Aus heutiger Perspektive, also im Nachhinein betrachtet, war der 16. Juli 2022 so etwas wie ein erster Fingerzeig für Niklas Stark – und zwar kein besonders guter. Immerhin deutete dieser Samstag mitten im Hochsommer an, dass sein Start beim SV Werder Bremen ziemlich kompliziert werden könnte. Was er dann ja auch wurde, ehe sich Stark mit etwas Verzögerung doch noch zum absoluten Leistungsträger mauserte.
Werder Bremen: Stark mit Problemen bei taktischer Umstellung
Als die Mannschaft von Cheftrainer Ole Werner rund zwei Wochen vor dem Saisonauftakt zum Testspiel beim FC Twente Enschede antrat, fand sich der Abwehrspieler in einer Rolle wieder, für die er nicht vorrangig nach Bremen gewechselt war. Anstatt im Zentrum der Dreierkette, wo Stark als prominente Verpflichtung nach dem Abgang von Ömer Toprak von den meisten Beobachtern als gesetzt eingestuft worden war, verteidigte der ehemalige Nationalspieler auf der rechten Seite. „Ich wollte ihn gerne auf dieser Position ausprobieren“, erklärte Werner damals nach dem Spiel. Heute ist längst klar: Er tat es, weil der Neuzugang von Hertha BSC mit der Umstellung von Vierer- auf Dreierkette große Probleme gehabt hatte.
In den ersten Wochen der Saison kam Stark deshalb nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinaus. Eine Situation, die der Profi ebenso offen wie geduldig annahm. „Es ist ein neues System für mich, eine neue Idee von Fußball, die ich sehr gut finde. Aber es ist eben auch ein Prozess für mich, gerade wenn es um Drucksituationen geht“, sagte Stark im August 2022. Werders Verantwortliche wiederum bemühten sich darum, aus den Startschwierigkeiten öffentlich kein allzu großes Thema werden zu lassen, was sich auszahlen sollte. Nach abgeschlossener Eingewöhnung entwickelte sich Niklas Stark zu einer der Säulen der Bremer Mannschaft.
„Er hat etwas Zeit gebraucht. In der Vorbereitung lief nicht alles rund, er musste auch erstmal als Persönlichkeit ankommen“, sagt Ole Werner heute über Niklas Stark – und hebt hervor: „Er ist nun ein sehr wichtiger Spieler, auf und neben dem Platz.“
Auch mit Zahlen lässt sich das nach der Saison 2022/23 belegen. In 27 der 34 Ligaspiele kam der Innenverteidiger zum Einsatz, 23 Mal davon in der Startelf, viermal als Joker. Die vier Partien, in denen Stark unberücksichtigt auf der Ersatzbank schmoren musste, stammen alle aus der für ihn schwierigen Anfangsphase der Saison. Ab dem achten Spieltag hatte er dann aber seinen Stammplatz sicher, zunächst rechts in der Dreierkette, später (endlich) auch im Zentrum.
Ole Werner: "Niklas hat überwiegend sehr gute Leistungen gezeigt"
„Man versucht die bestmögliche Entscheidung für die Mannschaft zu treffen. Niklas hat als äußerer und auch als innerer Innenverteidiger überwiegend sehr gute Leistungen gezeigt“, lobt Trainer Werner. Und auch das Fazit des Spielers nach seinem ersten Jahr am Osterdeich fällt positiv aus. „Wenn man mir am Anfang gesagt hätte, dass es so läuft, dann hätte ich das sofort unterschrieben. An gewissen Dingen kann man immer arbeiten, aber insgesamt kann ich zufrieden sein“, sagt Stark.
Jetzt ist für den 28-Jährigen erstmal Urlaub angesagt. Seine Pläne dafür umreißt er mit vier Schlagworten, die nach einer ziemlich entspannten Zeit klingen: „Freunde, Familie, Strand, Ibiza.“ Irgendwo dazwischen sei auch ein Treffen mit Teamkollege Leonardo Bittencourt geplant. Die abgelaufene Spielzeit dürfte dabei ausgiebig zur Sprache kommen. Starks öffentliche Einschätzung klingt jedenfalls so: „Wir haben insgesamt eine gute Saison gespielt. Auch fußballerisch. Das ist nicht normal für einen Aufsteiger. Nichtsdestotrotz muss man klar sagen, dass wir in den letzten Spielen nicht mehr so viele Punkte geholt haben. Daran müssen wir natürlich arbeiten.“ Auf die neue Serie könne Werder aber positiv blicken. Stark nimmt in den Bremer Planungen dabei wieder eine wichtige Rolle ein – und dürfte sie dieses Mal auch von Beginn an ausfüllen können. Seine Position auf dem Platz hat er schließlich gefunden. „Ich habe jetzt viel in der Mitte gespielt, und da sind die Automatismen so, dass es gerade in dieser Form am besten ist“, sagt er.
Und auch abseits des Rasens könnte Starks Rolle während des Sommers deutlich an Gewicht gewinnen. Der Ex-Berliner gilt als sehr reflektierter Typ, dessen stets ruhige und besonnene Art von Mitspielern und Trainerteam gleichermaßen geschätzt wird. Zwar ist das Kapitänsamt bei Werder auch für die neue Saison fest an Marco Friedl vergeben. Ein Kandidat für den neuen Mannschaftsrat dürfte Niklas Stark aber allemal sein.