Als in Bremen vor dem letzten Werder-Heimspiel gegen Regensburg Tausende zum Stadion zogen, standen in einem Wohnzimmer an der spanischen Costa Blanca zwei Flaschen Bier bereit: für jede Halbzeit der Werder-Partie eine. Seit seinem Renteneintritt 2015 lebt Werder-Fan Dieter Wondratschek (69) hier in einer kleinen Wohnanlage, etwa 40 Kilometer südlich von Alicante. „Wondi“, wie ihn in der Fanszene viele nennen, ist ein gutes Beispiel dafür, dass der SV Werder nicht nur in Bremen und Umgebung die Herzen der Menschen berührt, sondern weit darüber hinaus. Er hat das Spiel in der spanischen Sonne im Fernsehen geschaut und mehr als 2000 Kilometer entfernt vom Osterdeich gefeiert.
Wondratschek hat früher unter anderem in Niedersachsen gewohnt, im Ruhrpott und in Baden-Württemberg. Treu blieb er Werder. Seine Kinder hat er nach der Geburt als Mitglieder bei den Grün-Weißen angemeldet, heute sind sie erwachsen und führen auch ein Leben mit der Werder-Raute im Herzen.
Wondratschek gehört auch zu den Vätern des Vereins „Werder-Fans Süd“, der vom Großraum Stuttgart aus seine Mitglieder selbst am Bodensee oder in Sachsen gefunden hat. 33 Werderanerinnen und Werderaner sind in diesem Fanklub organisiert. 14 von ihnen waren beim Fanmarsch in Bremen dabei, während „Wondi“ in Spanien sein Aufstiegsbier trank.
Wie Wondratschek und seine Kinder sind derzeit rund 40.000 Menschen Mitglied beim SV Werder Bremen. Erstmalig hat der WESER-KURIER nun alle auf einer interaktiven Deutschlandkarte sichtbar gemacht: Die Mitglieder verteilen sich dabei auf die komplette Republik, vor allem in größeren Städten gibt es viele treue Anhänger.
Alle Werder-Mitglieder auf einer Deutschlandkarte
Anleitung: Zoomen Sie mit den Fingern oder der Maus in die Karte. Oben können Sie einen Ort suchen. Tippen oder klicken Sie auf eine Gemeinde oder eine Stadt, um die Anzahl der Mitglieder zu sehen. Um die Karte im Vollbild zu sehen, tippen Sie auf die vier Pfeile oben rechts.
Die Auswertung konzentriert sich auf Deutschland, aber auch im Ausland gibt es eine mittlere dreistellige Zahl an Mitgliedern. Besonders in der Schweiz und Österreich wohnen viele treue Fans, vereinzelt auch in einigen anderen europäischen Ländern. Ein paar Werder-Mitglieder hat es sogar in die USA verschlagen.
Und wie entsteht die Liebe zu einem Verein, die auch über Landesgrenzen bestehen bleibt? Dieter Wondratschek wurde die Liebe zu Werder durch den Vater vermittelt. Der fuhr mit dem kleinen „Wondi“ in den 1960er-Jahren mit dem Zug vom heimischen Bad Harzburg nach Bremen, um ein Spiel im Weserstadion zu sehen. Mehr brauchte es nicht für eine lebenslange Leidenschaft. Er wurde Dauerkarteninhaber und hat Werder auch auswärts oft gesehen, vor allem in den 35 Jahren, die er in Stuttgart lebte. Aber auch da fuhr er zu vielen Spielen rauf ins Weserstadion.
„Werder ist für mich wie eine große Familie“, sagt er, und weil er einige Jahre im Ruhrpott lebte, kann er Vergleiche ziehen: „Die Gelbe Wand in Dortmund ist natürlich beeindruckend, und Schalke ist auch ein toller Verein – aber Werder ist anders. Es gibt einen ganz besonderen Zusammenhalt unter den Fans.“
2003 haben sie ihren eigenen Fanklub im Raum Stuttgart gegründet, in einer Hütte feiern sie dort Siege und Feste, natürlich ist alles Grün-Weiß geschmückt. Nach dem Abstieg habe er gelitten, sagt Wondratschek, „es war viel härter als nach dem ersten Abstieg 1980“. Wieder in der Bundesliga zu sein, „das ist ein wunderbares Gefühl“.
