Top-Neuzugang Wie Werder Naby Keita von sich überzeugen konnte

Mit dem Transfer von Naby Keita ist Werder Bremen ein echter Coup gelungen. Wie es zu der Verpflichtung kam und wie der Neuzugang tickt, erfahren Sie hier.
09.06.2023, 17:58 Uhr
Lesedauer: 6 Min
Zur Merkliste
Von Marius Winkelmann Björn Knips

Frank Baumann ist ganz ehrlich. „Am Montag habe ich es auch noch für unrealistisch gehalten, dass es wirklich klappt“, gesteht der Sportchef von Werder Bremen im Gespräch mit unserer Deichstube. Gemeint ist die Verpflichtung von Naby Keita, dem Topspieler des FC Liverpool, der vor fünf Jahren die satte Ablösesumme von 60 Millionen Euro in die Kasse von RB Leipzig gespült hat. Nun wechselt der Champions-League-Sieger ablösefrei zum SV Werder, was europaweit für Aufsehen gesorgt hat – und Baumann zufrieden feststellen lässt: „Wir haben es als Werder in der Vergangenheit immer mal wieder geschafft, Spieler von uns zu überzeugen, die unrealistisch erschienen. Ich denke da zuletzt an Max Kruse, Davy Klaassen oder Serge Gnabry. Auch bei Naby Keita war es wieder eine tolle Teamarbeit.“ Baumann blickt auf spannende Stunden mit Keita in Bremen zurück und erklärt, wie sich Werder den Transfer des 28-Jährigen leisten kann, wie das Thema Verletzungen gesehen und wann der Mittelfeldspieler in sein grün-weißes Abenteuer starten wird.

„Vor zwei, drei Monaten haben wir zum ersten Mal vom Wunsch gehört, dass Naby gerne in die Bundesliga zurückkehren möchte“, berichtet Baumann. Große Hoffnungen hätten sich die Bremer Verantwortlichen zwar nicht gemacht, „aber wir sind dran geblieben“. Dabei habe auch das gute Verhältnis zur Berateragentur Roof geholfen. Immer wieder wurde der Kontakt zu Keita gesucht und ihm aufgezeigt, dass in der Vergangenheit schon viele Profis mit einer Delle in ihrer Karriere in Bremen wieder zu alter Stärke gefunden haben. „Wir bieten solchen Spielern ein gutes Umfeld. Da genießen wir nach wie vor einen guten Ruf. Dazu kommt unsere Art des Fußballs. Und wir haben ihm natürlich das Gefühl gegeben, dass er hier gebraucht und eine wichtige Rolle spielen wird.“

Naby wollte zu uns, weil er hier die größten Chancen sieht, wieder in Topform zu kommen

Der neue Kaderplaner Johannes Jahns habe entscheidend mitgewirkt. Der kennt Keita noch aus gemeinsamen Zeiten bei RB Salzburg. Man vertraut sich. Auch Clemens Fritz als Leiter Profifußball sei an diesem Transfer stark beteiligt gewesen, genauso wie Ole Werner. Gemeinsam mit seinen Analysten habe der Coach dem umworbenen Spieler Werders Fußball intensiv erklärt und schmackhaft gemacht. Und zwar direkt vor Ort in Bremen. Seit Mittwoch weilte Keita schon in der Hansestadt, dabei aber fast nur im Weserstadion. Alles sollte möglichst geheim bleiben. Schließlich gab es jede Menge Konkurrenz. „Naby hatte sportlich und wirtschaftlich wesentlich bessere Angebote, aber am Ende wollte er zu uns, weil er hier die größten Chancen sieht, wieder in Topform zu kommen“, sagt Baumann, betont aber zugleich: „Er wird bei uns sicher einer der Topverdiener sein, aber er sprengt nicht unser Gehaltsgefüge. Wir können das stemmen.“ Keita habe auf viel Geld verzichtet.

Und was ist mit den vielen Verletzungen in seiner Karriere? Ist das Risiko nicht zu groß? Als sie seine Akte gesehen haben, seien die Mediziner in Bremen schon etwas skeptisch gewesen, so Baumann: „Aber sie waren sehr angetan, in welchem Zustand er aktuell ist. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Sorge.“ Den Medizincheck habe der guineische Nationalspieler ohne Probleme bestanden.

Keita hatte es durchaus eilig. Er wollte seine Zukunft gerne vor den anstehenden Spielen mit der Nationalmannschaft geklärt wissen. Danach bekommt er wie die anderen Bremer Nationalspieler noch ein bisschen Urlaub, eine Woche vor dem Trainingslager im Zillertal (19. bis 29. Juli) soll er dann zu seiner neuen Mannschaft stoßen. In Bremen wird ihn ein großer Hype erwarten, denn sein Transfer wird schon mit Verpflichtungen von Legenden wie Johan Micoud und Diego auf eine Stufe gestellt. Doch da tritt Baumann bei aller Freude ein bisschen auf die Bremse: „Wir sind sicherlich alle sehr, sehr happy, dass Naby bald bei uns ist. Aber wir tun ihm keinen Gefallen damit, solche Vergleiche anzustellen. Er soll für sich stehen – und wird das auch tun.“

Zur Sache

So tickt Naby Keita

Naby Keita wurde am 10. Februar 1995 in Conakry in Guinea geboren. 2013 wechselte er aus seiner Heimat in die Jugend des FC Itres in Frankreich, wo er noch im selben Jahr den Sprung in die 1. Mannschaft schaffte und sein Debüt bei den Profis feierte. In seiner Premieren-Saison in der Ligue 2 erzielte er acht Tore in 23 Einsätzen.

