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Baumanns Nachfolge Werder steht vor einer Grundsatzfrage

Frank Baumann beendet seine Zeit bei Werder – aber was braucht der Verein danach? Ob eine interne Lösung im Management wirklich sinnvoll ist, muss gründlich überlegt werden, meint Jean-Julien Beer.
01.11.2023, 17:01 Uhr
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Werder steht vor einer Grundsatzfrage
Von Jean-Julien Beer

Diese Nachricht spaltet die Fans des SV Werder: Frank Baumann hört am Saisonende auf. Der Manager wird seinen Vertrag nicht verlängern und nach mehr als zwei Jahrzehnten den Verein verlassen, bei dem er als Spieler große Erfolge feierte. Viele Fans bedauern, dass sich Baumann zurückziehen möchte. Es gibt aber auch eine große Anzahl, die genau das für überfällig hält.

Dass er ein selbstbestimmtes Ende seiner Tätigkeit als Geschäftsführer im kommende Sommer wählt, passt zu seiner unaufgeregten Art. Großes Theater, wie es vielerorts in der Bundesliga inszeniert wird, war nie sein Ding. Baumann lässt die Dinge lieber laufen oder auslaufen, wie nun seinen Vertrag. Zur Wahrheit gehört aber auch: Nur im Schutze der Werder-Familie konnte er überhaupt so lange im Amt bleiben – denn die sportlichen Fehleinschätzungen, die im Frühjahr 2021 zum wirtschaftlich folgenschweren Abstieg führten, hätten an anderen Bundesliga-Standorten zu personellen Konsequenzen geführt, auch im Management. Es macht sich nun gut in Baumanns Vita, dass er dabei helfen konnte, die Dinge bei Werder durch den Aufstieg wieder in Ordnung zu bringen.

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So deutet viel auf ein harmonisches Ende hin, auch wenn Werders Vorhaben ein paar Stolperfallen bietet: Bis 30. Juni soll Baumann die Geschäfte führen, gleichzeitig wird demnächst sein Nachfolger feststehen, der im Prinzip dann schon alle wichtigen Entscheidungen mitbestimmen müsste – bei Transfers oder bei so heiklen Fragen wie einem Trainerwechsel im Abstiegskampf. Ob sich das im überhitzten Bundesligageschäft problemlos regeln lässt, muss sich erst zeigen.

Immerhin weiß Werders Aufsichtsrat nun frühzeitig, dass ein Manager gesucht werden muss. Nach dem Abstieg hatten die damaligen Räte trotz des monatelangen Niedergangs keinen Plan B forciert und ließen Baumann auch deshalb weitermachen, weil ihnen die Alternative fehlte. Das war eine verblüffende Logik, die bei ambitionierteren Vereinen undenkbar gewesen wäre.

Fritz würde der Makel anhaften, die einfachste Lösung im Sinne der berühmt-berüchtigten Werder-Familie zu sein: Man kennt sich, man schützt sich, man befördert sich.

Diesmal muss der Aufsichtsrat handeln, und er steht vor einer Grundsatzfrage: Ist eine interne Lösung mit der Beförderung von Clemens Fritz sinnvoll – oder wäre es besser für den Verein, durch einen externen Manager frische Ideen und ein anderes Netzwerk zu gewinnen? Beides kann funktionieren, es ist ein Abwägen von Wahrscheinlichkeiten. Fritz macht seinen Job als „Leiter Profifußball“ tadellos, ist aber im Vergleich zu ausgebufften Managern der Kategorie Horst Heldt oder Fredi Bobic noch ein Lernender. Fritz würde – ohne eigene Schuld – der Makel anhaften, die einfachste Lösung im Sinne der berühmt-berüchtigten Werder-Familie zu sein: Man kennt sich, man schützt sich, man befördert sich. Es wäre wieder ein „Weiter so“.

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Externe Impulse müsste man bei Werder aber erst einmal wollen, sonst wäre die Verpflichtung eines erfahrenen Managers so zum Scheitern verurteilt wie einst bei Thomas Eichin, der Werder anders denken wollte und prompt wieder vor die Tür gesetzt wurde. Was die Grün-Weißen auf jeden Fall brauchen, um wettbewerbsfähig zu sein, sind kreative Ideen und der unbedingte Wille, auf allen Ebenen besser werden zu wollen. Dazu gehört die Einsicht, dass vieles besser werden muss. Der im Abstiegskampf entlassene Trainer Florian Kohfeldt war der letzte leitende Angestellte bei Werder, der tagtäglich diesen Ehrgeiz und diese Eigenmotivation erkennen ließ. Fritz erledigt alle Aufgaben souverän, neigt jedoch eher zur Politik der ruhigen Hand – wie sein Lehrmeister Baumann, dem es damit aber nie gelungen ist, Werder wirklich besser und sich selbst unverzichtbar zu machen.

Was Werder im Vergleich zu großen Zeiten fehlt, sind die Typen. Manager wie Willi Lemke oder Klaus Allofs gaben dem Verein ein Profil, starke Aufsichtsräte wie Franz Böhmert, Lemke und zuletzt Marco Bode prägten die Marke. Auch Trainer wie Otto Rehhagel, Thomas Schaaf und Kohfeldt gaben Werder bundesweit ein Gesicht.

Trotz seiner großartigen Spielerkarriere hat es Baumann nie verstanden, die mediale Aufmerksamkeit der Bundesliga für Werders Zwecke zu nutzen. Er war dafür nicht der Typ. Wie er als Manager in Erinnerung bleiben wird, hängt nun auch vom Ausgang dieser Saison ab. Ein zweiter Abstieg wäre fatal. Alles andere wäre versöhnlich.

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