Es kommt sehr selten vor, dass Frank Baumann und Clemens Fritz ein gemeinsames Interview geben. Für das Jubiläumsmagazin des WESER-KURIER über „125 Jahre grün-weiße Liebe“ machten die beiden Ehrenspielführer eine Ausnahme und sprachen über das, was sie verbindet: Beide waren erfolgreiche Werder-Kapitäne auf dem Feld, beide haben danach Verantwortung in der Vereinsführung übernommen. „Es zeichnet Werder aus, dass die Verantwortung weitergegeben wird“, betont der am Saisonende ausscheidende Baumann in dem Gespräch, „wir haben als Spieler auch zwei Werderaner in verantwortlichen Positionen erlebt, die den Weg vom Spieler zum Manager oder Trainer gegangen sind: Thomas Schaaf und Klaus Allofs. Die konnten aus der Historie des Vereins erzählen, haben Werder aber auch weiterentwickelt und an die nächste Generation übergeben. Das ist heute auch für uns eine spannende Aufgabe.“
Fritz gilt als logischer Nachfolger für Baumanns Rolle als Sport-Geschäftsführer. Er weiß aber schon jetzt als „Leiter Profifußball“ bei Werder, dass der Alltag in einem solchen Traditionsverein turbulent sein kann. „Es ist wirklich sehr spannend, und die vielen Emotionen finde ich dabei besonders wichtig“, sagt Fritz, „es gehört beim Fußball dazu, dass auch mal kontrovers diskutiert wird. Nur so kommt man vorwärts. Wenn alle immer einer Meinung wären, würde das nicht richtig funktionieren. Man steht dann auch mal im Wind. Aber im Endeffekt haben wir doch alle nur ein Ziel: Wir wollen, dass Werder erfolgreich ist.“
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Baumann ist seit 2016 bei Werder in der Verantwortung, in dieser Zeit hat er alle emotionalen Eskalationsstufen erlebt – durch Kritik von außen, aber auch von innen, also innerhalb der berühmt-berüchtigten Werder-Familie. Diese grün-weiße Familie sei deutlich größer als eine normale Familie, erklärt Baumann rückblickend, „deshalb ist es auch so spannend, ein Teil davon zu sein. Wie in jeder Familie gibt es schöne Momente und schwierigere, wo man auch mal unterschiedlicher Meinung ist. Es ist oft ein Ringen um Argumente.“
Dass er sein halbes Leben in Bremen verbringen würde, war gar nicht geplant, passt aber zum Menschen Baumann, der nicht besonders sprunghaft ist. „Ich hatte nicht viele Vereine in meiner Karriere, auch Nürnberg war ich lange treu“, unterstreicht er, „für mich hat der Wechsel zu Werder 1999 sehr gut gepasst. Ich hatte sportlich und finanziell bessere Angebote. Aber hier hatte ich das Gefühl, dass die Stadt und der SV Werder gut zu mir passen. Dieses Phänomen ist in allen Generationen zu finden, dass Spieler hergekommen und dann gerne in Bremen geblieben sind. Die Kombination aus Stadt und Verein ist sehr lebenswert.“
Anfangs kannten beide den SV Werder nur aus der Ferne. Ihre ersten Erinnerungen an Bremer Fußball sind unterschiedlich. Baumann, der in der Nähe von Würzburg aufwuchs, fieberte als Jugendlicher vor dem Fernseher mit, wenn Werder international spielte: „Damals hat man wenig Bundesliga im Fernsehen sehen können, deshalb waren die internationalen Spiele echte Highlights. Da habe ich Werder gerne gesehen, da waren ja einige sehr besondere Spiele dabei. Die Wunder von der Weser gehören definitiv zu meinen Kindheitserinnerungen.“ Fritz wuchs in Erfurt auf. „In den neuen Bundesländern war Werder sehr präsent“, erzählt er, „ich erinnere mich an ein Spiel von Rot-Weiß Erfurt gegen Werder, das war ein Highlight, und so bekam ich langsam eine Beziehung zu dem Verein. Einer meiner Mitspieler in der Erfurter Jugend war großer Werder-Fan. Als ich später zu Werder wechselte, hat er sich total gefreut. In den neuen Bundesländern genießt Werder bis heute viele Sympathien.“
Ganz unterschiedlich antworten die beiden Werder-Legenden auf die Frage, welches Spiel sie gerne noch einmal spielen würden – aber diesmal mit einem besseren Ergebnis. Fritz würde sofort das verlorene Uefa-Cup-Endspiel 2009 gegen Donezk nehmen: „Wir waren so nah dran an einem großen, historischen Titel. Wir hatten personell viele Ausfälle vor diesem Finale, mussten ohne Diego, Almeida und Mertesacker spielen – ich bin davon überzeugt, dass wir mit den Dreien gewonnen hätten. Nach der Niederlage fühlte es sich an, als hätten wir etwas hergeschenkt. Da war für Werder viel mehr drin.“
Baumann würde sich für ein Spiel aus der Abstiegssaison entscheiden, als er nicht mehr Kapitän, sondern Manager war: „Ich würde den vorletzten Spieltag der Saison 2020/21 nehmen, das Spiel in Augsburg. Dort zu verlieren, war sportlich extrem bitter und unnötig – und es war natürlich folgenschwer, weil damit der Abstieg quasi besiegelt war. Danach kam es zur Trennung von Florian Kohfeldt.“
Mit Blick auf die nächste Zeit ist es Fritz besonders wichtig, die Fans für die bedingungslose Unterstützung zu belohnen: „Wir haben die Fans in den vergangenen Jahren nicht oft verwöhnt. Die Zuschauer haben uns aber unheimlich viel zurückgegeben. Gerade in der Zeit, als es nicht so gut lief, ist das Verhältnis zwischen Fans, Verein und Mannschaft sehr viel enger geworden als zum Beispiel in den Jahren mit Champions-League-Spielen. Die Leute haben ein sehr feines Gespür, dass wir ihre Unterstützung brauchen. Wir wollen unseren Zuschauern, den Fans und der Stadt deshalb auch wieder etwas zurückgeben.“
Das komplette Doppelinterview mit Frank Baumann und Clemens Fritz gibt es im Jubiläumsmagazin.