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VfL-Manager Klaus Allofs im Interview "Sportlich sind wir eine Bedrohung"

Am Sonntag ist Klaus Allofs mit dem VfL Wolfsburg Gegner seines Ex-Klubs Werder Bremen. Im Interview spricht er über über die Potenz des VfL, die Qualität von Aaron Hunt und das Duell gegen Werder.
25.02.2015, 21:30 Uhr
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Von Andreas Lesch

Als Manager des VfL Wolfsburg hat Klaus Allofs andere Möglichkeiten als einst in seiner Zeit bei Werder. Vor dem Wolfsburger Bundesligaspiel am Sonntag um 17.30 Uhr im Weserstadion spricht Allofs im Interview mit Andreas Lesch über seinen Umgang mit Geld und Neid – und über die Sinnhaftigkeit teurer Transfers.

Nach dem Hinspiel gegen Wolfsburg hat Robin Dutt gesagt, Partien gegen Teams wie Wolfsburg seien für Werder Bonus-Spiele. Da sei kaum was zu holen. Ist die Ausgangslage für Sie jetzt vor dem Rückspiel auch so klar?

Klaus Allofs: Nein. Damals waren wir für die Europa League qualifiziert, und Werder hat gegen den Abstieg gekämpft – von daher war diese Aussage nachzuvollziehen. Jetzt ist alles anders. Wir haben einen kleinen Schritt nach vorne gemacht, Werder hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der VfL und Werder sind in der Rückrundentabelle punktgleich. Was Werder leistet, beeindruckt mich. Ich glaube, dass es ein offenes Spiel wird.

Muss sich der VfL mit seiner finanziellen und personellen Potenz mittlerweile nicht in jedem Bundesligaspiel als natürlicher Favorit fühlen?

Wir geraten immer mehr in die Rolle des Gejagten. Die Bayern sind in dieser Saison nicht einzuholen. Also suchen sich die Vereine einen anderen, den sie jagen können – und das sind wir. Wir haben das gerade gegen Hertha wieder erlebt: dass unsere Gegner gegen uns besonders konzentriert auftreten.

Wie gefällt Ihnen die Rolle des Gejagten?

Es ist auf jeden Fall schöner, als Jäger zu sein.

Das kann ich mir vorstellen.

Mir gefällt, dass wir unsere Ziele schneller erreicht haben, als wir uns das erträumt haben. Mir gefällt, dass wir guten Fußball spielen und interessante Spieler haben. Aber wir müssen die Leistung, die wir zuletzt gezeigt haben, erst noch kontinuierlich unter Beweis stellen.

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Wie nah ist Ihr Klub den Bayern schon?

Wir sehen uns noch längst nicht in der Nähe der Bayern. Um uns in der Spitzengruppe zu etablieren, müssen wir zumindest mal eine komplette Saison so stark gespielt haben wie jetzt. Aber selbst das reicht nicht aus. Werder hat sechs Mal hintereinander in der Champions League gespielt. Das haben wir mit dem VfL noch längst nicht geschafft. Wir sehen uns noch nicht als die Nummer zwei im deutschen Fußball. Wir sind nur Zweiter in der aktuellen Tabelle.

Jetzt stapeln Sie aber ein bisschen tief.

Nein, absolut nicht! Wir lernen gerade sehr viel. Wir lassen uns nicht aufs Glatteis führen, nur weil man uns jetzt schon die Nummer-zwei-Plakette umhängt.

Als Sie kürzlich André Schürrle für 32 Millionen Euro verpflichtet haben, war etwa von Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen zu hören, es sei fast unheimlich, so viel Geld für einen Spieler auszugeben. Ist Ihr VfL Wolfsburg eine Bedrohung für die Liga?

