Als Ole Werner seinen Arbeitstag am Mittwoch hinter sich gebracht hatte, bewegte sich die Stimmung des 35-Jährigen nahe des Tiefpunkts. Er selbst drückte das am Donnerstag so aus: „Ich bin definitiv nicht mit einem Grinsen nach Hause gefahren.“
Grund dafür war die Nachricht, die den Cheftrainer des SV Werder Bremen kurz vor Feierabend erreicht und die einer ohnehin schon sehr unerfreulichen Woche noch die Krone aufgesetzt hatte: Eren Dinkci wird nach der Saison nicht an den Osterdeich zurückkehren, sondern im Anschluss an die Ausleihe nach Heidenheim dank einer Ausstiegsklausel in Höhe von fünf Millionen Euro zum SC Freiburg wechseln. „Man klopft sich nicht auf die Schulter, wenn man so etwas erfährt, natürlich ärgert mich das“, sagte Werner, für dessen Verein es nach dem verkündeten Abschied von Nick Woltemade am Dienstag bereits der zweite personelle Rückschlag binnen 24 Stunden gewesen war.
Zwei gebürtige Bremer, die in der Vergangenheit mehrfach betont haben, wie sehr ihnen Stadt und Verein am Herzen liegen, sehen sich künftig dennoch andernorts besser aufgehoben – das darf durchaus alarmierend genannt werden. Zumal es in Fabio Chiarodia (jetzt bei Borussia Mönchengladbach) vor einem Jahr schon einen ähnlichen Fall gab und es doch Werders ausdrückliches Zukunftsmodell, quasi die Überlebensstrategie in der Bundesliga ist, eigene Spieler zu sportlichen Stützen zu entwickeln, um sie eines Tages gewinnbringend weiterverkaufen zu können.
Jetzt laufen den Bremern aber genau diese Spieler zum wiederholten Male weg. Der Wahrnehmung, dass sich da womöglich ein für den Club gefährlicher Trend entwickelt hat, widersprachen sowohl Cheftrainer Ole Werner als auch Leiter Profifußball Clemens Fritz am Donnerstag vehement.
„Natürlich hinterfragen wir uns bei jedem einzelnen Spieler, der uns verlässt, ob alles so gelaufen ist, wie wir es wollten und was man in Zukunft vielleicht optimieren kann“, begann Werner und wies dann darauf hin, dass die Abgänge von Dinkci, Woltemade und auch Chiarodia individuell betrachtet werden müssten. „Alle drei Spieler sind super Typen, mit denen ich gerne zusammengearbeitet habe und auch gerne länger zusammengearbeitet hätte“, sagte der Coach, „und trotzdem liegt jeder Fall anders“.
Dass Dinkci bei Werder nicht den Schritt gemacht hat, der ihm nun in Heidenheim gelang, hängt sicherlich auch damit zusammen, dass es für ihn am damals erfolgreichen Sturmduo Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch schlicht kein Vorbeikommen gab. Werner: „Wir hatten zwei Stürmer, die in Bremen zurecht zwei Jahre lang auf Händen durch die Stadt getragen wurden, weil sie dafür gesorgt haben, dass wir in die erste Liga zurückkommen und dort als Aufsteiger eine relativ sorgenfreie erste Saison spielen.“
Als dann noch klar war, dass Justin Njinmah (von Borussia Dortmund II) und Nick Woltemade (von der SV Elversberg) nach ihren Ausleihen zurückkehren und Dawid Kownacki aus Düsseldorf kommt, „war ich ehrlich zu Eren“, sagte Werner: „Ich konnte ihm zu dem Zeitpunkt nicht zusagen, dass er an Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch vorbeikommt. Wir haben uns entschieden, dass er lieber den Schritt mit der Ausleihe gehen soll.“ Die ging für den Spieler voll auf, in Heidenheim wurde der 22-jährige Angreifer zum Shootingstar und war von Werder nicht mehr von einer Rückkehr zu überzeugen.