Im Sommer 2014 wurde der österreichische Erstligist RB Salzburg auf den zentralen Mittelfeldspieler aufmerksam und verpflichtete Keita für 1,5 Millionen Euro Ablöse. Federführend involviert: Johannes Jahns, jetzt Werder Bremens neuer Kaderplaner, der als einer der Entdecker des Nationalspielers aus Guinea gilt und auch vor dem Werder-Wechsel den Kontakt zu seinem ehemaligen Schützling hergestellt hat.

Mit Salzburg feierte der 1,72 Meter große Profi auf Anhieb das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg. In der Folgesaison erkrankte Keita zwar an Malaria und musste mehrere Wochen pausieren, danach kam er allerdings noch stärker zurück, erzielte zwölf Tore in 29 Partien und wurde zum Spieler der Saison gewählt. Aus Österreich ging es weiter nach Sachsen: Für 30 Millionen Euro wechselte Keita zu RB Leipzig in die Bundesliga, wo der ballsichere Zentrumsspieler von 2016 bis 2018 spielte und in 60 Partien 20 Tore erzielte.

Doch es lief nicht alles immer so glatt wie auf dem Rasen: Abseits des Platzes sorgte Keita wegen einer Führerschein-Affäre für Negativ-Schlagzeilen. Anfang Dezember 2016 und sechs Wochen später soll er mehrfach eine gefälschte Fahrerlaubnis aus seiner Heimat Guinea vorgezeigt haben. Wenig später wurde er wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 415.000 Euro verurteilt. Nach einem erfolgreichen Einspruch seines Anwalts wurde die Summe noch auf eine Viertelmillion Euro reduziert. Um einen öffentlichen Prozess kam er herum.

Sportlich machte Keita in Leipzig vor allem mit seinen herausragenden Leistungen auf sich aufmerksam. Zahlreiche europäische Topclubs wollten ihn verpflichten. Den Zuschlag erhielt letztlich der FC Liverpool – für schlappe 60 Millionen Euro.

Obwohl Keita in seiner Premieren-Saison mit den "Reds" auf Anhieb die Champions League gewann, konnte der begnadete Fußballer in seinen fünf Jahren an der Anfield Road allerdings nie richtig durchstarten, was vor allem einen Grund hatte: sein wiederkehrendes Verletzungspech. In der abgelaufenen Saison 2022/23 kam er unter anderem wegen einer hartnäckigen Oberschenkelverletzung in der Premier League auf nur acht Einsätze, insgesamt brachte es der 28-Jährige auf 84 Premier-League-Spiele (sieben Tore). In einem emotionalen Abschiedsvideo des LFC für Naby Keita sorgte Trainer Jürgen Klopp nun mit einem großem Lob für Gänsehaut. „Naby ist ein außergewöhnlicher Fußballer, er ist weltklasse. Ohne jeden Zweifel“, adelte er den Werder-Neuzugang und fügte an: „Er hat hier absolut alles gewonnen, fantastische Tore erzielt. Es war absolut toll mit ihm. Ich wünsche ihm nur das Beste für seine Karriere und sein Leben.“

In schwierigen Zeiten seiner Laufbahn konnte Keita immer auf seine Familie zählen, der er auch seinen kuriosen Spitznamen zu verdanken hat: „Deco“. Der ehemalige Star-Spieler des FC Chelsea und FC Barcelona „ist der Lieblingsspieler meines Vaters. Und als ich klein war, habe ich mir seine Videos angeschaut“, erklärt Keita in einem Interview mit „werder.de“: „Ich war damals noch sehr klein, aber mein Vater sagte mir, dass ich das gleiche Potenzial haben würde wie Deco. Daraufhin hat er mir den Spitznamen Deco gegeben.“ Keita hat insgesamt sieben Geschwister und gilt als großer Familienmensch. Sowohl in Leipzig auch als auch in Liverpool lebte er sogar mit seinen jüngeren Brüdern Ibrahima Sory und Aboubacar zusammen. In einem „Bild“-Interview sagte er einst: „Meine Familie ist alles für mich, sie hat mir das alles ermöglicht und mich immer unterstützt.“

Kraft schöpft der 28-Jährige auch aus seinem Glauben. Keita ist Moslem, versucht, jeden Tag fünfmal zu beten und, sofern es die Zeit zulässt, freitags in die Moschee zu gehen. Keita: „Ich glaube an Gott, er leitet meinen Weg.“ Privat hat er ein Faible für ausgefallene Klamotten, trägt gerne Kleidungsstücke mit seinen Initialen „NK8“ (in Anlehnung an seine Lieblings-Rückennummer 8) oder Socken mit der Guinea-Flagge. Seine Arme zieren zudem einige Tattoos, unter anderem sein Name und eine Sonne, die für die Wärme stehen soll, die Keita so sehr mag.

Beraten wird Keita übrigens von der Agentur „Roof“, bei der auch die Werder-Profis Niclas Füllkrug und Manuel Mbom gelistet sind. In wenigen Wochen wird der Clubweltmeister von 2019, der sich selbst als sehr herzlichen Menschen bezeichnet, dann erstmals persönlich in der Kabine und auf dem Trainingsplatz auf seine neuen Teamkollegen treffen. Die Herzen der Werder-Fans hat er schon mit seiner Vertragsunterzeichnung höher hüpfen lassen.

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Einwilligung und Werberichtlinie

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir angegebenen Daten dazu genutzt werden, regelmäßig per E-Mail redaktionelle Inhalte des WESER-KURIER seitens der Chefredaktion zu erhalten. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Ich kann diese Einwilligung jederzeit formlos mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, z.B. per E-Mail an widerruf@weser-kurier.de.
Weitere Informationen nach Art. 13 finden Sie unter https://www.weser-kurier.de/datenschutz

Schließen

Das Beste mit WK+