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Werder-Kolumne Warum das Thema Impfen für die Vereine nun schwieriger ist

Alle lernen in dieser Pandemie, auch der Profifußball, meint Jean-Julien Beer. Doch beim Impfstatus der Spieler ist die Sache im dritten Corona-Sommer nicht mehr so einfach - auch wenn die Richtung stimmt.
20.06.2022, 21:38 Uhr
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Warum das Thema Impfen für die Vereine nun schwieriger ist
Von Jean-Julien Beer

Betrachtet man es oberflächlich, dann ist die Sache klar: Wenn ein Profi-Klub wie Werder Bremen in einen neuen Spieler investiert, dann sollte dieser möglichst geimpft sein – damit er im Falle einer weiteren Corona-Welle auch dann zur Verfügung steht, wenn es Infektionen im Kader oder im direkten Umfeld gibt, die zu Isolationsmaßnahmen führen. Vor einem Jahr noch war das ein nachvollziehbarer Gedanke, auch deshalb erntete der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel viel Anerkennung dafür, nur noch geimpfte Spieler verpflichten zu wollen. Denn je nach Verordnung der Behörden mussten ungeimpfte Spieler als Kontaktpersonen in der vergangenen Saison in häusliche Isolation und fehlten im Bundesligabetrieb.

Im Sommer 2022, dem dritten Sommer der Pandemie, ist dieses Thema für die Vereine nun aber komplexer geworden. Es gibt nicht mehr nur schwarz oder weiß, also geimpft oder ungeimpft. Es gibt nun auch viele Schattierungen: ungeimpft, geimpft, genesen, geboostert, bald endender Impfschutz oder ausgelaufener Impfschutz – jeder Kader lässt sich heute in verschiedene Gruppen aufteilen.

Ging es früher auf dem Transfermarkt noch darum, ob ein neuer Spieler etwa ein starker Linksfuß ist oder Vorschäden hat, wird heute auch der Impfstatus erfasst – aber meist ohne Konsequenzen. Auch bei Werder schließt man nicht aus, in diesem Sommer Spieler zu verpflichten, die noch nicht geimpft sind oder deren Impf- oder Genesenenstatus ausgelaufen ist oder bald endet. Das teilt der Verein auf Nachfrage mit.   

Schon vor der Zweitligasaison waren die Bremer dadurch aufgefallen, dass sie einen nicht geimpften Trainer (Markus Anfang) und später noch einen nicht geimpften Spieler (Mitchell Weiser) verpflichteten. Anfang gab unlängst zu, dass er sich vor allem deshalb einen gefälschten Impfpass besorgte, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass sein Arbeitgeber in Bremen das ewig so mitmachen würde. Dabei hatte Werder noch keinen Druck ausgeübt.

Bei Mitchell Weiser, der nach seinem Wechsel von Leverkusen nach Bremen wegen fehlender Impfung und später wegen einer Infektion ausfiel, war es anders. Kaum war der Spieler in Bremen, da echauffierte sich Sportchef Rudi Völler in Leverkusen: Impfverweigerer, bei denen keine medizinische Begründung vorliege, seien „hochgradig unanständig“ und unsolidarisch gegenüber ihrem Arbeitgeber und der Liga – wo doch in Pandemiezeiten alles getan werde, um den Profifußball am Laufen zu halten. Die Mannschaft des Hauptsponsors Bayer rühmte sich fortan für eine 100-prozentige Impfquote, dafür übernahm man einen sehr hohen Anteil des Weiser-Gehaltes während der einjährigen Ausleihe nach Bremen.

Eine klare Linie ist bei Werder noch nicht zu erkennen: Einerseits engagiert sich der Verein für Impfkampagnen und bewirbt Impfungen als „echten Teamgeist“. Andererseits dürfen Neuzugänge ungeimpft zur Tat schreiten, wenn sie dem Verein nützen.

Für den überwiegenden Teil seiner Mitarbeiter erwies sich der Arbeitgeber SV Werder im vergangenen Jahr indes als sehr fürsorglich: Allen wurde im Verein ein Impfangebot gemacht, ob auf der Geschäftsstelle oder im Nachwuchsbereich, ob beim Team der Frauen-Bundesliga oder bei den Herren. Ein sehr großer Teil hat dieses Angebot angenommen. Auch hier steht nun die Frage der Auffrischung an.

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Insgesamt hat der Profifußball das Thema überdurchschnittlich gut im Griff. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ging zuletzt davon aus, dass bis zu 95 Prozent ihrer Spieler geimpft sind. Zum Vergleich: Aktuell gelten in Deutschland rund 77 Prozent der Bevölkerung als vollständig geimpft. Zum Jahreswechsel waren von den 1034 Spielern in den ersten beiden Ligen nur knapp 50 nicht geimpft.

Die DFL sieht hierbei die Vereine in der Verantwortung, „die tatsächliche Vorsorge“ zu treffen. Das ist verwunderlich für eine Branche, die sich sonst nicht scheut, sogar das Verbot von Skifahren wegen der Verletzungsgefahr oder auch die Farbe der Alufelgen am Dienstwagen der Spieler vertraglich vorzuschreiben. Warum dann nicht auch das Impfen, zur Sicherstellung des Spielbetriebs? Warum sollte das Privatsache sein? Sportrechtler gehen davon aus, dass der Profifußball dies ohne gesetzliche Grundlage regeln dürfte – denn wegen der Verbandsautonomie könnten alle Punkte, die von Relevanz für die Spielorganisation sind, eigenständig von der Deutschen Profi-Liga vorgeschrieben werden.

Doch schon beim Gehaltsverzicht taten sich viele Vereine in der Pandemie schwer. Auch Werder wollte seine Spieler vor zwei Jahren nicht zu sehr mit dem Thema belasten, damit sie top motiviert in der Bundesliga zu Werke gehen – mit dem Ergebnis, dass diese Spieler dann abstiegen. Es lernen halt alle dazu in der Pandemie. Auch der Profifußball.

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