Bei den heutigen Spielen und auch morgen im Bochumer Stadion „anne Castroper“ wird Franz Beckenbauer mit einer Schweigeminute gedacht. Der Postler-Sohn aus der Zugspitzstrasse 6a in München-Giesings Höhen wurde ein deutscher Welt-Sportler, wie sonst vielleicht nur Boris Becker, Michael Schumacher, Dirk Nowitzki. Als er 1980 von Cosmos NY zurück in die Bundesliga kam, war ich im Volkspark dabei. Seine erste Aktion löste ein Raunen in der riesigen Schüssel aus. Ein 40-Meter Pass aus dem Fußgelenk genau in den Lauf von Lars Bastrup. Ich habe die Situation noch jetzt, über 40 Jahre danach, genau vor Augen.

Christian Stoll war langjähriger Stadionsprecher des SV Werder. Hier schreibt er im Wechsel mit Jörg Wontorra, Lou Richter, Oliver Reck und Anja Stahmann, was ihm im Bundesliga-Alltag und bei Werder aufgefallen ist.
Später, nach der Pressekonferenz, verlor ich sämtliche journalistische Distanz und bekam tatsächlich ein Autogramm. Wir Deutschen, und ich ganz persönlich mit dem Einsatz als Sprecher im Berliner Olympiastadion, haben „456“ (die drei Rückennummern seiner Profi-Karriere) unser einzigartiges „Sommermärchen“ zu verdanken. Dass es dabei möglicherweise – es gibt weder eindeutige Beweise noch eine rechtmäßige Verurteilung – nicht ganz koscher zugegangen ist: geschenkt, angesichts dieser Lebensleistung. Seit 2015 haben sich die Dinge gegen das vermeintliche Glückskind gewandt. Franz Beckenbauer schwebte zwar über den Platz, über das Wasser gehen konnte er nicht. Übrigens: Sein „Best Buddy“ bei der Nationalmannschaft war Horst-Dieter Höttges, in alten Filmen und auf alten Fotos sieht man „Kaiser“ und „Eisenfuss“ stehts zusammen.
Womit wird dann auch bei Werder wären. Ich sag's mal so: Optimale Vorbereitung sieht anders aus. Das gilt sowohl für die Personalsituation, wie auch für die so wichtige Stimmung in Team und im Verein. Und da, so mein Eindruck, hängt das eine unmittelbar mit dem anderen zusammen. Will sagen, es fehlt offenbar im Kader insgesamt nicht nur an Qualität, sondern auch an Quantität.
Das hat ja nun auch Trainer Ole Werner mehr oder weniger direkt angesprochen. Was er wohl meint: Die Gruppe ist einfach zu klein, bestimmte Übungsformen sind so nicht möglich, darunter leidet dann auch das Trainingserlebnis und das Trainingsresultat. Und einer seiner Führungsspieler, der stets offene Leo Bittencourt, sprang dem Coach in den vergangenen Tagen nach dem üblen 1:3 in Braunschweig zur Seite, indem er sagte, man habe bei Werder derzeit keine echte Konkurrenzsituation. Danach musste Leo rapportieren. Ob das hilft?
Wie auch immer, die Personaldecke am Sonntag für das Spiel im Bochumer Ruhrstadion ist dünn. Amos Pieper fehlt weiterhin, Naby Keita versucht sein Glück beim Afrika-Cup wiederzufinden, Rafael Borre befindet sich gedanklich irgendwie in Südamerika und das Knie von Milos Veljkovic ist noch nicht fit genug für das letzte Hinrundenspiel. In Bochum hat es in den vergangenen Tagen erst viel geregnet und dann viel gefroren. Die Platzverhältnisse werden also dem stets kämpferischen VfL eher in die Karten spielen.
Wenn Werder sich so handzahm präsentiert wie beim Testspiel in Braunschweig vor Wochenfrist, dann wird das nix. An der Ruhr ist Stahlarbeit gefragt. Wobei eines ganz deutlich für Grün-Weiß spricht: Die Bremer sind Bochums absoluter Angstgegner, der letzte Sieg der Westfalen stammt von 2008. Ich meine: Unter den gegebenen Umständen wäre ein Unentschieden absolut in Ordnung.