Was für ein Nordderby! Nach einer extrem hart umkämpften und hochspannenden Partie triumphierte der SV Werder Bremen am Sonntagnachmittag nicht unverdient mit 3:2 (1:0) beim Hamburger SV und übernahm damit wieder die Tabellenspitze der 2. Fußball-Bundesliga. Dabei halfen den Bremern gleich zwei Handelfmeter, die Marvin Ducksch (10.) und Niclas Füllkrug (51.) sicher verwandelten. Auch für den dritten Treffer war Ducksch (76.) verantwortlich. Für den HSV, der seine erste Heimniederlage in dieser Saison kassierte und nur noch Tabellenvierter ist, trafen Jonas Meffert (46.) und Robert Glatzel (80.).
Werder-Coach Ole Werner hatte die erwartete Startelf ins Rennen geschickt – mit einer Veränderung zum Ingolstadt-Spiel. Nach seiner Gelb-Sperre kehrte Leonardo Bittencourt ins Team zurück, für ihn musste Nicolai Rapp zunächst auf der Bank Platz nehmen. Tags zuvor war die Mannschaft bei der Busabfahrt nach Hamburg von 2000 Fans am Osterdeich verabschiedet worden – mit viel Gesang und viel grün-weißem Rauch. „Das war schon ein Gänsehautmoment“, erinnerte sich Werner kurz vor dem Spiel bei Sky und meinte: „Das kann uns nur helfen. Wir hoffen, dass wir heute etwas zurückzahlen können.“
Werder übernimmt früh das Kommando im Nordderby
Doch bevor die Partie begann, setzten beide Teams noch ein wichtiges Zeichen hinsichtlich des Krieges in der Ukraine. „Wir gemeinsam für Frieden – stop war!“, stand auf einem Banner, den beide Mannschaften bunt gemischt am Mittelkreis präsentierten.
Dann stand der Fußball im Mittelpunkt – und dabei übernahmen die Gäste gleich das Kommando. Sie liefen die Hamburger sofort sehr hoch an und kamen über ihre Manndeckung schon in der gegnerischen Hälfte immer wieder in Ballbesitz. Nach nicht einmal sieben Minuten zappelte der Ball bereits im Netz des HSV-Tores.
Doch der Bremer Jubel war schnell dahin, Torschütze Leonardo Bittencourt hatte nach einem Schuss von Ömer Toprak klar im Abseits gestanden. Damit war die Szene allerdings noch nicht abgehakt. Der Video-Assistent Pascal Müller griff ein, hatte nach dem Toprak-Schuss ein Handspiel von Jonas Meffert im Strafraum gesehen. Schiedsrichter Daniel Siebert schaute sich die Szene am Spielfeldrand an und entschied auf Strafstoß. Eine harte Entscheidung, denn Meffert hatte nur knapp vor Toprak gestanden und die Hand auch recht nah am Körper gehabt.
Kurios: Bei Sky klärten die Schiedsrichter-Experten von „Collinas Erben“ auf, dass es bei einer Entscheidung auf Handspiel keinen Elfmeter hätten geben dürfen und das Tor hätte zählen müssen, weil dann das Abseits aufgehoben war. Das sei ein klarer Fall von „Deliberate play“, einer sehr speziellen Fußball-Regel. Marvin Ducksch war das alles egal, er versenkte den Strafstoß sicher zum 1:0 (10.).
HSV gleicht kurz nach der Pause aus, Werder antwortet erneut per Elfmeter
Werder machte die Führung noch mehr Mut, Niclas Füllkrug verpasste gleich zwei Mal (14. Und 18.) das 2:0. Dafür trafen dann die Hamburger, doch der Treffer von Moritz Heyer zählte nicht, weil sich zuvor Robert Glatzel mit einem Schubser gegen Toprak durchgesetzt hatte (19.). Ein Großteil der 25.000 Zuschauer in dem in Corona-Zeiten immerhin zur Hälfte gefüllten Volksparkstadion fand das gar nicht gut, es gab ein lautes Pfeifkonzert. Auch danach blieb die Laune bei den etwa 2000 Werder-Fans wesentlich besser, denn Werder drängte auf das 2:0 und hätte es auch machen müssen. Doch Christian Groß (23.), Bittencourt (30.) und vor allem Ducksch (33.) vergaben beste Chancen.
Und das sollte sich rächen – nicht mehr in Halbzeit eins, aber direkt danach. Nur 30 Sekunden nach Wiederanpfiff durfte Meffert frei vor Werder-Keeper Jiri Pavlenka zum 1:1 einschieben. Der bis dahin so aufmerksame Mitchell hatte mit seiner Hacke das Abseits aufgehoben. Der Video-Assistent hatte wieder genau hingeschaut, wie auch fünf Minuten später im Strafraum des HSV. Dort war Bakery Jatta ungeschickt in einen Weiser-Schuss gesprungen und hatte den Ball über seinem Kopf mit der Hand abgefälscht. Schiedsrichter Siebert schaute sich die Szene an und gab den zweiten Handelfmeter im Spiel. Diesmal verwandelte Füllkrug sicher zum 2:1 (51.). Was für ein irres Spiel!
Der HSV war aber nur kurz geschockt, machte Druck. Glatzel (64.) und Heyer (69.) scheiterten an Pavlenka. Dessen Kollegen machten es weniger gut, konnten das Spielgerät kaum noch behaupten, gewannen auch viel weniger zweite Bälle als vor der Pause. Nach vorne ging fast gar nichts mehr, obwohl der wild anstürmende HSV dort durchaus Räume anbot.
Werder Bremen im neunten Spiel unter Ole Werner weiter ungeschlagen
Werder-Coach Werner reagierte, brachte in der 71. Minute Rapp für Bittencourt, um im Mittelfeld wieder Stabilität zu bekommen. Das zahlte sich allerdings zunächst vorne aus, denn Rapp legte Ducksch das 3:1 auf (76.). Der Torschütze hatte sich den Ball zuvor selbst gegen Jatta geschickt erkämpft. So war es auch ein Treffer des Willens, aber noch längst nicht die Vorentscheidung. Denn der HSV schlug prompt zurück: Milos Veljkovic kam gegen Glatzel einen Tick zu spät, so verkürzte der Torjäger auf 2:3 (80.).
Bitter für Werder: Ducksch war beim eigenen Angriff vor dem Gegentreffer gefoult worden und musste verletzt raus. Schiedsrichter Siebert hatte weiterspielen lassen und Werder darauf verzichtet, selbst für eine Behandlungspause zu sorgen. Der HSV spielte weiter und traf, während Ducksch am Boden lag. Die Emotionen kochten hoch, nicht erst jetzt war es ein echtes Nordderby!
Der HSV wollte den Ausgleich, Werder verteidigte mit großer Leidenschaft und musste doch noch den Ausgleich hinnehmen. Aber es passte einfach zu diesem Spiel, dass der Treffer von Manuel Wintzheimer spät in der Nachspielzeit wegen einer Abseitsposition von Kittel nicht zählte. Werder im Glück – und dann im großen Jubelrausch. Die Revanche für die 0:2-Heimniederlage war gelungen, die Bremer sind auch im neunten Spiel unter Coach Werner ungeschlagen geblieben und dürfen weiter vom direkten Wiederaufstieg träumen. Nächsten Sonntag geht es mit dem Heimspiel gegen Dynamo Dresden weiter.
Hier können Sie den Liveticker zum Nordderby noch einmal nachlesen: