Es klingt nach einem Paukenschlag: „Florian Kohfeldt trainiert wieder an der Weser“. Doch hinter einer vermeintlichen Sensationsnachricht aus Bremen verbirgt sich vielmehr dessen erstes Engagement bei einem ausländischen Club, der „Königlichen Allgemeinen Spielvereinigung Eupen“, im Spielbetrieb der ersten belgischen Fußballdivision beheimatet.
Eupen ist der Hauptort der sogenannten „Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens“, ein Landstrich von 78 000 Einwohnern an der Grenze zu Deutschland, nur 15 Kilometer von Aachen entfernt. Und der liegt wie Bremen auch an einem Fluss namens Weser, der belgischen Weser, „Vesdre“ auf Französisch. Die Menschen hier sind nach dem Ersten Weltkrieg von Preußen zu Belgiern geworden, fühlen sich auch so, aber eben mit deutscher Muttersprache. Die KAS Eupen ist der einzige Club aus der Region, der es je in die erste belgische Fußballliga geschafft hat, jetzt schon immerhin kontinuierlich im achten Jahr. Dort misst man sich mit reichen Traditionsvereinen wie RSC Anderlecht, Standard Lüttich, FC Brügge oder den neuen Topklubs wie Royal Union Saint-Gilloise und dem frischgebackenen Meister Royal Antwerpen.
Am vergangenen Donnerstag wurde Florian Kohfeldt nun der belgischen Öffentlichkeit vorgestellt. Mit ihm kommen der Niederländer Vincent Heilmann vom VfL Wolfsburg und Athletik-Trainer Chris Verona. Aus belgischer Perspektive ist Kohfeldt ein völlig Unbekannter, lediglich seine beiden vorherigen Trainerstationen werden sofort mit Belgiens Starspieler Kevin De Bruyne in Verbindung gebracht. Obwohl Eupen den Klassenerhalt nur mit Mühe geschafft hat und die deutsche Sprache von flämischen (also niederländischsprachigen) und wallonischen (also französischsprachigen) Sportjournalisten eher als Hemmnis empfunden wird, wohnten der Präsentation des neuen Trainers mehr als 20 von ihnen bei. Ein ungewöhnlich großes Interesse.
Erste Gespräche in Köln, beide Seiten mit gutem Gefühl
„Das Kehrwegstadion ist eng, die Fans sind nah dran und das mag ich“, ließ Kohfeldt verlauten und verschaffte sich mit seiner bodenständigen Art sofort Sympathien. Denn mit den Ostbelgiern kann man es sich schnell verscherzen, zum Beispiel wenn man wie in Deutschland „Pommes“ bestellt, die hier „Fritten“ heißen und neben Bier und Schokolade über Sprachgrenzen hinweg verbindendes, identitätsstiftendes Kulturgut sind. „In dieses Fettnäpfchen bin ich nicht getreten“, gibt Kohfeldt seine erste kulinarische Erfahrung wieder.
Die Eupener waren schon seit längerem mit dem früheren Werder-Trainer in Kontakt. Doch erst nach Abschluss einer mageren Saison, in der der Verbleib in der belgischen Spitzenliga am seidenen Faden hing, kam es zum Vertragsschluss. Zu den Konditionen machte Eupens Clubchef Christoph Henkel, ein früherer Jugendtrainer des 1. FC Köln, keine Angaben. So traf man sich auch zum Erstgespräch in Köln und man habe auf beiden Seiten sofort ein gutes Gefühl gehabt, so Henkel. Ob die Vergangenheit des neuen deutschen Trainers hilft, auch in diese Richtung Fühler nach neuen Spielern auszustrecken? „Ich denke, dass der Name des Trainers immer hilft“, so Henkel, und weiter: „Allerdings nur im ersten Schritt. Entscheidend ist aber, dass wir mit diesem Namen klar gezeigt haben, dass wir ambitionierte Ziele haben, die wir auch erreichen wollen.“
Florian Kohfeldt zeigt sich in seinen ersten Tagen in Belgien als gründlich arbeitender Fußballmanager, sehr deutsch eben. Er befindet sich damit in illustrer Gesellschaft, zum Beispiel des früheren HSV-Profs Bernd Hollerbach, bis vorherige Saison noch Trainer des flämischen Erstligisten VV Sint-Truiden. Als dessen Nachfolger wurde vor einem Monat Thorsten Fink vorgestellt, der zuletzt bei Al Nasr in Saudi-Arabien angeheuert hatte. Sint-Truiden gehörte bis 2017 dem Millionär und Politiker Roland Duchâtelet, der sich jetzt in Deutschland den Regionalligisten FC Carl-Zeiss Jena leistet. Und auch der amtierende belgische Nationaltrainer Domenico Tedesco ist Deutsch-Italiener mit mehreren Stationen in der Bundesliga, zuletzt bei RB Leipzig.
Kohfeldt setzt sportlich ambitioniertes Ziel
Die Spieler des noch zusammenzustellenden Eupener Teams kommen aus aller Herren Länder, in der Umkleidekabine wird in der Regel Englisch gesprochen. In seinen ersten Interviews mit deutschsprachigen Medien hält Kohfeldt es ebenfalls lieber etwas professionell-distanziert und bleibt beim „Sie“ statt schnell zu duzen.
Das Vorbereitungsprogramm ist straff organisiert. Am nächsten Wochenende geht es auf einem Eupener Nebenplatz gegen den Nachbarklub RFC Lüttich, kleiner Bruder des großen Standard Lüttich, soeben erst wieder in die zweite Liga aufgestiegen. Die bringen mit Reno Wilmots immerhin einen der Söhne des früheren belgischen Nationaltrainers und Ex-Schalker „Kampfschwein“ Marc Wilmots mit. Am Freitag darauf geht es in Düren gegen den deutschen Nachbarn Alemannia Aachen aus der Regionalliga West. Am 8. Juli tritt Kohfeldt dann erstmals im Kehrwegstadion auf, gegen den Ligakonkurrenten SC Charleroi. Zwischendurch ist mit dem neuen Kader noch ein Trainingslager auf den Anlagen des Königlich-Belgischen Fußballbundes in Tubize bei Brüssel geplant.
Als sportliches Ziel für die am 28. Juli startende Saison 2023/24 gab Florian Kohfeldt die Play-off 2 aus, also ein Tabellenplatz zwischen sieben und zwölf. „Das ist erstmal ein ambitioniertes Ziel“, gibt er dann auch zu. „Auf Dauer geht es mir darum, eine gewisse Spielidentität zu entwickeln. Man soll wissen, wofür der Verein steht. Schon nach der ersten Trainingseinheit hatte ich das Gefühl, das wir viel Spaß haben werden.“