Sportlich sind wir für einige Klubs eine Bedrohung, ja. Aber ich glaube nicht, dass wir in anderer Weise eine Bedrohung für die Liga sind. Auf Dauer werden sich alle Vereine strecken müssen. Alle werden sehen müssen, wie sie sich wirtschaftlich besser aufstellen – sei es über Fernsehgelder, Sponsoren oder Beteiligungen von Investoren. Wenn über uns gesprochen wird, wird oft nicht bis zum Ende argumentiert. Wir haben als hundertprozentige Tochter von Volkswagen sehr gute Voraussetzungen, das ist richtig.

Aber?

Gerade in den letzten Monaten haben wir wirtschaftlich sehr vernünftig agiert. Wir haben Geld nur dort in die Hand genommen, wo es sinnvoll war, für junge, entwicklungsfähige Spieler. Und wir hatten nicht immer nur große Ausgaben. Als wir Kevin de Bruyne verpflichtet haben, haben wir gleichzeitig Diego abgegeben, der ein wesentlich höheres Gehalt hatte. Und als wir jetzt André Schürrle geholt haben, haben wir Ivica Olic abgegeben, der am Ende seiner Karriere steht. Wir haben unseren Kader radikal reduziert. Das kommt in der öffentlichen Debatte ein bisschen zu kurz.

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Schauen Ihre Kritiker nicht genau genug hin?

Womöglich. Am liebsten würde ich mit jedem Einzelnen alle Argumente mal durchgehen. Ich glaube, dass sie dann eine andere Sichtweise hätten. André Schürrle, einen deutschen Nationalspieler, zurück in die Bundesliga zu holen – macht auch mit Blick auf die Zukunft absolut Sinn! Und es macht noch mehr Sinn, wenn man jetzt die Entwicklung in England sieht …

… wo die Vereine künftig noch exorbitant mehr Geld aus ihrem TV-Vertrag bekommen als bisher …

… und deshalb glaube ich, dass der Schürrle-Deal im Sommer nicht mehr möglich gewesen wäre. Die englischen Klubs haben enorme Mittel zur Verfügung. Die Verpflichtung von André Schürrle war sportlich und wirtschaftlich eine sinnvolle Investition – weil wir einen jungen, hoch begabten Spieler langfristig an uns gebunden haben. Aber wir fördern ja auch unsere eigenen Talente. Mit Maximilian Arnold und Robin Knoche haben zwei junge Spieler aus unserem Nachwuchs den Sprung schon geschafft. Und wir haben ablösefreie Spieler geholt wie Aaron Hunt oder Nicklas Bendtner. Also: Wenn gesagt wird, der VfL kauft nur teuer ein, dann greift das zu kurz.

Wo sehen Sie den Grund dafür? Ist das Neid?

Zum einen ist es Taktik: Wer seinen Gegner stärker macht, für den ist es ja ein umso größerer Verdienst, wenn er diesen Gegner schlagen kann. Aber es ist schon auch Missgunst.

Fürchten Sie, dass Wolfsburg zum neuen Feindbild der Bundesliga wird?

Sportlich hoffe ich das, ja!

Ich meinte aber in Bezug auf Ihre wirtschaftliche Potenz.

Auch die Bayern werden nicht von allen geliebt. Das scheint wohl daran zu liegen, dass sie erfolgreich sind. Wir legen schon großen Wert darauf, sinnvoll mit unseren Mitteln umzugehen und unseren Weg zu erklären. Aber es wird immer Menschen geben, die wir nicht davon überzeugen werden. Damit können wir leben.

Als Sie nach Wolfsburg gegangen sind, hieß es, nach der exzessiven Transferpolitik der Ära Magath wolle der VfL normaler, bescheidener, sympathischer rüberkommen. Jetzt geben Sie auf dem Transfermarkt punktuell große Summen aus. Hat es intern einen Richtungswechsel gegeben?

Nein. Wir haben immer gesagt: Wenn es außergewöhnliche Gelegenheiten gibt, dann nutzen wir unsere Möglichkeiten. Aber wir können sicher nicht alles machen – auch wenn die öffentliche Meinung so vorherrscht. Wir haben keine unerschöpflichen Ressourcen. Es ist nicht so, dass ich nur einen Wunsch aussprechen muss und dann wird dieser erfüllt. Wir haben ein Budget, in dessen Rahmen wir uns bewegen müssen.

