Sebastian Prödl verglich einst das Gastspiel beim FC Bayern München in der Allianz Arena mit dem Besuch bei einem Zahnarzt. Für die meisten Bundesligisten trifft dies in dieser Saison genauso auf Duelle mit Union Berlin zu. Kein anderes Bundesliga-Team verteidigt derart konsequent. Liegt man gegen Union erst einmal zurück, muss man ankämpfen gegen eine Betonmauer aus zehn perfekt verschiebenden Feldspielern. Am Mittwochabend bekam dies Werder Bremen zu spüren. Schuld daran waren allerdings nur sie selbst. Ungenauigkeiten und Fehler konterkarierten eine Leistung, die mit mehr Konzentration für mindestens einen Punkt genügt hätte.
Ole Werner hielt auch im letzten Spiel der Hinrunde am gewohnten 5-3-2-System fest. Niklas Schmidt rückte bei Werder Bremen neu in das Dreier-Mittelfeld. Auf der halblinken Seite interpretierte er seine Position gegen Union Berlin etwas höher, als dies zuletzt Ilia Gruev getan hatte. Gruev spielte dafür auf der Sechser-Position.
Werder Bremen überzeugte in der ersten Halbzeit mit seinem systematischen Pressing. Im Spiel gegen den Ball setzte Ole Werners Team auf gewohnte taktische Muster. Sobald Union Berlin mit drei Spielern in der Verteidigung das Spiel aufbaute, rückte Leonardo Bittencourt aus dem Mittelfeld nach vorne. Ilia Gruev übernahm seine Position. So konnte Werder im 3-4-3 hohen Druck auf die gegnerische Dreierkette ausüben. Union baute aus dem eigenen 3-5-2-System häufig mit drei Mann auf.
Union makellos in der Verteidigung
In einigen Situationen formte Union Berlin die eigene Aufbaulinie jedoch um. Der zentrale Verteidiger Robin Knoche rückte nach rechts, der rechte Innenverteidiger Danilho Doeki rückte vor oder wagte sich gar ins Mittelfeldzentrum. Union versuchte in diesen Situationen, zentral eine Überzahl zu erzeugen. Werder Bremen ließ sich jedoch nicht locken: Bittencourt verblieb im Zentrum. Werders Spielern ist hoch anzurechnen, dass sie stets wussten, wann sie im 3-4-3 früh angreifen sollten – und wann sie sich im 5-3-2 zurückhalten mussten.
Doch nicht nur Werder überzeugte mit einem abgestimmten Pressing. Die Gäste aus Berlin verhielten sich im Spiel gegen den Ball ähnlich wie die Hausherren: Wenn Werder Bremen mit drei Innenverteidigern das Spiel aufbaute, rückte ein zentraler Mittelfeldspieler vor, um die beiden Stürmer zu unterstützen. Aus dem 3-5-2 wurde bei Union Berlin so ebenfalls ein 3-4-3.
Union ging dabei noch etwas flexibler vor als Werder. Die beiden Stürmer hielten sich im Spiel gegen den Ball zunächst zurück. Erst wenn Werder Bremen mehrere Querpässe spielte, schoss ein Stürmer hervor, der andere startete ebenfalls ins Pressing. Abhängig von der Frage, welcher Werder-Verteidiger freistand, unterstützte sie der passende Mittelfeldspieler. Das war mal Rani Khedira, mal Genki Haraguchi – und in vielen Situationen Janik Haberer. Letzterer leitete mit seinem Pressing den Ballgewinn ein, der zum 1:1 von Union Berlin führen sollte (18.).
So gut das Pressing beider Teams war: Es konnte nur funktionieren, wenn der Gegner auch Pässe anbot, die sich pressen ließen. Union Berlin ging da wesentlich vorsichtiger vor als Werder Bremen, sprich: Im Zweifel schlugen sie die Kugel einfach weg. Werder hingegen versuchte, die meisten Situationen auszuspielen – selbst, wenn dies keinen Sinn ergab. So kam Union zu den größten Chancen, wenn Werder Fehler beging; so auch vor dem 1:1, als ein Rückpass von Amos Pieper viel zu kurz geriet.
Auf den Gegentreffer folgte Werders beste Phase. Vor das Tor waren sie zuvor kaum gekommen; das 1:0 war nach einem Freistoß gefallen (13.). Nach dem Ausgleich wiederum begann Werder Bremen, stärker über die Halbräume zu attackieren. Sobald die Mittelfeldspieler von Union Berlin im Pressing herausschossen kamen, boten sich Schmidt und Bittencourt hinter ihnen an. Werder kam nun schneller in die gegnerische Hälfte.
- Die Stimmen zum Spiel: "Wir stehen mit leeren Händen da"
Das frühe Tor nach dem Wiederanpfiff (46.) entpuppte sich als Gift für die Bremer Spielweise. Union Berlin hat in dieser Saison noch kein Spiel nach Führung verloren – und gegen Werder Bremen unterstrichen sie, wieso. Union wagte sich nun nur noch selten im 3-4-3 nach vorne. Stattdessen blockierten sie das Zentrum mit ihrem defensiven 5-3-2-System.
Werder Bremen biss sich an Unions Block die Zähne aus. Sie kamen praktisch gar nicht mehr in das zentrale Mittelfeld. Meist konnten sie den Ball nur von einem Innenverteidiger zum nächsten spielen. Die äußeren Innenverteidiger schlugen im Anschluss Verlegenheitsflanken in Richtung Niclas Füllkrug. Der Torjäger konnte die Bälle gegen Union Berlin jedoch zu selten festmachen.
Wechsel ändern nicht an Dynamik des Spiels
Selbst die Wechsel beider Trainer veränderten wenig an der Dynamik des Spiels. Werders Trainer Ole Werner brachte neue Spieler, behielt aber das grundlegende System bei. Sein Team fand weiterhin selten den Weg über das Mittelfeld. Union-Coach Urs Fischer wiederum wollte konterstarke Spieler einwechseln. Mit Tempo kam Union Berlin zwar selten in die gegnerische Hälfte, dafür holten sie immer wieder Freistöße und Ecken heraus und zerstörten somit den Rhythmus von Werder Bremen.
Am Ende feierte Union Berlin einen ungefährdeten Sieg, der gar nicht so ungefährdet hätte sein müssen. Werder Bremen agierte in der ersten Halbzeit im Aufbau etwas zu riskant und schlief bei der ersten Ecke nach Wiederanpfiff. Das genügte Union für eine 2:1-Führung. Diese gaben die perfekt verteidigenden Berliner nicht mehr aus der Hand. Die zweite Halbzeit fühlte sich aus Bremer Sicht fast an wie ein Zahnarztbesuch.