Wie wichtig der Punktgewinn des SV Werder Bremen am Freitagabend war, offenbarte sich am Tag danach: Mainz und Köln gewannen ihre Spiele – und plötzlich beträgt der Vorsprung der Grün-Weißen auf den Relegationsplatz und den ersten direkten Absteiger nur noch acht beziehungsweise neun Zähler. Wird es etwa doch noch einmal eng für den SV Werder im Kampf um den Klassenerhalt? Clemens Fritz mag diese pessimistische Herangehensweise nicht – und noch weniger kann Werders Leiter Profifußball den Umgang in Bremen mit Ole Werner verstehen. Im Gespräch mit unserer Deichstube hält er ein Plädoyer für den Trainer und fordert mehr Wertschätzung und Unterstützung für ihn.
- Lesen Sie auch: Nicht nur Pieper und Ducksch bei Werder angeschlagen
„Natürlich waren wir mit dem Verlauf der letzten Wochen nicht zufrieden. Wir haben im März vier Spiele verloren. Da kann und will ich nichts schönreden. Wir haben intern die Dinge kritisch angesprochen“, sagt Fritz und betont: „Dennoch wird mir in der öffentlichen Betrachtung da einiges zu negativ gesehen und vor allem Ole Werner zu kritisch bewertet. Als wir Stabilität in unseren Leistungen hatten, da hatten wir auch Stabilität in unserem Kader – speziell in der Abwehr, die sich einspielen konnte. Zuletzt musste Ole aufgrund von Verletzungen immer wieder sehr viel umbauen, dann kamen auch noch Sperren dazu. Das war eine extreme Herausforderung für Ole, das wird aber gerne vergessen. Stattdessen gibt es viel Kritik für ihn.“
Fritz: Kritik nicht nachvollziehbar
Die ist allerdings nicht neu. Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik – auch aus der Deichstube, wenn gute Ergebnisse ausblieben und die Mannschaft schlecht spielte. Dabei wurde Werner auch sein schwacher Punkteschnitt als Bundesliga-Coach vorgehalten, der nach der ersten Saison mit 36 Punkten aus 34 Spielen in dieser Spielzeit zeitweise unter der Ein-Punkte-Marke lag und damit in der Vereinshistorie rekordverdächtig schlecht war. Aktuell beträgt Werners Ausbeute im Fußball-Oberhaus 1,08 Zähler pro Spiel. Als vergangene Woche bekannt wurde, dass die Talente Nick Woltemade und Eren Dinkci ihre Zukunft nicht an der Weser sehen, titelte die „Bild“-Zeitung: „Wird Werner zum Problem bei Werder?“ Dabei ging es um die Weiterentwicklung der jungen Spieler und damit auch des Clubs, der als Ausbildungsverein ganz besonders auf dieses Geschäftsmodell setzt.
Fritz kann die Kritik an Werner nicht nachvollziehen. „Als Ole zu uns kam, waren wir Zehnter in der 2. Liga. Inzwischen sind wir aufgestiegen, haben eine erste fast sorgenfreie Saison in der Bundesliga gespielt und haben auch in dieser Saison nach 28 Spieltagen acht Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone. Ich weiß nicht, welche Erwartungshaltung es sonst gibt, aber ich finde das nicht so schlecht“, sagt der 43-Jährige und verweist auf Vereine wie Schalke 04 und den Hamburger SV: „Man muss nur mal schauen, wo andere Traditionsvereine, die zwischenzeitlich abgestiegen sind, heute stehen. Da muss man realistisch einordnen, dass es auch für einen Klub wie Werder Bremen keine Selbstverständlichkeit ist, direkt wieder aufzusteigen und anschließend die Klasse zu halten.“
Aber reicht das an einem Standort wie Bremen mit dieser erfolgreichen Vergangenheit? Durch den Einstieg der regionalen Investoren sowie den guten Ergebnissen zu Jahresbeginn entstand schon so etwas wie eine Aufbruchstimmung. Die ist auch absolut von vielen Führungskräften im Verein so gewünscht. Fritz selbst hatte im Februar bei seiner Vorstellung zum künftigen Nachfolger von Geschäftsführer Frank Baumann erklärt, „perspektivisch wieder eine Rolle im Windschatten der internationalen Plätze spielen zu wollen“, um mal wieder in Europa vertreten zu sein. Die aktuelle Spielzeit war damit allerdings weniger gemeint, wie er nun noch mal klarstellt: „Wir haben immer gesagt, dass es in einer Saison Wellenbewegungen geben wird und genau das erleben wir in dieser Spielzeit. Vor ein paar Wochen hieß es, wir seien auf dem Weg nach Europa und alles wäre richtig, zuletzt wirkte es so, als sei alles schlecht und wir würden alles falsch machen. Das ist mir in der Betrachtung zu verkürzt.“
Fritz will das Wir-Gefühl stärken – und zwar nicht nur innerhalb des Teams und des Clubs, sondern auch im Umfeld. „Ich wünsche mir mehr Wertschätzung und Unterstützung für Ole und sein Team. Wir haben nach Darmstadt, Heidenheim und Bochum das viertniedrigste Budget in der Liga, daraus machen wir sehr viel“, hebt der Ex-Profi hervor und lobt die Spieler: „Wie die Mannschaft in Frankfurt gemeinsam gekämpft und gespielt hat, das war toll – großes Kompliment. Das ist die Basis. Wenn wir als Team auftreten mit hoher Intensität und großer Dynamik, dann sind wir richtig gut und haben auch die Möglichkeit, gegen Teams aus allen Tabellenregionen zu punkten. Deswegen freue ich mich auch auf die nächsten Spiele, die gewiss nicht einfach werden.“ Denn nächsten Sonntag geht es zum unangefochtenen Tabellenführer Bayer Leverkusen, der in diesem Spiel bereits die Meisterschaft klarmachen kann. Ein Woche später kommt der VfB Stuttgart ins Weserstadion, der gerade durch den Sieg in Dortmund zum Tabellenzweiten FC Bayern München aufgeschlossen hat. Da haben Mainz (Hoffenheim und Freiburg) und Köln (Bayern und Darmstadt) ein etwas angenehmeres Programm und könnten weiter an Werder heranrücken. Es sei denn die Bremer erkämpfen sich wie beim Tabellensechsten in Frankfurt wieder den einen oder anderen Zähler.