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Werder-Kolumne Das erste Zwischenzeugnis für Trainer Markus Anfang

Der Saisonstart war kompliziert für Markus Anfang, der bei Werder Bremen einen eigenen Weg geht. Der neue Trainer agiert in vielen Punkten anders als sein Vorgänger, meint Jean-Julien Beer in seiner Kolumne.
11.10.2021, 18:11 Uhr
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Das erste Zwischenzeugnis für Trainer Markus Anfang
Von Jean-Julien Beer

Natürlich hätte man keinen Trainer für eine Ablösesumme von Darmstadt nach Bremen locken müssen, um nach einem Viertel der Saison im Niemandsland der Tabelle zu stehen. 14 Punkte aus neun Spielen bedeuten den achten Tabellenplatz in der zweiten Liga. Das ist weniger, als sich viele im Verein und im Umfeld erhofft hatten. Andererseits ist es aber auch mehr, als man nach Werders Schockstarre und dem schwierigen Transfersommer befürchten musste.

Deshalb wäre eine oberflächliche Bewertung des neuen Trainers nur nach Ergebnissen unfair. Markus Anfang musste seinen Start in Bremen unter erschwerten Bedingungen hinbekommen: kein Geld, späte Transfers und viele lange Gesichter nach dem Abstieg. Schein und Sein klafften bei Werder weiter auseinander, als der neue Trainer erahnen konnte. Mehr als ein Viertel der Saison ist nun vorbei - und es lohnt ein genauerer Blick auf Anfangs Arbeit.

Sehr früh hat er eine wichtige Grenze definiert zwischen Werders Vergangenheit und der von ihm zu gestaltenden Zukunft. Er benutzte dafür das Wort Wiederaufbau. Was bedeutet, dass Werder in Trümmern lag – und er die Teile neu zusammensetzt. Den Worten folgten Taten: Kein Stammspieler des Abstiegsjahres war unter Anfang in jedem Spiel dabei. Nur drei Spieler standen in jeder Zweitligapartie immer auf dem Rasen: Michael Zetterer, Romano Schmid und Niklas Schmidt. Auch die später verpflichteten Marvin Ducksch und Mitchell Weiser kommen auf hohe Spielanteile. Dass Anfang konsequent alten Ballast gegen frische Gesichter austauscht, zeigt sich auch bei den Neuzugängen Anthony Jung und Lars Lukas Mai (je acht Spiele) sowie Nicolai Rapp (sieben Spiele).

Bei anderen Personalien machte Anfang deutlich, dass es ihn nicht beeindruckt, ob im Verein Schnappatmung ausbricht: Zwei teure Leistungsträger, Jiri Pavlenka und Niclas Füllkrug, degradierte er zu Ersatzspielern. Beide sollten für eine bessere Werder-Zukunft stehen, konnten aber den Abstieg nicht verhindern. Ob beide noch eine Rolle in Werders Zukunft spielen, ist ungewiss. Zetterer hat seine Leistung gebracht und ist jünger als der langjährige Stammtorhüter Pavlenka; Füllkrug fehlen Tore, er kann sich bei seinen Einsätzen als Einwechselspieler nur selbst eine bessere Perspektive verschaffen.

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In Anfangs Auftreten zeigt sich ein Unterschied zu Florian Kohfeldt, der als Werder-Fan für jeden und alles Verständnis aufbrachte und bei vielen Entscheidungen mehr an die weitere Zukunft des Vereins dachte als an den kurzfristigen Erfolg, der prompt ausblieb. Anders als Anfang zögerte Kohfeldt oft, bei schlechten Leistungen Konsequenzen zu ziehen – in der Erwartung, die Spieler würden ihm das zurückzahlen. Stattdessen erhielt Kohfeldt eine ganz andere Quittung und musste als Erster gehen. Anfang ist es weitgehend egal, was ein Spieler mal geleistet hat. Er richtet den Blick auf die Gegenwart und benutzt zudem auch seltener das Wort „Wir“. Aber er setzt die markante Ich-Form ein, wenn ihm etwas nicht passt, wie im Transfersommer: „Ich brauche jetzt langsam mal einen Spieler.“ Auch das ist eine klug gezogene Trennlinie: Er ist nur der Trainer, er ist nicht Werder.

Drei Dinge fallen bei Anfang noch auf. Erstens: Viele der Neuzugänge kannte er persönlich, was ihm den Spitznamen „Chefscout“ einbrachte. Wo Kohfeldt beherzt das Vakuum in der Außendarstellung des Klubs ausfüllte, scheint Anfang die Kaderplanung nicht fremd zu sein. Zweitens: Im Training ist Anfang ein Fußball-Lehrer, er vermittelt die Grundelemente des Spiels. Eine rustikale Ansprache unterstreicht dabei seine Autorität. Drittens: Er greift im Spiel weniger ein. Wo Kohfeldt gefühlt jede zweite Minute die Spieler in Zwischenräume steuerte, kann man von Anfang nicht behaupten, dass er Werders Fußball verkompliziert hätte. Er kommt mit weniger Anweisungen, aber halt auch mit weniger Korrekturen aus.

Im Zwischenzeugnis läuft das – wie in der Tabelle – bisher auf guten Durchschnitt hinaus: befriedigend. Für ein Gut fehlt halt die Konstanz (bisher vier Siege und fünf nicht gewonnene Spiele). Dass die Versetzung in die erste Liga für Werder gefährdet ist, hat Anfang immer betont. Es irgendwann trotzdem zu schaffen, wäre auch für ihn ein wichtiger Schritt: Er hat so einen Aufstieg schließlich noch nie hinbekommen.  

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