Für drei Tage war Niclas Füllkrug in der vergangenen Woche bei Werder vom Training suspendiert, doch am Sonntag bewahrte der Stürmer den SV Werder in der 2. Liga vor einer weiteren peinlichen Niederlage. In der zweiten Minute der Nachspielzeit traf er mit seinem ersten Saisontor zum 2:2 (1:1) beim SV Sandhausen. Sekunden vor dem Abpfiff hatte der Joker sogar noch den Siegtreffer auf dem Fuß, traf aber nur den Pfosten. Zuvor hatte Nicolai Rapp Werder früh in Führung gebracht, der Ex-Bremer Pascal Testroet drehte die aus Werder-Sicht von vielen Fehlern geprägte, am Ende aber rassige Partie zwischenzeitlich mit einem verwandelten Foulelfmeter (29.) und einem Kopfball (84.).
Darmstadt-Debakel, Füllkrug-Suspendierung wegen seines Disputs mit Werder-Fußballchef Clemens Fritz – es war eine turbulente Woche, an deren Ende der SV Werder in Sandhausen antreten musste. Doch trotz der Unruhe starteten die Bremer im Stadion am Hardtwald gut in die Partie. Marvin Ducksch kam schon in den ersten vier Minuten zweimal in eine gute Position, die frühe Führung markierte dann aber Rapp. Mit viel Übersicht hatte Marco Friedl den Ball diagonal durch den Sandhauser Strafraum geschickt, am langen Pfosten musste Rapp nur noch vollenden (12.). Für den Mittelfeldspieler war das Tor zwar die perfekte Antwort auf seinen schweren individuellen und wohl spielentscheidenden Fehler eine Woche zuvor beim 0:3 gegen Darmstadt 98. Für Werder wurde der Treffer aber nicht zur Medizin, die alles heilte, woran das eigene Spiel zuletzt gelitten hat. Souveränität? Abgeklärtheit? Spielkontrolle? Trainer Markus Anfang, der sein Team auf drei Positionen verändert hatte – statt Mitchell Weiser, Eren Dinkci und Manuel Mbom spielten Leo Bittencourt, Romano Schmid und Felix Agu –, sah von all dem nichts. Werder hatte unmittelbar vor dem 1:0 sogar eine große Portion Glück gehabt, dass Sandhausens Arne Sicker frei vor dem Tor am Ball vorbei trat (8.). Sofort nach der Führung platzierte zudem Testroet, von 2008 bis 2011 bei Werder ausgebildet, einen Kopfball zu ungenau.
Werder-Defensive zeigt sich wackelig
Schon in diesen Szenen zeigte sich, dass Werder-Innenverteidiger Lars Lukas Mai wackelte, den Anforderungen nicht gewachsen war. Und dann machte er auch noch das, was sich Kollege Rapp in Darmstadt geleistet hatte: Mit einem laschen, zu kurz geratenen Rückpass brachte er Michael Zetterer in Not. Der Schlussmann grätschte mit vollem Risiko gegen Bashkim Ajdini, traf jedoch Bein statt Ball – es gab Elfmeter für Sandhausen und Gnadengelb für Zetterer. Testroet verwandelte den Strafstoß (29.), und Werder hatte durch eigene Fehler eine Führung, die nur in der Theorie ein Brustlöser war, leichtfertig hergeschenkt.
Eine Verbesserung gegenüber der Darmstadt-Partie war zur Pause allenfalls am Spielstand zu erkennen. 1:1 – damit musste Werder sogar zufrieden sein, weil Aleksandr Zhirov (35.) und Ajdini (39.) weitere Top-Chancen der Gastgeber vergaben. Die Schwächen in der Bremer Defensive wurden dabei immer wieder offengelegt, eigene Torgefahr entwickelte das Anfang-Team nur noch durch einen Ducksch-Freistoß, den Patrick Drewes, ein gebürtiger Delmenhorster im SVS-Tor, mit einer Flugeinlage parierte (43.). Insgesamt fehlte es den Bremern an Ideen im Spielaufbau, zu oft wurden die langen Bälle ausgepackt, zu selten wirklich nach vorne kombiniert. Und immer wieder unnötige Ballverluste.
Wer dachte, nach der Pause würde alles besser werden, sah sich schon nach wenigen Minuten getäuscht. Werder wurde zwar nach vorne gefährlicher – was auch an der Einwechslung von Füllkrug lag –, nach hinten aber auch immer konfuser. Mai verursachte beinahe noch einen zweiten Gegentreffer (67.), der eingewechselte Alexander Esswein vergab für Sandhausen aus aussichtsreicher Position (69.). Immerhin: Der neutrale Beobachter kam auf seine Kosten, denn zwischen dem Tabellen-16. und dem Tabellenelften entwickelte sich ein offener Schlagabtausch, der phasenweise aber die Tendenz zum Bremer Powerplay hatte. Schmid mit zwei gefährlichen Abschlüssen (72./78.) sowie der kurz zuvor für Startelf-Rückkehrer Bittencourt eingewechselte Eren Dinkci (75.) hätten Werder wieder in Führung bringen können. Aber es bleibt eben auch ein Thema , dass Werder viel zu viele Chancen liegen lässt.
Dass sich so etwas bisweilen rächt, ist bekannt. Der Beweis: die 84. Minute. Nach einer Flanke von Dennis Diekmeier köpfte Testroet das 2:1 für Sandhausen. Dass Friedl die Vorarbeit durch einen Fehlpass möglich gemacht hatte und Mai (mal wieder) nicht aufgepasst hatte, gehörte zur (ebenfalls mal wieder) langen Bremer Mängelliste. Und dass in Diekmeier und Testroet ausgerechnet zwei bei Werder ausgebildete Profis das Bremer Team in Not brachten, passte irgendwie zum Spiel (84.). Nach dem Rückstand zeigte Werder dann aber einen großen Willen – unerklärlich spät zwar spät, aber gerade noch rechtzeitig, um nicht die vierte Niederlage in den vergangenen fünf Spielen zu kassieren. Füllkrug stand nach Vorarbeit des eingewechselten Oscar Schönfelder goldrichtig (90.+2). Dass der Rebell Werder rettete, ist eine Geschichte, die nur der Fußball schreibt
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