Werder hat sich von Sportchef Thomas Eichin getrennt und an Trainer Viktor Skirpnik festgehalten. Zumindest vorerst.
Punkt 15 Uhr trat Marco Bode am Donnerstag vor die Medienvertreter. Weißes Hemd, schwarzes Sakko, im Gesicht erkennbar angespannt. In der folgenden halben Stunde versuchte der Aufsichtsratsvorsitzende des SV Werder das zu erläutern, was der Verein am späten Vormittag bereits per Pressemitteilung kundgetan hatte: Werder trennt sich mit sofortiger Wirkung von seinem Sportchef Thomas Eichin, seine Nachfolge übernimmt Werders Ehrenspielführer Frank Baumann.
„Die Entscheidung ist am Mittwochabend im Aufsichtsrat getroffen worden”, erklärte Bode. Am Donnerstagvormittag habe er Thomas Eichin über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt. Es sei ein offenes, ehrliches, auch freundschaftliches Gespräch gewesen, teilte der Vereinsboss mit. „Thomas war betroffen und enttäuscht, aber wir sind ohne Groll auseinandergegangen.”
Kein konkreter Grund für Trennung
Einen konkreten Grund für die vorzeitige Trennung vom Sportchef, dessen Vertrag erst im vergangenen September bis zum Sommer 2018 verlängert worden war, nannte Bode nicht. „Es ist immer sehr schwierig, das richtige Timing für eine solche Diskussion und für eine solche Entscheidung zu treffen.” Bei der Analyse müsse man aber oben anfangen. „Was seine Vertragsverlängerung angeht, gebe ich offen und ehrlich zu, dass das aus heutigen Sicht möglicherweise als Fehler erscheinen mag”, sagte Bode. Zum damaligen Zeitpunkt sei er aber überzeugt gewesen, „das Richtige zu tun”. Bode weiter: „Wir als Aufsichtsratsgremium versuchen, die richtige Aufstellung zu finden und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Damals haben wir uns mit Überzeugung für Eichin entschieden und heute gegen ihn.”
Der Werder-Boss war in seinen Ausführungen bemüht, die Zukunft des Vereins in den Mittelpunkt zu rücken. „Natürlich sind die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Ausrichtung von Werder nicht erst vor Tagen entstanden und haben auch etwas mit der vergangenen Saison zu tun, aber mir ging es um die Frage: Wo wollen wir mit Werder hin in den nächsten Jahren? Und mit welcher Aufstellung haben wir die besten Chancen, auf unserem Weg, mit unserer Philosophie die Ziele zu erreichen und Erfolg zu haben?”
Die ganz zentrale Frage aber laute: „Sind wir in dieser Struktur, in diesem Team von Führungskräften, für die Zukunft perfekt aufgestellt?”, sagte Bode und ergänzte: „Mir fehlte da zu einem gewissen Grad die Überzeugung.” Und daher sei er zu der Auffassung gekommen, dass eine Veränderung in der Spitze sinnvoll ist.
Warum Thomas Eichin – nach mehr als dreijähriger Amtszeit – nun nicht mehr zu dieser Philosophie passe, wollte Bode in diesem Zusammenhang nicht erläutern. „Ich werde jetzt nicht in die Details unserer Gespräche einsteigen”, sagte Bode und bat dafür um Verständnis. „Das hilft Thomas Eichin nicht weiter, das hilft mir nicht weiter.” Gleichwohl bemühte sich der Aufsichtsratschef, dem geschassten Sportchef noch ein gutes Zeugnis auszustellen. Eichin habe in einer schwierigen Zeit unter besonderen Bedingungen gute Arbeit geleistet, man habe seinen Einsatz geschätzt. „Er hat auf seine Art, mit seiner Mentalität und seiner Entschlusskraft das eine oder andere Positive bewegt”, so Bode. „Aber wenn ich heute in die Zukunft blicke, dann halte ich es für sinnvoll, dass wir einen anderen Weg mit einer anderen Person an der Spitze gehen.”
