Der bis dahin so souveräne Niclas Füllkrug wirkte ganz kurz etwas irritiert. „Wird das Nebelhorn etwa auch beim Länderspiel im Weserstadion abgespielt?“, antwortete der Nationalspieler am Sonntag in Frankfurt bei einer DFB-Pressekonferenz auf die Frage, wie oft er denn am Montag beim Länderspiel in Bremen gegen die Ukraine (18 Uhr) mit dem berühmten Signalton für die Tore seines SV Werder rechne. „Es wäre schon sehr cool, das zwei-, dreimal zu hören“, grinste Füllkrug. Und nach Informationen unserer Deichstube wurde wenig später auf Bitte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) das Bremer Nebelhorn für Montagabend scharf gestellt – was bei Länderspielen eigentlich nicht üblich ist, da macht der DFB normalerweise sein eigenes Ding. Aber diese Partie stellt ohnehin eine große Besonderheit dar, nicht nur für Füllkrug, der am Sonntag auch über seine Zukunft sprach und Werders Transfer-Coup Naby Keita feierte.
„Es wird ein tolles Gefühl sein, mit dem Bus der Nationalmannschaft den Osterdeich entlang zu fahren und dann mit dem Adler auf der Brust im Weserstadion einzulaufen. Das hat mehrere besondere Gründe für mich“, erzählte Füllkrug: „Ich bin ja nicht nur aktuell Spieler von Werder Bremen, sondern habe hier in diesem Stadion fünf Jahre im Internat gewohnt. Es in diesem Stadion vom Jugendspieler bis in die Nationalmannschaft geschafft zu haben, ist etwas ganz Besonderes für mich.“
Bundestrainer Hansi Flick kennt diese Geschichte natürlich. Dazu gehört auch noch, dass Füllkrug erst im Herbst seiner Karriere kurz vor der WM im vergangenen Winter Nationalspieler geworden ist. Und deshalb machte Flick auch eine Ausnahme und verriet schon am Tag vor dem Spiel, dass Füllkrug in seiner sportlichen Heimat in der Startelf stehen wird. „Niclas ist einer, der einer Mannschaft guttut. Er geht sehr gut voran“, lobte der Bundestrainer. Über dessen Zukunft habe er mit dem Angreifer aktuell aber noch nicht gesprochen.
Werder Bremen: Füllkrug-Vertrag läuft bis 2025
Laut Füllkrug gibt es auch wenig zu berichten. „Ich bin total entspannt. Es ist alles ziemlich ruhig. Ich glaube, dass man nach dieser Länderspiel-Phase mit Werder intensiver in die Gespräche gehen wird.“ Sein Vertrag läuft zwar noch bis 2025, aber nach seiner starken Saison mit der Krönung zum Torschützenkönig denkt der 30-Jährige durchaus über einen Wechsel nach – genauso wie Werder. Denn es winkt eine hohe Ablösesumme. Bei 20 Millionen Euro würden die Bremer wohl schwach werden und ihren besten Mann ziehen lassen. Auf eine so hohe Einnahme kann der Club aufgrund der Verbindlichkeiten nicht verzichten. Doch noch gab es kein entsprechendes Angebot. Allerdings springt der Transfermarkt in England und in Spanien erst in ein paar Wochen so richtig an – und eigentlich sind nur von dort die wirklich interessanten Offerten zu erwarten.
Füllkrug macht sich dabei überhaupt keinen Druck, wenngleich der Zeitfaktor irgendwann schon wichtig werden dürfte. Denn Ungewissheit über die Zukunft oder ein sehr später Wechsel könnten sich auch negativ auf die eigene Leistung auswirken – was gerade für einen Nationalspieler in der Saison vor einem großen Turnier nicht unbedeutend wäre. „Wir brauchen nicht darüber zu sprechen, dass die EM eine wichtige Rolle für mich spielt. Ich kann aber einfach nur sagen: Ich werde die Entscheidung am Ende aus vollster Überzeugung treffen. Da muss schon alles passen – die Situation, die Konstellation. Werder Bremen spielt da auch immer eine Rolle“, betonte Füllkrug.
Wie grün-weiß der Stürmer noch denkt, demonstrierte er beim Thema Naby Keita. „Das ist ein extrem guter Transfer. Es war allen klar im Verein, dass wir schon noch an Qualität gewinnen müssen, dass wir noch den einen oder anderen Unterschiedsspieler brauchen. Dann einen Spieler ablösefrei vom FC Liverpool zu verpflichten, das ist unglaublich stark und ein gutes Zeichen nach außen für weitere Transfers und die aktuelle Situation von Werder.“ Füllkrug darf es auch als Signal an sich selbst verstehen, schließlich hatte er zuletzt am lautesten Verstärkungen für die neue Saison gefordert.
Werder könnte nun wieder bessere Karten im Verhandlungspoker mit dem Angreifer haben. Ihm soll in diesem Monat noch ein Angebot über eine vorzeitige Vertragsverlängerung unterbreitet werden – mit deutlich verbesserten Konditionen. Denn vor einem Jahr hatten beide Parteien bei der letzten Verlängerung noch vereinbart, dass Füllkrug ab dem 1. Juli 2023 20 bis 30 Prozent weniger verdient – aus Rücksicht auf die finanziell schwierige Lage des SV Werder. Und Füllkrug wollte die Sicherheit der längeren Laufzeit. Nun wirkt es schon absurd, dass der beste Spieler nach seiner besten Saison plötzlich weniger bekommt.
Im Kontext mit der Partie gegen die Ukraine wirkt das alles freilich noch absurder. Denn es geht im 1000. Länderspiel einer deutschen Nationalmannschaft auch darum, möglichst viel Geld für das vom Krieg gebeutelte Land zu sammeln. Füllkrug gab sich auch bei diesem Thema einmal mehr offen und ehrlich. „Man muss ja leider als Mensch zugeben, dass wir uns alle ziemlich schnell an Situationen gewöhnen – gute wie schlechte. Man hat nicht mehr so den Fokus darauf wie zu Beginn. Das ändert aber nichts daran, wie schlimm es ist. Das sieht man ja gerade. Diese ganzen Überschwemmungen sind der Wahnsinn“, sagte der Nationalspieler: „Ich würde mich freuen, wenn die Jungs aus der Ukraine einen tollen Tag mit uns erleben. Sie haben sicher gerade viele andere Dinge im Kopf. Und ich hoffe, dass wir ganz viel Geld zusammenbekommen, um vor Ort zu helfen.“