Dass der SV Werder Bremen in den ersten beiden Saisonspielen gegen den Rekordmeister FC Bayern München und den Europapokal-Teilnehmer SC Freiburg viele Punkte holen wird – diese Vorstellung hätten vor dem Ligastart wohl selbst kühnste Optimisten mit einem müden Kopfschütteln quittiert. Ganz einfach, weil sie angesichts der Qualität der beiden Gegner doch arg unwahrscheinlich war – und es kam dann ja auch anders. 0:4 und 0:1. Ohne jeden Zähler stehen die Bremer nach zwei von 34 Partien da, was unschön, für sich betrachtet aber sicher noch kein Drama ist.
Und dennoch herrscht rund um den Verein, bei Fans und in der Öffentlichkeit: Drama-Stimmung. Die Geduld vieler Anhänger mit dem Trainer, der Mannschaft und den Verantwortlichen, sie scheint bereits aufgebraucht. Was man einerseits überraschend finden, andererseits aber auch nachvollziehen kann. Je nachdem, wie weit man die Perspektive fasst, aus der man Werder Bremen im Sommer 2023 betrachtet.
„Es ist einfach bitter, weil die Jungs heute mehr verdient gehabt hätten“, gab ein zerknirschter Cheftrainer Ole Werner nach der Last-Minute-Pleite in Freiburg mit dem Gegentor in der 96. Minute zu Protokoll – hielt aber auch fest: „Trotzdem ist es so, dass es unsere Leistung unter dem Strich nicht schlechter macht.“ Sehr positiv sei die im Europapark-Stadion nämlich gewesen, und in der Tat waren die Bremer dem favorisierten Gegner um Trainer Christian Streich lange Zeit auf Augenhöhe begegnet, hatten mutig agiert und schlau verteidigt.
Nur eben nicht bis zum Abpfiff. Flanke von Noah Weißhaupt, Abschluss von Ex-Bremer Maximilian Philipp, und ein zuvor guter Nachmittag lag in Scherben. Was Werner ärgerte. „Wir sind am Flügel eigentlich in einer Zwei-gegen-eins-Situation, sind aber viel zu passiv. Und dann wird es eben im Zentrum irgendwann auch schwer, alles wegzunehmen“, sagte der Trainer, ehe er zu einem versöhnlichen Fazit kam: „Ich glaube, dass wir heute einen Schritt in die richtige Richtung gemacht haben, denn es war zu sehen, dass die Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen, funktionieren kann. Deshalb stimmt mich die Leistung optimistisch.“
Womit wir wieder bei den unterschiedlichen Perspektiven wären, aus denen Werders Lage betrachtet werden kann. Gemessen an den bisherigen Pflichtspielen, drei an der Zahl, ist Werners Worten nicht zu widersprechen, denn die Leistungssteigerung, die zwischen dem blamablen Pokal-Aus bei Drittligist Viktoria Köln und dem Freiburg-Spiel eingesetzt hat, ist unverkennbar. Für mehr Geduld des Umfelds, für Ruhe und Zuversicht in großen Teilen des Fan-Lagers, hat sie aber nicht gesorgt. Im Gegenteil: Viel Kredit, so wirkt es dieser Tage, haben der Trainer und seine Werder-Mannschaft nicht mehr. Weil die sportliche Durststrecke unter Werner eben schon viel länger andauert als seit dem Pflichtspielstart 2023/24.
Zur Erinnerung: Werder landete in der Rückrunden-Tabelle der vergangenen Saison auf dem vorletzten Platz, punktgleich mit Schlusslicht und Absteiger Hertha BSC. Seit Januar gab es bis zur Sommerpause in 19 Ligaspielen satte zwölf Niederlagen bei drei Unentschieden und vier Siegen. Am Ende rettete sich Werder zwar dank der starken Hinrunde trotzdem vor dem Abstieg, setzt den sportlichen Negativtrend seit dem Ende der Sommerpause aber nahtlos fort.
Bereits das Pokal-Aus in Köln ließ direkt wieder alle Alarmglocken schrillen. Bis heute wirkt es wie ein Resonanzverstärker, der den Unmut nach weiteren Misserfolgen noch lauter erklingen lässt. Die berechtigten Fragen, sie werden jedenfalls drängender: nach Werners Auswechslungen, seinen Personalentscheidungen sowie nach der Qualität einzelner Profis.
Kader laut Werner noch nicht fertig
„Wir müssen uns entwickeln. Positive Erlebnisse beflügeln diese Entwicklung natürlich, wenn du die Belohnung für ein gutes Spiel bekommst. Wenn nicht, ist es anstrengender. Dagegen musst du dann angehen“, sagte der Trainer, ehe er zum wiederholten Male darauf hinwies, dass der Kader noch nicht fertig sei: „Wir haben noch Bewegung drin.“ Bekanntlich soll ein Linksverteidiger kommen und könnte Stürmer Niclas Füllkrug noch gehen, was weitere Neuverpflichtungen nach sich ziehen dürfte. Spätestens am Freitag, 18 Uhr, wird Klarheit herrschen, dann schließt das Transferfenster, ehe Werder tags darauf den FSV Mainz 05 empfängt. Dann sollen sie möglichst erstmals in dieser Saison bei Werder auf positive Art und Weise zusammenpassen, die Leistung und das Ergebnis.
„Wir müssen es weiter analysieren, weiter an uns arbeiten und weiter zusammenhalten“, forderte Routinier Christian Groß nach dem 0:1 in Freiburg und schickte eine gute Portion Pragmatismus hinterher: „Wir haben jetzt zwei Ligaspiele verloren, deshalb gilt es, das dritte Spiel gegen Mainz zu gewinnen.“ Fraglos würde das wieder für mehr Ruhe rund um den Verein sorgen, würde den seit Januar anhaltenden Negativtrend stoppen – und womöglich dazu führen, dass die Perspektive aus der Ole Werner die Auftritte seines SV Werder betrachtet, auch bei den Fans wieder mehr verfängt.