2:1-Heimsieg Taktik-Analyse: Wie Werder den VfL Wolfsburg bezwang

Wie schaffte es Werder, favorisierte Wolfsburger in Schach zu halten und einen letztlich verdienten Heimsieg einzufahren? Unsere Taktik-Analyse gibt die Antwort.
29.01.2023, 12:21 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Von Tobias Escher

Werder Bremen kam aus einer Niederlagen-, der VfL Wolfsburg aus einer Siegesserie. Dennoch behielt Werder beim 2:1 die Oberhand. Der Sieggarant? Die klassischen Tugenden Kampf und Verteidigung sowie ein stark verbessertes Mittelfeld, meint unser Taktik-Analyst Tobias Escher.

Vier Niederlagen am Stück, 4:17 Tore: Werder Bremen drohte den starken Saisonstart zu verspielen. Das Spiel gegen den VfL Wolfsburg schien zur Unzeit stattzufinden, schließlich gewannen die Wölfe zuletzt sechs Pflichtspiele in Folge. Doch die Wolfsburger ließen ihre Formstärke nur selten aufblitzen, während sich der SV Werder vor allem defensiv stark verbessert präsentierte.

Evolution, keine Revolution

Trotz der dürftigen Ergebnisse rief Trainer Ole Werner keine taktische Revolution aus. Er hielt auch gegen Wolfsburg am bekannten 5-3-2-System fest. Der Aufstiegstrainer musste jedoch sein Mittelfeld verändern. Leonard Bittencourt fehlte. Für ihn rückte Jens Stage in die Mannschaft. Der Däne stand damit erstmals seit dem elften Spieltag wieder in der Startelf.

Stage rechtfertigte seine Aufstellung. Gegen das 4-2-3-1-System der Gäste avancierte er zu einem der auffälligsten Spieler. Wolfsburg strotzte nach zwei 6:0-Siegen in Folge vor Selbstvertrauen. Sie liefen die Bremer früh an. Die beiden Außenstürmer rückten weit nach vorne, um zusammen mit Angreifer Jonas Wind die Bremer Dreierkette anzulaufen. Auch im Mittelfeld verteidigte Wolfsburg im Mann-gegen-Mann.

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Werders äußere Mittelfeldspieler schafften es jedoch geschickt, sich ihrer Manndecker zu entledigen. Vor allem Stage bewegte sich immer wieder nach vorne oder auf den linken Flügel. Christian Groß positionierte sich ebenfalls immer wieder auf der linken Seite. Werder gewann hier ein Übergewicht. Wolfsburgs Rechtsverteidiger Ridle Baku zeigte sich auf dieser Seite überfordert.

Höhere Ballsicherheit und mehr Zweikampfhärte

Dass Werder wieder und wieder das gegnerische Pressing über die (halb-)linke Seite umspielen konnte, lag auch an der erhöhten Ballsicherheit der Abwehrkette. Bei der 1:2-Niederlage gegen Union unter der Woche war Werder sich selbst der ärgste Gegenspieler. Ihre riskanten Bälle im Spielaufbau landeten zu häufig beim Gegner.

Solche Fehler beging Werder gegen Wolfsburg nur selten. Die Pässe aus der Abwehr heraus kamen präzise an den Mann. Gerieten die Bremer unter Druck, verzettelten sie sich nicht im Klein-Klein. Im Zweifel schlugen sie den Ball lang in Richtung Niclas Füllkrug. Der konnte zwar selten die Kugel festmachen. Immerhin war die Gefahr schneller Konter gebannt.

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Verbessert zeigte sich Bremen auch im Spiel gegen den Ball. Wolfsburg versuchte, mit schnörkellosem Fußball die Kugel direkt in die Spitze zu spielen. Oft kam dieser Pass zu schnell, sodass Werder den Ball einfach ablaufen konnte. Manches Mal erreichte ein Zuspiel den startenden Patrick Wimmer. Doch es stand stets ein Bremer in seiner Nähe, der sich in den Zweikampf warf. Wolfsburgs Angriffe endeten spätestens an der Bremer Abwehrkette.

Werder hält wenig kreative Wolfsburger in Schach

Das 1:0 spielte Werder dabei in die Karten. Schiedsrichter Daniel Siebert pfiff nach Beratung mit seinem Videoassistenten einen umstrittenen Handelfmeter, den Füllkrug verwandelte (24.). Mit der Führung im Rücken konnte sich Werder zurückziehen. Bis zum 1:0 lag ihr Ballbesitzanteil bei knapp 60 Prozent. Nach der Führung schrumpfte er auf etwas über 35 Prozent.

Die Wolfsburger wurden in die Rolle des Spielgestalters gedrängt. Sie wussten mit dieser wenig anzufangen. Die Doppelsechs spielte weiterhin jeden Ball in die Tiefe. Die Angreifer konnten ihn jedoch nur selten erlaufen. Werder erlangte zwar keinen Zugriff im zentralen Mittelfeld. Von hier aus konnte Wolfsburg die Bälle verteilen. Dafür gewann Werders Verteidigung die entscheidenden Zweikämpfe.

In der zweiten Halbzeit verbesserte sich die Raumaufteilung der Wolfsburger. Der eingewechselte Josuha Guilavogui (für Gerhardt) besetzte die halbrechte Seite, Maximilian Arnold kam durch die Zentrale, Linksverteidiger Paulo Otávio besetzte den halblinken Flügel. Gerade auf der linken Seite erarbeiteten sich die Wolfsburger ein Übergewicht. Wolfsburg kam vermehrt zu Flanken, die sie in die Nähe von Abschlusspositionen brachte. Torgefahr strahlten die Wolfsburger nur selten aus, auch weil ein Abnehmer im Strafraum fehlte.

Werder erkämpft sich den Erfolg

Mit der Einwechslung von Ilia Gruev (62., für Niklas Schmidt) verbesserte sich die Bremer Defensive. Werder erlangte nun wieder mehr Zugriff im zentralen Mittelfeld. Eren Dinkci (71., für Marvin Ducksch) belebte mit seinem Tempo das Konterspiel. Werder kam nun zu schnellen Gegenstößen, erarbeitete sich erste Chancen und ging durch Füllkrug mit 2:0 in Führung (77.).

Wolfsburg fiel weiterhin nicht viel ein. Zwar gewannen sie mit ihrer verbesserten Raumstruktur nach der Pause mehr zweite Bälle. Diese endeten als Halbfeldflanken aber meist bei den Bremern. Erst in der 90. Minute konnte Kevin Paredes nach einer schlecht geklärten Ecke den Anschlusstreffer erzielen. Das sorgte für eine spannende Schlussphase, nicht aber für ein echtes Wolfsburger Aufbäumen.

Werder hat sich den Sieg erkämpft. Sie profitierten nicht nur von einem Handelfmeter, sondern auch von einem wenig kreativen Gegner. Wolfsburg wusste nach dem Rückstand wenig anzufangen mit ihrem Ballbesitzwert von fast 65 Prozent. Die Hausherren gewann die wichtigen Zweikämpfe und setzte die entscheidenden Konter. Werder beendete am Samstagnachmittag gleich zwei Serien: Wolfsburgs Siegesserie und die eigene Negativserie.

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