Der SV Werder hat in den vergangenen Jahren eine Menge Kritik einstecken müssen, und das zu Recht nach dem zwischenzeitlichen Abstieg und so mancher fragwürdigen Entscheidung. Nun aber ist dem Verein ein gutes Geschäft gelungen: Der Verkauf von 18 Prozent der Anteile an ein regionales Bündnis aus Geschäftsleuten und Werder-Freunden ist ein Meisterstück der Vereinsführung um Klaus Filbry. 38 Millionen Euro werden demnächst auf ein Werder-Konto fließen. Perspektivisch soll dieses Geld vor allem in junge Spieler investiert werden, die sich in Bremen gut entwickeln und dann teurer verkauft werden sollen.
Selbst wenn der Verein einen großen Teil des Geldes auf dem Konto liegen lässt, profitiert er sofort: Durch die gute Verzinsung und dadurch, dass Werder wieder positives Eigenkapital ausweist, was die Verhandlungen mit anderen Geldgebern erleichtert.
Die beiden größten Vorteile des „Strategischen Partners“, wie die acht regionalen Investoren bei Werder genannt werden, sind offensichtlich. Man hat sich keine egoistischen Oligarchen, Scheichs oder internationale Investment-Profis ins Boot geholt, deren Auftreten im turbulenten Fußballalltag oft schwer zu kontrollieren ist. Und: Man kennt die regionalen Geldgeber persönlich und hat es geschafft, dass die Gruppe auf eine Rendite verzichtet. Statt um eine möglichst gute Jahresbilanz mit Gewinnausschüttung geht es ihnen um eine langfristige Entwicklung des Vereins. Verläuft diese positiv, werden die Anteile der Geldgeber automatisch an Wert gewinnen.
Der Verein feiert das Geschäft als wichtigen Schritt für die Zukunft. Ob es ganz so historisch wird, muss man noch abwarten. Die Summe hilft primär in der Gegenwart – und sie ist mit 38 Millionen nicht so hoch, dass andere Konkurrenten in der Bundesliga vor Angst erstarren. Es liegt an Werder, das Geld so klug einzusetzen, dass es sich vermehrt. Wenn dieser Plan aufgeht, war er genial. Wenn nicht, wird es am Ende nicht viel mehr sein als eine Randnotiz in der inzwischen 125-jährigen Geschichte des Vereins.
Die Werder-Familie hilft sich im Prinzip selbst. Die Geldgeber sind emotional mit Werder verbunden, allen voran Frank Baumann, der seiner Bremer Karriere ein bemerkenswertes Kapitel hinzufügt: Erst Spieler und Kapitän, dann Geschäftsführer und jetzt Investor – mehr grün-weißes Blut geht nicht.
Nach hohen Verlusten durch die Pandemie und dem Abstieg gehört Werder nicht mehr zu den hübschesten Bräuten im Profifußball. Deshalb war es logisch, dass man am ehesten in der eigenen Werder-Blase ein paar Vermögende findet, die begeistert und verrückt genug sind, den Verein mit Millionenzahlungen zu unterstützen – und denen dieses Engagement finanziell nicht wehtut.
Interessant ist dabei die Entwicklung: Bei der Mittelstandsanleihe vor wenigen Jahren waren viele vermögende Werderaner noch nicht bereit, der Vereinsführung finanziell zu vertrauen. Auch ein Kurt Zech hat sich jahrelang erfolgreich dagegen gewehrt, bei Werder finanziell einzusteigen. Jetzt gehört auch er zu diesem Bündnis. Das Engagement der Gruppe zeugt davon, dass sie für publikumsstarke Traditionsvereine eine gute Zukunft im Profifußball sehen.
Gut für Werder: Anders als bei der Anleihe muss das Geld nicht zurückgezahlt werden. Dass Werder in der ersten Euphorie Borussia Dortmund als Vorbild nannte, wo spätere Superstars wie Sancho oder Bellingham früh entdeckt und entwickelt wurden, ist eine hohe Messlatte. Ob die Bremer über vergleichbare Scoutingqualitäten verfügen, ist nicht bewiesen. Werder wird künftig auch nicht zehn Millionen für einen jungen Spieler ausgeben, nicht mal die Hälfte. Vielleicht hat Werder aber bei einem U17-Weltmeister bessere Chancen.
Nach schwierigen wirtschaftlichen Jahren zeichnete sich zuletzt ab, dass Werder ohne Unterstützung von außen nicht schnell genug gesunden oder gar wachsen kann. Schuldentilgung allein wäre kein Wachstum. Jetzt muss der Verein beweisen, dass er vernünftig mit dem frischen Geld wirtschaftet. Hertha BSC ist das mahnende Beispiel, wo 300 Millionen Euro von Investoren sinnfrei verpulvert wurden. Werder kann wieder agieren, statt nur zu reagieren. Diese Chance gibt es nicht oft.