Bei der ersten Frage zu seiner Vision blieb Clemens Fritz noch ein bisschen vage, doch dann präsentierte der künftige Geschäftsführer Fußball des SV Werder Bremen eine klare und mutige Zielsetzung: „Wir wollen perspektivisch wieder eine Rolle spielen im Windschatten der internationalen Plätze. Sportlicher Erfolg wäre für mich, mal wieder in Europa vertreten zu sein, daran lasse ich mich gerne messen. Aber wir werden auch keine wilden Sachen machen.“ Ab dem 1. Juli ist der 43-Jährige offiziell Nachfolger von Frank Baumann (48), der sich nach acht Jahren freiwillig aus diesem Amt zurückziehen wird.
Das gab Werder am Donnerstagmittag auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt, nachdem die Entscheidung des Aufsichtsrats am Abend zuvor für Fritz via „Bild“ durchgesickert war. So ist nach Informationen unserer Deichstube der Vertrag mit dem neuen Geschäftsführer noch gar nicht bis ins letzte Detail ausgehandelt. Geklärt werden muss auch die Frage, wer künftig die Aufgaben von Fritz als Leiter Profifußball übernimmt. Dafür soll sich der gebürtige Erfurter dem Vernehmen nach mit einigen Ex-Profis beschäftigen. Öffentlich wollte er sich noch nicht in die Karten schauen lassen: „Ich habe meine Gedanken im Kopf, möchte mich da aber auch erst mit meinen künftigen Geschäftsführer-Kollegen abstimmen.“
Clemens Fritz ist schon seit 2006 bei Werder
Die kennt Fritz freilich bestens. Als Ex-Spieler, Ehrenspielführer, Trainee und nun leitender Angestellter ist er länger im Club als alle anderen in dem Führungsgremium – seit 2006 schon. Sukzessive wurde Fritz in den letzten Jahren als Kandidat für den Posten des Geschäftsführers aufgebaut. Und so stand er im November nach Baumanns Ankündigung vom Rückzug auch gleich in der Pole Position. „Wir hatten den Vorteil, dass wir Clemens schon sehr lange kennen und schätzen“, berichtete Hubertus Hess-Grunewald als Aufsichtsratsvorsitzender. Fritz habe dem Kontrollgremium seine Arbeit und seine Ideen ausführlich präsentiert. „Clemens war die Benchmark – und wir sind in den Markt gegangen, um zu gucken, ob wir jemanden finden, der besser ist“, so Hess-Grunewald.
Geholfen hat dabei die Agentur „High Performance Sports Institute“ von Bernhard Peters, dem ehemaligen Hockey-Bundestrainer und Ex-Sportdirektor des Hamburger SV. Fünf Kandidaten standen dann auf einer Shortlist, sie wurden genau unter die Lupe genommen und zu Gesprächen eingeladen. In dieser Woche waren nach Informationen unserer Deichstube neben Fritz nur noch drei Bewerber im Rennen – darunter auch Andreas Schicker von Sturm Graz.
Am Mittwochabend tagte dann der Aufsichtsrat, der nach dem Einstieg des regionalen Investors von sieben auf neun Personen angewachsen ist. Nach mehrstündiger Diskussion fiel die Wahl auf Fritz – einstimmig, wie Hess-Grunewald betonte. „Wir haben eine große Überzeugung in Clemens – in seine Person, in seine Handlungsfähigkeit und seine Strategie.“ Den Vorwurf, der besonders in den sozialen Medien mehrfach formuliert wurde, Fritz habe schon von Anfang an als neuer Geschäftsführer festgestanden, wies der Aufsichtsratsvorsitzende vehement zurück: „Das war kein Scheinprozess.“ Ansonsten hätte sich Werder viel Geld und Zeit sparen können.
Allerdings soll sich am Ende auch die etwas vorsichtigere Fraktion in der Werder-Welt durchgesetzt haben. Der Klub hat sich gerade erst stabilisiert – sportlich wie wirtschaftlich. Das ist auch ein Verdienst von Baumann und damit auch von Fritz. Diesen Weg nun durch einen neuen Geschäftsführer möglicherweise zu verlassen, weil der natürlich eigene Akzente setzen möchte, erschien vielen als zu riskant. Auch die beiden Vertreter des neuen strategischen Partners, die dem Kontrollgremium angehören, sollen da eher für das Bekannte als das Unbekannte eingetreten sein, um den Verein bei allem Wunsch nach Erneuerung und Modernisierung mit Veränderungen nicht zu überfordern.
„Ich werde keinen fundamentalen Umbau einleiten, sonst hätte ich in den letzten Jahren etwas falsch gemacht“, sagte Fritz ganz passend dazu. Er möchte nicht als ein Baumann 2.0 wirken, „sondern als Clemens Fritz wahrgenommen werden“. Aber der 43-Jährige weiß natürlich, dass nun noch mehr auf ihn geschaut wird. „Für mich war dieser Auswahlprozess ganz wichtig“, sagte Fritz: „Ich wollte nicht, dass rüberkommt, dass die einfachste Lösung gefunden wurde.“
Die Kritik an seiner Person ist ihm nicht verborgen geblieben, immer mal wieder wird seine Kompetenz in Frage gestellt. „In der heutigen Zeit ist es doch völlig normal, dass du es nicht allen recht machen kannst und nicht jeder Fan von dir ist“, sagte Fritz und setzte sein typisches Lächeln auf: „Ich habe sicherlich den kleinen Vorteil, dass ich das ein Stück weit gewohnt bin. Als Spieler mochte mich auch nicht jeder. Das ist völlig okay und beschäftigt mich nicht. Mir ist nur wichtig: Ich will meinem Anspruch und dem von Werder Bremen und den Fans gerecht werden. Dafür werde ich alles tun, damit wir alle gemeinsam eine tolle Zukunft vor uns haben.“