Kurz vor dem Weihnachtsurlaub, in den sich Frank Baumann inzwischen bis zum 2. Januar verabschiedet hat, erlaubte sich der Werder-Sportchef am späten Sonntagnachmittag noch einen kleinen Scherz. Nach dem 4:1-Erfolg bei Hannover 96, der für Cheftrainer Ole Werner den dritten Sieg im dritten Spiel bedeutet hatte, sagte Baumann: „Jetzt liegt die Messlatte natürlich hoch, dass der Punkteschnitt so auch in der Rückrunde erhalten bleibt.“ Es folgte das typische Baumann-Grinsen, das sich stets irgendwo auf der Skala zwischen verschmitzt und verlegen bewegt.
Wenig später war er dann vorbei, der letzte Arbeitstag des Sportchefs im Jahr 2021, das deutlich mehr unerfreuliche denn erbauliche Werder-Schlagzeilen geliefert, am Ende dann aber irgendwie doch noch einen versöhnlichen Abschluss gefunden hatte. „Jetzt werde ich die ruhigen und besinnlichen Tage auch wirklich ruhig und besinnlich verbringen“, sagte Baumann, der genau weiß, dass das Jahr 2022 gleich wieder ereignisreich starten wird. Und zwar mit ihm als Hauptfigur.
Dass der Vertrag des Geschäftsführers am 30. Juni ausläuft, ist hinlänglich bekannt. Alles ist offen. Der Aufsichtsrat, der für die Berufung des Geschäftsführers Sports zuständig ist, hat sich noch nicht entschieden. Baumann angeblich auch nicht. Fragen zu seiner Zukunft ließ der Ex-Profi einmal mehr gekonnt ins Leere laufen – ein kleiner Auszug: „Dazu möchte ich keine Einschätzung abgeben“, „Von mir wird es keine Prognosen geben“.
Was aber auch verständlich ist. Schließlich hat er sich mit dem Aufsichtsrat darauf geeinigt, das wichtige Thema erst im neuen Jahr richtig intensiv zu behandeln und dann auch eine Entscheidung herbeizuführen. „Es bleibt bei dem Zeitrahmen, den wir uns gesteckt haben. Wir wollten uns zunächst auf die letzten Spiele des Jahres konzentrieren. Jetzt kann sich jeder Gedanken machen. Dann werden wir uns im Winter damit beschäftigen“, sagte Baumann. Es folgte der Hinweis, dass der Winter kalendarisch ja erst am heutigen Dienstag beginne und dann drei Monate lang dauere. Noch so ein Baumann-Scherz. Denn natürlich ist dem Kapitän der Double-Mannschaft von 2004 sehr wohl bewusst, dass es mit einer Entscheidung nicht so lange dauern darf.
Am vergangenen Freitag, zwei Tage vor dem Hannover-Spiel, war der sechsköpfige Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Marco Fuchs zu seiner jüngsten Sitzung zusammengekommen. Auch Frank Baumann nahm an dem Treffen teil, weil es inhaltlich um seinen Geschäftsbereich ging. „Aber nicht um meine persönliche Zukunft“, betonte der Sportchef sofort, dessen Stärken schon während seiner aktiven Zeit zweifellos in der Defensive gelegen hatten. Auch zu den überraschend deutlichen Aussagen des Aufsichtsratschefs Marco Fuchs, der sich kürzlich via „Bild“-Zeitung als wahrer Baumann-Fan zu erkennen gegeben hatte, wollte sich dieser nicht einlassen, sagte aber immerhin, dass er sie wahrgenommen habe.
Fuchs hatte unter anderem imponiert, wie Baumann den Verein nach Abstieg im Sommer und Impfpass-Skandal rund um Markus Anfang im Herbst „mit großer Ernsthaftigkeit und tiefer Analyse“ als Krisen-Manager geführt hatte. Allerdings durch Krisen, und das sollte nicht unerwähnt bleiben, von denen er zumindest an einer, dem Abstieg, selbst sehr großen Anteil getragen hatte. Bei den anstehenden Gesprächen dürfte auch das auf den Tisch kommen – vielleicht ja unter der Sonne Spaniens. Vom 2. bis zum 9. Januar weilt Werder im Trainingslager in Murcia, was eine gute Gelegenheit für die Verantwortlichen zum Austausch wäre. Die Rückrunde startet dann am 15. Januar mit einem Heimspiel gegen Düsseldorf. Dass bis dahin eine Entscheidung über Baumanns berufliche Zukunft feststeht, ist jedoch alles andere als sicher. „Wir möchten uns keine Deadline setzen“, erklärte der Sportchef. Wie gesagt, der Winter ist lang. Nur der Vollständigkeit halber: Frühlingsbeginn ist im Jahr 2022 am 20. März.