Wolfgang Hotze, der Finanzgeschäftsführer des VfL, hat aber schon gesagt, dass Ihr Klub Transfers in der Größenordnung von Schürrle in Zukunft nur dann realisieren kann, wenn er dauerhaft in der Champions League spielt.

Das ist selbstverständlich. Das, was wir jetzt umgesetzt haben, ist in gewisser Weise ein Vorgriff auf die Champions League. Die 25 oder 30 Millionen Euro, die für eine Qualifikation ausgeschüttet werden, die werden wir brauchen, ganz klar.

Welche Zukunft hat in Ihrem ambitionierten VfL-Team Aaron Hunt?

Eine gute! Vor der Winterpause war er wirklich unzufrieden. Aber nach vielen Gesprächen hat er dann verstanden, dass er hier nicht in der Situation ist, die er bei Werder zum Schluss vorgefunden hat. Dass hier in Wolfsburg nur ganz wenige Spieler den Anspruch haben können, jedes Mal von Anfang an dabei zu sein. Und dass er aber dennoch eine ganz zentrale Rolle bei uns spielt.

Er hat in dieser Saison aber noch kein Spiel über 90 Minuten gemacht. Meistens ist er erst spät eingewechselt worden.

Ja, aber kürzlich beim 1:1 in Frankfurt hat er nach seiner Einwechslung ein Tor vorbereitet. Und im Europa-League-Hinspiel gegen Sporting Lissabon hat er vom Trainer das Vertrauen bekommen. Das spürt er. Deswegen hat sich das Thema Wechsel erledigt. Ich kann es nur unterstreichen: Wir sind froh, dass wir Aaron haben. Seine Qualität ist eine Bereicherung für unsere Mannschaft.

Woran merken Sie, dass er tatsächlich verstanden hat, dass seine Situation in Wolfsburg eine andere ist als in Bremen?

Ich sehe das daran, wie er zuletzt trainiert hat. Es gab mal eine Phase, in der er seine Unzufriedenheit zur Schau gestellt hat. Im Winter mussten wir eine Entscheidung treffen, denn wir wussten, dass wir ihn hier nicht anketten können. Also haben wir ihn in Gesprächen überzeugt. Jetzt lebt er seine Rolle bei uns.

Aber er hat sich verletzt. Er fällt mit einem Innenbandteilabriss sechs bis acht Wochen aus.

Unglücklicherweise, ja! Aber wenn er wieder fit ist, wird Aaron eine feste Größe in unserem Spiel sein. Er ist so vielseitig einsetzbar. Er kann den Unterschied ausmachen.

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Das heißt, der Klub wie der Spieler planen über den Sommer hinaus fest miteinander?

Wir haben keine anderen Gedanken. Unser Verhältnis zu ihm ist jetzt kein Waffenstillstand, das ist ein dauerhafter Frieden. (lacht)

Im Winter haben in Bremen viele davon geträumt, dass Aaron Hunt wieder zu Werder zurückkehrt. Jetzt ist er in Bremen kein Thema mehr – weil Werder ohne ihn so gut spielt. Wie nehmen Sie Werders Aufschwung wahr?

Ich finde ihn bemerkenswert. Mit Viktor Skripnik, mit Torsten Frings und mit Christian Vander habe ich ja lange zusammengearbeitet. Es freut mich besonders, dass diese drei jetzt so erfolgreich arbeiten – vielleicht haben wir ihnen ja etwas mitgegeben während ihrer aktiven Zeit. Und es freut mich, dass Spieler wie Theo Gebre Selassie oder Zlatko Junuzovic, die am Anfang nicht so als die Verstärkungen gesehen worden sind, jetzt eine gute Rolle spielen. In Werders Mannschaft steckt Substanz.

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