Als Marco Friedl in die Interview-Zone der Red-Bull-Arena von Leipzig kam, da zog er einen Vergleich, der viele Fans des SV Werder Bremen kurz erschaudern lassen wird. „Es ist schwierig, in Worte zu fassen. Mit dem Abstieg letztes Jahr war es das schlimmste Spiel, was man haben kann“, meinte der Kapitän nach der so bitteren 1:2 (0:0)-Niederlage bei RB Leipzig. Die Gäste waren durch das 1:0 von Leonardo Bittencourt (70.) nach einer wahren Energieleistung beim Champions-League-Anwärter schon Richtung Klassenerhalt abgebogen, erlebten dann aber durch die späten Gegentore von Willi Orban (87.) und Dominik Szoboszlai (90.+6) einen Totalschaden. Zwei Spieltage vor dem Saisonende haben die Grün-Weißen zwar fünf Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz, den der VfB Stuttgart belegt, aber es kann noch richtig unangenehm werden. Zumal Werder aus den letzten zehn Spielen nur einen Sieg und zwei Unentschieden geholt hat.
„Wir müssen noch einen Punkt holen“, forderte Friedl. Doch genauso wie seine Kollegen und auch Trainer Ole Werner wollte er sich nicht intensiv mit dem Thema Abstiegskampf beschäftigen. Zu sehr bewegte die Bremer diese unglückliche Pleite in Leipzig. „Wir haben in einem super Auswärtsspiel wieder individuelle Fehler gemacht. Am Ende sind wir Verteidiger wieder die Idioten, die zwei Gegentore kassieren – zum zehnten Mal in Folge“, ärgerte sich Friedl über eine desaströse Statistik. Genauso wie auch Marvin Ducksch: „Wir müssen seit gefühlt zwölf Spielen drei Tore schießen, um ein Spiel gewinnen zu können. Das müssen wir dringend besser machen als ganze Mannschaft.“
Werder Bremen: Groß fällt kurzfristig aus
Werder-Coach Ole Werner hatte erneut umstellen müssen. Zwar stand der unter der Woche pausierende Milos Veljkovic zur Verfügung, dafür fiel Christian Groß kurzfristig mit Knieproblemen aus und verlängerte die Bremer Ausfallliste (Niclas Füllkrug, Amos Pieper, Felix Agu, Dikeni Salifou). Für Groß durfte Ilia Gruev als Sechser ran, es war die einzige Startelf-Veränderung im Vergleich zur 1:2-Heimpleite gegen den FC Bayern vor einer Woche. Also stürmte erneut Romano Schmid als Füllkrug-Ersatz an der Seite von Marvin Ducksch.
Durch die Ergebnisse der Konkurrenz war die Bremer Abstiegsgefahr vor der Partie noch nicht gebannt. Was Werner bei einem Aufsteiger als normal ansieht, aber er gestand auch kurz vor dem Anpfiff bei DAZN: „Wir haben in den letzten Wochen zu wenig Punkte geholt. Dafür gibt es aber Gründe. Man sieht ja auch heute, mit was für einem schmalen Kader wir hier sind.“ Statt der erlaubten 20 Spieler standen Werner verletzungsbedingt nur 18 Profis zur Verfügung. „Wir wollen trotzdem versuchen, mit einem Sieg den Deckel drauf zu machen“, gab sich der Coach kämpferisch.
Erst mal ging es Werder darum, das 0:0 zu halten. Die Bremer agierten sehr defensiv, machten dort diszipliniert die Räume eng und gestatteten den Gastgebern dadurch lange Zeit keine Chance. Erst nach 20 Minuten kam Timo Werner nach einem rasanten Spielzug zu einer guten Möglichkeit, zielte aber zu hoch. Später griff Dominik Szoboszlai in die Trickkiste und zirkelte eine Ecke an den kurzen Pfosten – etwas Glück für Werder (42.). Nach vorne ging bei den Gästen gar nichts. Vor allem von Ducksch war überhaupt nichts zu sehen. Allerdings schafften es Abwehr und Mittelfeld auch nicht, den Ball mal über ein, zwei Stationen nach vorne zu bringen. Meistens war die Kugel sofort wieder weg.
Das sollte sich nach der Pause überraschend ändern, Schmid gab mit seinem Fernschuss, der knapp am Pfosten vorbeirauschte, das Startsignal (55.). Ducksch scheiterte per Direktschuss nach Vorarbeit von Mitchell Weiser am stark reagierenden Janis Blaswich (64.) – und Bittencourts Kunstschuss landete über dem Tor (65.). Werder war plötzlich die bessere Mannschaft, rannte dabei aber fast ins Verderben. Denn Christopher Nkunku schloss einen Konter mit dem vermeintlichen 1:0 ab (66.). Doch der Video-Schiedsrichter beendete den Leipziger Jubel und schickte den Unparteiischen Florian Badstübner an den Spielfeldrand. Der sah auf dem Bildschirm einen Schubser von Mohamed Simakan an Bittencourt im Vorfeld des Konters und entschied auf Freistoß Bremen. Eine knifflige Entscheidung. „Das war die kleinliche Linie, die der Schiedsrichter gefahren ist. Deshalb muss er Foul geben, auch wenn es wenig danach aussieht“, meinte Bittencourt.
Die Leipziger hatten es anders gesehen, sie tobten. Nun war richtig Feuer und Hektik im Spiel. Das wusste Werder zu nutzen. Weiser überraschte die RB-Abwehr mit einem langen Einwurf auf Ducksch, der fast von der Grundlinie aus Jens Stage ins Spiel brachte. Und der bediente Bittencourt, der völlig freistehend das 1:0 erzielte – ein super Tor (70.). Die Gäste konnten ihr Glück kaum fassen, waren zum Teil aber auch mit ihren Kräften völlig am Ende. Von Krämpfen geplagt mussten Ducksch und Gruev runter (76.), für sie kamen Maximilian Philipp und Niklas Schmidt. Danach mussten auch Bittencourt (78.) und Schmid (86.) runter. Eren Dinkci und Manuel Mbom sollten den Vorsprung verteidigen.
Aber das gelang nicht, weil der Leipziger Druck zu groß wurde. Hatte Pavlenka gegen Nkunku noch grandios pariert (77.), war er beim Kopfball von Willi Orban chancenlos (87.). Zuvor hatten Stage und Anthony Jung eine Millisekunde nicht aufgepasst. Und es kam noch schlimmer für die Gäste! Nach einem ärgerlichen Ballverlust von Stark an der Außenlinie düpierte Nkunku die Bremer Abwehr – inklusive eines zockenden Friedls – und legte Szoboszlai kurz vor dem Ende noch das 2:1 auf (90.+6). Werder war geschockt und muss nun weiter um den Klassenerhalt bangen. Nächsten Samstag gibt es einen weiteren Matchball im Heimspiel gegen den 1. FC Köln