„Wir haben uns um beide Spieler sehr bemüht“, sagte Fritz über Dinkci und Woltemade. „Die Gespräche waren auch gut, aber irgendwann müssen Entscheidungen getroffen werden. Wir können den Jungs nur unseren Weg aufzeigen, und das haben wir getan. Wenn sie sich dann für einen anderen Weg entscheiden, gilt es das akzeptieren.“
Clemens Fritz sieht kein grundsätzliches Problem
Sorgen, dass der Bremer Weg vielleicht nicht mehr attraktiv genug für junge Spieler ist, hat Fritz laut eigener Aussage nicht. Er betonte: „Es ist nicht so, dass wir für junge Spieler uninteressant geworden sind. Werder Bremen hat als Ausbildungsstandort nach wie vor einen guten Ruf.“ Sonst, so die Argumentation des Ex-Profis, wären Spieler wie Skelly Alvero oder auch Isak Hansen-Aaröen im Winter nicht gekommen. Dass es nun ein Duo in die andere Richtung zieht, sei „keine schöne Momentaufnahme“, aber eben auch kein grundsätzliches Problem.
Während Dinkci den Bremern immerhin noch eine Ablösesumme beschert (auch wenn sie nur die Hälfte seines aktuellen Marktwertes in Höhe von zehn Millionen Euro beträgt), geht der der 22-jährige Angreifer Woltemade im Sommer ablösefrei. Werner verriet am Donnerstag, dass er den Spieler früher bereits nach Kiel holen wollte, er also eine gewisse Affinität zu seiner Spielweise habe. Vor der Ausleihe an den damaligen Drittligisten Elversberg sei Woltemade bei Werder aber „lange Zeit körperlich nicht stabil“ gewesen.
Nach einem sehr erfolgreichen Jahr inklusive Zweitliga-Aufstieg spiele er nun eine ganz andere Rolle. Aber eben nicht mehr lange. „Das ist mega bitter für uns, weil wir in den Spieler etwas investiert haben, viel von ihm halten und gerne mit ihm weitergearbeitet hätten“, sagte der Coach, der dem im Raum stehenden Vorwurf widersprach, jungen Spielern zu wenig Einsatzzeit zu verschaffen.
„Bei Fabio gab es diesen Vorwurf ja, obwohl er neben dem Fußball noch zur Schule gegangen ist, seine Fahrschule und viele Lehrgänge gemacht hat. Am Ende kann sein Weggang aber nicht nur an der Spielzeit gelegen haben, sonst würde er jetzt ja wieder den Verein wechseln“, sagte Werner über den 18-Jährigen, der auch in Gladbach noch auf den Durchbruch wartet. „Es ist grundsätzlich nicht so, dass bei uns nur alte Hasen auf dem Platz stehen“, hielt der Trainer fest. In der laufenden Saison ist die Bremer Startelf im Schnitt 26,4 Jahre alt und damit die zehntjüngste der Liga.
„Bei einem Wechsel spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Es gibt einen finanziellen Rahmen, es gibt eine sportliche Entwicklung und persönliche Gründe“, zählte Werner auf – und zog sein Fazit über Werders und seine Rolle bei den drei Abgängen: „Wenn man es nüchtern betrachtet, gibt es viele Dinge, die daran nachvollziehbar sind in meinen Augen.“ Dann betonte er noch: „Ich bin jetzt ungefähr zweieinhalb Jahre hier, und ich glaube, bisher sind wir auf einem guten Weg, etwas Stück für Stück aufzubauen. Darüber hinaus müssen wir junge Spieler ausbilden, die wir verkaufen und dadurch Mehrwerte generieren können. Im Fall von Fabio, Nick und Eren ist es uns nicht gelungen, sie so lange zu halten, wie wir es gerne hätten. Und trotzdem wird es weiterhin so sein, dass sich junge Spieler für uns entscheiden, weil sie sehen, dass man sich hier weiterentwickeln kann."