Dass die Fußball-Bundesliga kein fairer Wettbewerb ist, zeigt sich nicht nur daran, dass Bayern München seit elf Jahren Deutscher Meister wird. Auch Vereine wie Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen oder RB Leipzig sind dem Großteil der Liga wirtschaftlich so weit enteilt, dass viele Europapolplätze ebenfalls vorab fest vergeben scheinen. Vereine wie Werder Bremen haben oft nur einen Bruchteil der Gelder zu Verfügung, mit denen die großen Klubs in der Bundesliga wirtschaften können.
Über dieses Dilemma sprach Werders Präsident Hubertus Hess-Grunewald auf einer Podiums-Diskussion in Bremen zum Thema Gerechtigkeit im Fußball. „Alle wollen einen spannenden Wettbewerb – aber rede mal mit Bayern München darüber, was man dagegen tun kann, dass die nicht jedes Jahr Meister werden und dass das nicht schon an Ostern feststeht“, sagte Hess-Grunewald bei der Veranstaltung der Arbeitnehmerkammer, „sobald es ums Geld geht, kommt man in den Diskussionen nicht weiter, da drehen wir uns seit Jahren im Kreis.“ Bayern habe in der Champions League hohe Ziele und brauche dafür mehr Geld, viel mehr, als alle anderen in der Liga haben. Das gelte im Prinzip auch für Dortmund.
Die in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) organisierten 36 Vereine der Bundesliga und der 2. Bundesliga finden keine Lösung, die Fernsehgelder anders zu verteilen, um einen fairen Wettbewerb in der Liga zu begünstigen. Das bemängelt auch die Aufsichtsrätin des FC St. Pauli, Anna-Maria Hass, die ebenfalls an der Diskussion in Bremen teilnahm: „Das Geheimrezept für eine Verbesserung ist die Verteilungsfrage. Wenn der FC Bayern vor zwei Jahren von der UEFA für seine internationalen Spiele sechsmal mehr Geld bekommen hat, als ein Aufsteiger in die Bundesliga zur Verfügung hatte – dann zeigt das die Dimensionen des Problems.“ Die Fronten innerhalb der DFL seien schnell verhärtet, „weil alle darauf schielen, mit mehr Geld nach oben zu kommen. Im Sport können aber nicht alle oben landen“, betonte Hass.
Werders Präsident und Aufsichtsrats-Chef gab einen Einblick in die Konflikte innerhalb der Liga. „Wir sind in der DFL weit davon entfernt, ein gemeinsames Bild zu zeichnen – weil die 36 Klubs alle auch Konkurrenten mit individuellen Interessen sind“, erklärte Hess-Grunewald, „und alle kennen die Konsequenz: Wenn man über die Geldverteilung redet, wird das am Ende immer dazu führen, das man bestimmten Klubs weniger gibt.“ Genau hier beginne das bisher unlösbare Problem: „Die Bundesligavereine sind ein Stück weit erpressbar“, sagte der Werder-Chef, „denn wenn man wirklich mal abstimmen würde über eine andere Verteilung der Fernsehgelder, und man würde diese Abstimmung mit 34:2 gegen Bayern und Dortmund gewinnen - dann hätten viele die Sorgen, dass diese beiden Topklubs nicht mehr mitspielen wollen und lieber in eine Superliga gehen.“ Bayern und Dortmund würden aus einer Rolle der Stärke argumentieren und sagen: Ohne uns könnt ihr dann mal gucken, wie ihr eure Stadien voll bekommt. Hess-Grunewald gab offen zu: „Diese Sorgen treibt alle in der Liga um – oft unausgesprochen, manchmal auch ausgesprochen.“
Deshalb habe man bereits skurrile Situationen bei Abstimmungen in der DFL erlebt. Zum Beispiel beim Streit über die Polizeikosten, als Werder seine Argumente vortrug. Nur ein Verein stimmte dafür, nämlich Werder selbst. RB Leipzig enthielt sich. Alle 34 anderen stimmten dagegen. Hess-Grunewald: „Hinterher kam der Präsident eines süddeutschen Zweitligisten zu mir und sagte: Ihr habt ja völlig recht, ich bin eigentlich bei euch, aber ich habe trotzdem dagegen gestimmt.“ Das mache deutlich, dass es sich keiner mit den großen Stimmungsmachern in der Liga verscherzen wolle.
Die Präsidentin von Zweitligist Eintracht Braunschweig, Nicole Kumpis, fragte bei der Debatte in Bremen: „Mit welcher Motivation sollte denn Bayern München sagen, wir geben von unserem Geld etwas ab? Was sollte sie dazu veranlassen? Die Fußballromantik? Die große Gönnerhaftigkeit? Ich möchte ja auch eine gerechtere Verteilung haben, aber das Problem haben wir in vielen Bereichen auf der Erde, dass es nicht gerecht verteilt ist. Jeder will, dass das besser wird. Aber sobald es zum Beispiel einen Verein betrifft, der etwas abgeben soll – da sagt doch jeder direkt: stopp!“ Ihr fehle die Fantasie, „dass wir uns innerhalb der Liga auch nur auf ein paar Nenner einigen können, weil die Diskrepanz längst riesig ist. Als Schlusslicht der zweiten Liga muss ich bei den Versammlungen ganz kleine Brötchen backen, weil die vier oder fünf großen Klubs die Geschicke der ganzen Liga bestimmen.“ Diese großen Klubs, so ehrlich müsse man sein, „die holen das ganze internationale Geld ja auch überhaupt erst nach Deutschland“, betonte Kumpis, „wir anderen Vereine schaffen das nicht. Mit welchem Anspruch soll ich den Bayern oder Dortmund sagen: Gib mal mehr von deiner Kohle ab?“
Anna-Maria Hass vom FC St. Pauli beklagte zwar auch „die viel zu unterschiedlichen Interessen zwischen einem Weltkonzern wie dem FC Bayern und – bei allem Respekt – einem Dorfverein wie der SV Elversberg.“ Aber sie punktete mit einem neuen Ansatz: „Durch die 50-plus-1-Regel haben wir im deutschen Fußball die große Chance, die Dinge anders und besser zu machen als im Ausland, weil bei uns die Vereine noch das Sagen haben“, sagte die Hamburgerin, „für mehr Gerechtigkeit brauchen wir mehr Eingriffe in das System. Die spannende Frage ist ja: Inwiefern ist es denn das Geld des FC Bayern, was die bekommen – und inwiefern ist es das Geld der Liga? Die Einnahmen von 1,1 Milliarden Euro erwirtschaftet die Liga zusammen. Das ist kein Geld, dass der FC Bayern in irgendeiner Form für die Zukunft schon hat, sondern er bekommt es erst.“ Auf ein solches Verteilungssystem habe man sich mal geeinigt. „Systeme sind aber auch dafür da, geändert zu werden“, betonte Hass, „der FC Bayern muss dann nichts abgeben, wenn gar nicht festgelegt wird, dass er auch in der Zukunft so viel bekommt. Darüber müsste man zumindest nachdenken.“