Einer der obersten Werder-Fans ist Stadionsprecher und TV-Moderator Arnd Zeigler. Er glaubt, dass „die Werder-Fans eine interessante Entwicklung durchgemacht haben“, erzählt er im gerade erschienenen Aufstiegs-Magazin des WESER-KURIER. Zeigler: „Weil die Fans irgendwann den Umschwung geschafft haben, weg von dieser zu hohen Erwartungshaltung, unter der viele Traditionsvereine leiden. Die Fans von Hertha BSC drehen regelmäßig durch, beim VfB Stuttgart herrscht große Unzufriedenheit. Schalke hat immer Probleme mit seinen Fans, wenn es mal nicht läuft. Und das hast du bei Werder nicht. Die Fans in Bremen ordnen ihren Verein inzwischen ganz gut ein.“
Es schwinge nicht mehr dieses Gefühl mit, man müsse schnell wieder zurück in die Champions League. „Die Fans wissen heute, dass man sich auch über kleine Dinge freuen muss. Und wenn es ein Aufstieg aus der zweiten Liga ist“, meint Zeigler, „das fühlt sich nicht viel anders an als früher ein Titelgewinn. Ich glaube, es spielt eine große Rolle, dass die Fans realistisch sind und nicht durchdrehen.“
Der starke Rückhalt der Fans spiegelt sich auch bei den Mitgliederzahlen in der Stadt wider: Mehr als 10.500 Menschen in Bremen haben einen Mitgliedsausweis. Das Weserstadion ist dabei sozusagen das Epizentrum der Werder-Liebe. Je näher man der Bremer Spielstätte kommt, desto höher ist die Mitgliederdichte.
Bremen ist dabei von einem Werder-Speckgürtel umgeben: Neben den Städten Delmenhorst und Oldenburg dominieren auch die Landkreise Diepholz, Rotenburg oder Osterholz. Insgesamt gibt es knapp 15.000 Werder-Mitglieder in Niedersachsen. Im Städtevergleich ist Bremen – wie zu erwarten – einsam an der Spitze, dahinter kommt mit fast 900 Mitgliedern die Stadt des ärgsten Rivalen: Hamburg.
Wie das ist, in einer fußballverrückten Stadt fernab von Bremen ein Fan von Werder zu sein, das erlebt Mirko Hoffmann sehr häufig. Er ist schon lange Mitglied bei Werder, der 40-Jährige gehört zu der Generation, die durch Werders Erfolge zu Beginn der 90er-Jahre zum Fan wurde. Ursprünglich kommt er aus Sachsen. Als er mal in Hannover lebte, war es ein kurzer Weg zum Weserstadion. Inzwischen wohnt er in Nürnberg, wo man traditionell mit dem heimischen „Club“ fiebert und leidet.
Hoffmann gründete 2015 den Fanklub „Die Werderfranken“, mit einer Besonderheit: In ihrem Wappen haben sie den rot-weißen „Fränkischen Rechen“ mit den Farben Grün und Weiß kombiniert, und das fällt natürlich auf, wenn sie in der Metropolregion Nürnberg unterwegs sind. „Da werden wir oft drauf angesprochen“, erzählt Hoffmann, „aber wir bekommen nur positives Feedback, man kommt dadurch schnell mit anderen Fans ins Gespräch. Viele empfinden Werder als sympathischen Verein, da bekommt man keine Probleme.“
Hoffmann gründete den Fanklub nach einem Besuch des Trainingslagers im Zillertal. Eigentlich wollte er nur in einen Werder-Fanklub eintreten, aber zu seiner Überraschung gab es in Nürnberg keinen. Nach einem Tipp der Mitglieder vom Fanklub „Grün-Weißes München“ bat er Werder um Hilfe, um selbst einen Fanklub zu gründen. Mit elf Leuten ging es los, heute sind sie schon 42. In einem Bowling-Center in der Nürnberger Innenstadt wird für sie der Fernseher extra auf „Einzelspiel Bremen“ umgeschaltet, wenn Werder spielt.
Verein erntet viel Lob von Werder-Fans außerhalb Bremens
Auch Werder selbst leistet für seine Fans im Land Unterstützung. Preise für die Weihnachtstombola oder Hilfe bei den Tickets: Die Fans weit außerhalb der Bremer Stadtgrenzen sind voll des Lobes. Es ist ein Geben und Nehmen in der Werder-Familie, so sehen sie es.
Nach dem Aufstieg sind sie alle wieder erstklassig. Doch was wird in der Bundesliga auf sie zukommen? Werder-Fan Arnd Zeigler hat eine Ahnung. In unserem Aufstiegsmagazin sagt er: „Wir reden oft darüber, dass es die Traditionsvereine wie Werder in der heutigen Bundesliga so schwer haben mit all den Leipzigs und Hoffenheims und den großen Playern wie Bayern und Dortmund. Aber es gibt in der Bundesliga auch diesen Mittelstand aus Köln, Frankfurt oder Mainz, also den Mannschaften zwischen Platz sieben und 13. Da kann Werder wieder dazugehören.“
Der Verein und die Stadt hätten das Format dazu, um keine Fahrstuhlmannschaft wie Köln oder Nürnberg zu werden. Zeiglers Bitte: „Es ist aber wichtig, dass man nach drei Niederlagen nicht sofort denkt: Oh Gott, jetzt geht das alles von vorne los. Sondern dass man sich sagt: Wir haben das alles verarbeitet und sind jetzt ein anderer Verein, wir sind aber trotzdem Werder Bremen geblieben.“ Ein Verein nämlich, der weit über die Stadt hinaus die Menschen verbindet.