihn nicht persönlich, doch ich habe viel Positives über ihn gehört. Mit der Meisterschaft für Neapel hat er Unglaubliches geleistet.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft in der Nationalelf?
Ich gebe in Freiburg wieder Gas und hoffe, dass ich bald wieder berufen werde. Ich will Luciano Spalleti von mir überzeugen.
Zum Spiel gegen Bremen: Es waren in der jüngsten Vergangenheit fast immer recht enge Spiele. Was macht es so schwer, gegen Werder zu spielen?
Es ist eine gefestigte Mannschaft mit einer Menge guter Einzelspieler, die allesamt schon lange in der Liga spielen. Ich denke an Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch, an Leonardo Bittencourt und Mitchell Weiser, an Jiri Pavlenka und Milos Veljkovic. Wir sind gezwungen, alles abzurufen, um Erfolg zu haben. Wir müssen an unsere Leistungsgrenze gehen und wollen mit einem Heimsieg unseren guten Start fortsetzen.
Kennen Sie ein Rezept, wie Niclas Füllkrug gestoppt werden kann?
Wir müssen kompakt stehen, im Verbund verteidigen. Wichtig ist dabei, dass wir aufmerksam und auch in der Luft sehr präsent sind.
Füllkrug gilt als Bremer Lebensversicherung, wie es so schön heißt. Sollte er noch transferiert werden, wäre das ein herber Verlust im Kampf um den Klassenerhalt, oder?
Richtig, im Fußball kann viel passieren, alles ist schnelllebig. Doch noch spielt Füllkrug für Werder und wird am Sonnabend auflaufen. Darauf stellen wir uns ein.