Es gab mal eine Zeit, 19 Jahre liegt sie inzwischen zurück, da waren Werder Bremen und Boris Becker – ja, Sie haben richtig gelesen: der Boris Becker, die Tennis-Legende, der dreimalige Wimbledon-Sieger – kurzzeitig ziemlich dicke miteinander. Als Becker im Frühjahr 2002 mit seiner „Boris-Becker-Sportgala“ in Bremen Station machte, fackelte der Bundesligist nicht lange und entsandte prominentes Personal zum Tennis-Schaukampf in die Stadthalle. Torhüter Frank Rost und Abwehrchef Frank Verlaat kamen damals in den Genuss eines Promi-Doppels, bei dem ihnen einen Tag nach einem 3:0-Erfolg über Schalke 04 die ehemaligen Tennis-Größen Henri Leconte (Verlaat) und Mansour Bahrami (Rost) an die Seite gestellt wurden.
Ein großer Spaß für alle Beteiligten, und es ist zwar nicht überliefert, aber eben auch keinesfalls ausgeschlossen, dass sich damals auch Florian Kohfeldt unter den rund 3000 Zuschauern befand – schließlich ist der heutige Werder-Trainer glühender Tennis-Fan, womit dieser Text den Sprung ins Jahr 2021 vollzogen hätte. Werder spielt am Sonntag ab 15.30 Uhr beim 1. FC Köln – und im Vorfeld der Partie ging es plötzlich um: Boris Becker.
Ein Sieg wäre für Werder ein weiterer Schritt zum Klassenerhalt
Kurz zur tabellarischen Ausgangslage, weil sie den Kontext für das gleich folgende Kohfeldt-Zitat liefert. Die Bremer sind mit 26 Punkten auf dem Konto Zwölfter, der Effzeh steht derweil fünf Zähler und zwei Plätze schlechter da. Ergo: Mit einem Sieg könnte Werder einen großen Schritt hin zur Rettung, hin zum Klassenerhalt machen, weil die Mannschaft selbst punkten und einen Rivalen empfindlich schwächen würde. Kohfeldt wurde deshalb am Freitag während der Pressekonferenz vor dem Duell gefragt, ob das Spiel nicht sogar eine Art Matchball für sein Team sei. Seine Antwort war eindeutig. „Nein. Boris Becker hat mal gesagt, dass es im Tennis nur einen entscheidenden Ball gibt, und das ist der Matchball, weil es danach vorbei sein kann. Und egal, was am Sonntag in Köln oder auch am Mittwoch in Bielefeld passiert, für uns ist danach noch nichts vorbei“, sagte der Werder-Coach, was zweifellos richtig ist.
Auch bei zwei Siegen wäre die Rettung bei dann noch zehn ausstehenden Spielen längst nicht eingetütet, und bei zwei Niederlagen der Absturz zumindest tabellarisch überschaubar. An Kohfeldts Zielsetzung vor dem Duell im Rhein-Energie-Stadion ändert das freilich nichts: „Wir als Werder Bremen wollen zeigen, dass wir solche Spiele ziehen können und nicht immer diese Chancen an uns vorbeigehen lassen.“
In der Tat ist es so, dass Werder nach dem ebenso überzeugenden wie überraschenden 2:1-Erfolg über Eintracht Frankfurt mal wieder an einem neuralgischen Punkt angekommen ist. Nun gilt es nachzulegen. Oft zeigt die Mannschaft nach schlechten Spielen zwar eine starke Reaktion (wie eben nach dem 0:4 gegen Hoffenheim zu Hause gegen Frankfurt), oft kann sie nach guten Spielen diesen Eindruck aber nicht bestätigen. Damit, so fordert es Kohfeldt, soll nun endlich Schluss sein.
„Wir müssen auch festhalten, dass wir an diesem Punkt schon ein, zweimal waren. Ich will jetzt sehen, dass wir etwas gelernt haben“, betonte der 38-Jährige. Und weiter: „Wir dürfen uns jetzt nicht im Kreis drehen, immer wieder so ein Spiel haben wie gegen Frankfurt und dann nach der nächsten Partie sagen: Oh, jetzt hätten wir aber wegziehen können.“ Schließlich stünden nach den Begegnungen mit Köln und Bielefeld „reihenweise Top-Gegner“ im Bremer Spielplan, was bei Namen wie Bayern München (13. März), VfL Wolfsburg (20. März) und RB Leipzig (10. April) wahrlich keine Übertreibung des Trainers ist. Wenn die Köln-Partie also kein Matchball für Werder ist, dann ist sie angesichts des harten Programms, das in den Wochen danach folgt, aber doch zumindest eine Art extrem wichtiges Aufschlagspiel, eine Breakchance, um den Tennis-Tenor zum Abschluss noch einmal anzuschlagen.
Im Sommer 2018 haben sich Kohfeldt und Becker während der French Open übrigens einmal persönlich kennengelernt. „Das war sehr beeindruckend“, berichtete der Werder-Trainer, in dessen Laufbahn es nach der becker’schen Definition bisher exakt drei „Matchball-Spiele“ in der Bundesliga gab: das Relegationsrückspiel in Heidenheim, kurz zuvor die Partie am 33. Spieltag in Mainz, nach der Werder trotz Niederlage mit viel Glück nicht abstieg – sowie dieses längst legendäre letzte Heimspiel gegen den, genau: 1. FC Köln, in dem eine Pleite den Gang in die 2. Liga bedeutet hätte. Werder gewann es tenniskonform und stilgerecht mit 6:1.