Ob denn auch die Trainerdiskussion bei der Entlassung Eichins eine Rolle gespielt habe? Bode blieb erneut vage. Die Trainerfrage sei in den Medien zu einer Machtfrage hochstilisiert worden, für ihn habe diese Machtfrage nicht existiert. „Natürlich hat die Beurteilung des Cheftrainers Viktor Skripnik in unseren Diskussionen der letzten Monate immer wieder eine Rolle gespielt”, sagte Bode. Hinsichtlich der Entscheidung gegen Eichin habe das zwar keine zentrale Rolle gespielt. „Sie hat aber ein Stück weit auch mit dieser Frage zu tun.”
Kein Trainerbekenntnis
Ein Bekenntnis pro Viktor Skripnik sei das indes nicht. Bode beeilte sich zu betonen, dass eine Analyse hinsichtlich Saisonverlauf und Trainerteam schon geschehen sei, aber in den nächsten Tagen noch fortgesetzt werde. Und dabei, betonte Bode, werde Baumann bereits eine zentrale Rolle einnehmen. „Alle Fragen, die Viktor Skripnik betreffen, werden von unserem neuen Sportgeschäftsführer Frank Baumann beantwortet – das ist seine Aufgabe, nicht die des Aufsichtsrates.”
Nachfragen zur Zukunft des Trainerteams wich Bode in der Folge konsequent aus. Er verkniff sich jegliche Bewertung und sagte nur: „Ich habe eine Mannschaft erlebt, die gemeinsam mit Viktor Skripnik in den letzten Wochen alles reingeworfen hat, um den Abstieg zu vermeiden. Und Gott sei Dank ist uns das gelungen.” Ob die Entscheidung gegen Eichin nun zugleich eine Entscheidung für Skripnik sei? „Ich kann diese Frage nicht beantworten”, sagte Bode abermals, verwies erneut auf Baumann und ergänzte: „Ich denke, dass er sich schon in der nächsten Woche dazu äußern wird.”
Dann nämlich soll der neue Sportchef, der nach seinem Karriereende 2009 bereits bis zum Sommer 2015 für Werder im Management tätig war und bis dahin als Direktor Profifußball und Scouting die sportliche Entwicklung im Hintergrund gelenkt hat, offiziell seinen Dienst antreten. Die Idee, Frank Baumann zum Nachfolger zu machen, sei „eine Sache der letzten 48 Stunden” gewesen, sagte Bode. Einen anderen Kandidaten habe es nicht gegeben.
„Die Kaderplanung steht an, wir stehen vor der nächsten Saison. Ich bin sehr froh, dass Frank sich sehr schnell entschließen konnte und bereit erklärt hat, sofort loszulegen”, sagte Marco Bode. Darauf habe man sich per Handschlag verständigt. Ihm sei aber wichtig zu betonen, dass die Vergangenheit von Baumann als Werder-Spieler keine zentrale Rolle gespielt habe. Vielmehr sei Baumann aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner Kompetenz und seiner Integrationskraft in dieser Funktion genau der richtige Mann für Werder und die ideale Besetzung.
„Mir ist schon bewusst, dass der Gedanke aufkommen könnte, hier ist jetzt noch mehr Werder-Familie – und der Einfluss von außen wird wieder rausgedrängt”, sagte Bode. Dem sei aber nicht so. Vielmehr wolle man offen bleiben für Impulse von außen und weiter kreative Einflüsse zulassen. „Wenn man im Bild bleiben will”, sagte Bode, „wollen wir eine offene Familie sein – Werder macht die Tür nicht zu.”
In den vergangenen Wochen habe er eine Stadt und eine Fankultur erlebt, die einmalig sei in Deutschland, eine Fankultur, „die unseren Klub zu einem besonderen macht”, so Bode. Das gelte es zu nutzen und weiterzuleben. „Wenn ich gefragt werde, was unsere Philosophie ist, dann ist das ein zentraler Punkt: Diese Menschen mitzunehmen, zu begeistern. Identifikation zur Mannschaft und zum Klub herzustellen. Und junge Spieler schon in diese Richtung zu entwickeln.“