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Nach dem Wiederaufstieg Werder muss jetzt Union Berlin oder SC Freiburg nacheifern

An dieses Fußball-Jahr wird man sich in Bremen noch lange erinnern. Es schenkte Werder eine neue Identität. Die jetzigen Vorbilder müssen Vereine wie Union Berlin oder SC Freiburg sein, meint Jean-Julien Beer.
28.12.2022, 05:00 Uhr
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Werder muss jetzt Union Berlin oder SC Freiburg nacheifern
Von Jean-Julien Beer

Man muss weit in die Vergangenheit zurückgehen, um eine so gute Platzierung des SV Werder am Ende eines Jahres zu finden. Dass die Mannschaft von Ole Werner nach dem Aufstieg nun als Tabellenneunter Silvester feiert, übertrifft jede objektive Erwartung. Das ist sogar besser als in der umjubelten Saison 2018/19, als Werder mit Florian Kohfeldt und Max Kruse knapp den Europapokal verpasste und von altem Glanz träumte.

In unschöner Regelmäßigkeit waren die Jahreswechsel in den zurückliegenden Wintern mit sportlichen Sorgen verbunden. Der Verein stand im Keller der Bundesliga oder auf einem Abstiegsplatz – und das neue Jahr begann mit der bangen Frage, wie man die Kurve bekommen könnte. Selbst in der Aufstiegssaison war es so, dass Werder nach dem Impfpass-Skandal um Trainer Markus Anfang zu Weihnachten kräftig durchgeschüttelt im Mittelfeld der zweiten Liga festhing.

Nun aber geht ein Jahr zu Ende, das wie eine Kur für den Verein und seine Fans wirkte. 2022 bescherte der Region grün-weiße Emotionen und Bilder, die lange nachwirken. Es war zwar nur ein Wiederaufstieg, der im Mai in Bremen gefeiert wurde, aber er machte die ­Menschen so glücklich wie die Titel­gewinne in früheren Zeiten. Es war ein Jahr für die Werder-Seele. Die rauschende Aufstiegsfeier zeigte zweierlei: Wie sehr Werder die Massen in Bremen und umzu bewegt – und dass die Menschen dem Verein all die Irrungen und Wirrungen verziehen haben, die zum Siechtum und der Entfremdung in den Jahren des schleichenden Abstiegs führten.

Der Bremer Arnd Zeigler, als Moderator einer Fußball-Kultsendung ein moralischer Kompass für Werder-Fans, fand dafür im Aufstiegsmagazin des WESER-KURIER treffende Worte: „Werder ist gebückt aus der Bundesliga abgestiegen, die Werder-Leidenschaft der Fans lag in Schutt und Asche. Wir haben viel durchgestanden, wir sind jetzt ein anderer Verein – aber wir sind trotzdem Werder Bremen geblieben.“

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Dieses Werder Bremen steht heute vor allem für Emotionen und leidenschaftliche Fans. Das ist geblieben aus den ruhmreichen Jahrzehnten. Die Liebe zu diesem Verein hängt nicht mehr an großen Stars oder Titeln, sie speist sich aus einem Zusammengehörigkeitsgefühl, das selbst einen Abstieg aushält. Wer für Werder ist, macht das nicht von der Tabelle abhängig.

Das ist für die Entscheider im Verein ein großes Glück. Denn sie werden es nicht mehr schaffen, Werder zurück an die nationale Spitze zu führen. Dazu hat man in den Jahren, in denen der Profifußball wirtschaftlich immer neue Schallmauern durchbrach, zu viel Substanz verloren – wie andere Traditionsvereine auch. Die wirtschaftlich starken Spitzenklubs aus München, Dortmund, Leipzig oder Leverkusen geben heute mehr für die Gehälter ihrer Spieler aus, als der gesamte SV Werder in einem Jahr umsetzt. Realistisch betrachtet, wird Bremen das nie aufholen können. Das Ziel muss sein, der erfreulichen Entwicklung von kleineren Vereinen wie Freiburg oder Union Berlin nachzueifern, die durch viele kluge Entscheidungen sportlich und wirtschaftlich stabil geworden sind.

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Werders aktuelle Platzierung ist umso bemerkenswerter, als die wirtschaftlichen Voraussetzungen nie schlechter waren: Der Verein muss nach dem Zweitligajahr mit weniger Geld auskommen als vor dem Abstieg. Die TV-Einnahmen sind für einen Aufsteiger einige Millionen niedriger. Den Verein in der Liga zu halten, ist auch deshalb in den nächsten Monaten und Jahren ein Drahtseilakt, zumal im neuen Jahr die Rückzahlung der Millionenkredite beginnt, mit denen in der Pandemie Werders Überleben gesichert wurde. Jede richtige oder falsche Entscheidung kann sich auswirken.

Vor der Saison den Aufstiegskader behalten zu haben, statt wie bei Mitaufsteiger Schalke alles umzuwerfen, war mit Blick auf die bisherige Saison sicherlich nicht falsch. Jetzt hängt viel davon ab, ob man Nationalstürmer Niclas Füllkrug halten kann. Wirtschaftlich wäre sein Verkauf existenzsichernd. Sportlich wäre sein Weggang existenzgefährdend. Die gute Platzierung ist nämlich auch trügerisch: Werder musste sich die Punkte hart erarbeiten. Ohne Füllkrug wäre das sehr viel schwieriger.

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