Die Saison biegt auf die Zielgerade. Für Werder Bremen und die eigenen Aufstiegsambitionen gilt nun Louis van Gaals Lebensmotto: „Tod oder Gladiolen!“ Nicht nur die Spieler müssen in den entscheidenden Spielen ihre Leistung abrufen. Auch das Trainerteam ist gefragt: Die eigene Aufstellung und der eigene Matchplan können über Sieg und Niederlage entscheiden. Werder Bremens Trainerteam hat in dieser Hinsicht im Spitzenspiel gegen Schalke alles richtig gemacht. Werder fand die Schwachstellen des Gegners und nutzte sie eiskalt aus.
Schalkes Terodde-System
Vor vier Wochen hat Mike Büskens den Cheftrainer-Posten auf Schalke übernommen. Der Ur-Schalker hat die Königsblauen an die Tabellenspitze geführt. Seine Taktik setzt darauf, die Einzelspieler glänzen zu lassen. Damit ist vor allem Stürmer Simon Terodde gemeint: Er soll mit zahlreichen Flanken und Pässen in den Strafraum gefüttert werden.
Schalke agiert dazu in einem klassischen 4-2-3-1-System. Ein Sechser lässt sich in die Abwehr fallen, um mit den beiden Innenverteidigern den Spielaufbau zu gestalten. Dadurch können die Außenverteidiger weit vorrücken. Sie suchen offensiv das Zusammenspiel mit den Außenstürmern. Diese rücken etwas ins Zentrum ein. Alle Flügelspieler haben die Aufgabe, den Ball möglichst direkt in den Strafraum zu befördern.
Der erste Teil von Werders Matchplan lautete, Schalke aus dem eigenen Strafraum fernzuhalten. Dort ist Terodde kaum zu verteidigen. Stattdessen wagte Werder ein hohes Pressing: Aus dem eigenen 5-3-2-System schossen sie weit nach vorne, um Schalke früh zu stören. Besonders im Zentrum war Werder wachsam: Sobald sich Schalkes Sechser Kou Ikatura fallenließ, verfolgte ihn ein Bremer. Leonardo Bittencourt oder Romano Schmid schoben dazu weit nach vorne. Wie bereits in den vergangenen Partien störte Werder den Gegner früh und erhielt weit in der gegnerischen Hälfte Zugriff.
Ab durch die Mitte!
Der zweite Eckpfeiler des Bremer Matchplans lautete, Schalkes Angriffe über die Flügel zu kontrollieren. In den ersten Minuten dürften einige Bremer Fans noch geflucht haben: Warum gehen Felix Agu und Mitchell Weiser nicht an die Grundlinie? Warum zögern sie bei Kontern? Es dürfte Absicht gewesen sein: Werder wollte vermeiden, dass Schalke zu schnellen Gegenstößen über die Flügel kommt.
Bei Werders Außenverteidigern fiel allerdings noch eine zweite Eigenheit auf: Bei eigenem Ballbesitz rückten sie leicht ins Zentrum ein. Breite gaben eher Bittencourt oder Schmid, wenn sie auswichen. Agu und Weiser versuchten eher, im Zentrum auszuhelfen.
Auch dies gehörte zu Werders Matchplan: Schalkes Spielsystem wies im Zentrum einige Lücken auf. Die Doppelsechs war hier zumeist auf sich allein gestellt, die Außenstürmer waren mit Werders Außenverteidigern beschäftigt. Terodde und Marius Bülter agierten eher hoch. Somit fand Werder ein großes Loch neben den Sechsern, das sie konsequent bespielten. Immer wieder jagte Werder vermeintlich unkoordinierte lange Bälle in das Zentrum, nur um dort in Person von Nicklas Füllkrug oder Marvin Ducksch einen vielversprechenden Angriff zu starten. Werder eroberte fast jeden zweiten Ball im Zentrum, immer wieder kamen sie zu guten Angriffen.
Zwei Eckenvarianten und zwei schnelle Tore
Im ersten Durchgang konnte man Werder nur zwei Vorwürfe machen: Zum Einen fehlte manches Mal die Genauigkeit im Passspiel. Gerade Felix Agu (48% Passgenauigkeit) ließ hier Einiges vermissen. Zum Glück für Werder zeigte sich vor allem Bittencourt von seiner besten Seite. Er war ein Garant dafür, dass Werders Matchplan mit den Angriffen durch das Zentrum aufging.
Zum Anderen verpasste es Werder, die eigene Dominanz in Tore umzumünzen. Aus dem Spiel heraus gab es mehrere gute Möglichkeiten, die Werder jedoch vergab. Dafür hatten sie nach Standards mehr Erfolg. Auch hier stimmte die Vorbereitung: Werder knackte die Raumdeckung der Schalker, indem sie die Ecken kurz ausführten. Schalke verharrte in der Raumdeckung, rückte nicht heraus – und ließ Weiser im Rückraum völlig frei. Er bereite so zwei Tore vor (9, 26.). Das 2:0 war in der Höhe angesichts der Bremer Dominanz fast zu niedrig.
Nach der Pause belohnte sich Werder auch aus dem Spiel heraus. Bittencourt rückte nun häufiger auf die rechte Seite, Schalke hatte hier enorme Probleme. Die Tore drei (51.) und vier (53.) leitete Werder über die Halbräume ein. Schalke zeigte sich abermals völlig offen im Zentrum, Werder fand von den Flügeln aus immer wieder den freien Rückraum.
Schalke gibt nicht auf
Schalke muss man zugutehalten, dass sie nach dem 0:4 nicht aufgaben. Immer wieder trieben sie das Spiel über die Flügel an. Mit zunehmender Spieldauer kam Schalke häufiger gefährlich vor das Bremer Tor. Die Grün-Weißen hielten nicht mehr mit voller Intensität dagegen, sodass Schalke öfter über die Seiten durchbrach. Chancen hatten sie fast nur nach Standardsituationen. Das 1:4 (88.) war jedoch nur noch Ergebniskosmetik.
Schalke zeigte sich im Spitzenspiel erschreckend schwach. In mancher Szene stand ihr Zentrum offen wie ein Scheunentor. Werner hat diese Schwachstelle im Vorfeld erkannt und seine Mannschaft exzellent darauf eingestellt. Drei weitere taktische Leistungen dieser Güteklasse und Werder kann den ersehnten Wiederaufstieg eintüten.