Es gibt im Fußball nicht nur Siege, Unentschieden und Niederlagen. Es gibt tatsächlich auch so genannte Trainersiege. Einen solchen hat Werder am Sonntag in Mainz erlebt: Dieser erste Saisonsieg war für niemanden im Verein so wichtig wie für Ole Werner. Die drei Punkte machten in der Tabelle den Unterschied aus zwischen Platz 15 und dem nun errungenen achten Platz – vor dem Heimspiel gegen den ungeschlagenen Tabellenführer Bayern München sorgte der Sieg also für die Gewissheit, nicht frühzeitig tief in den Keller zu rutschen. Der Bremer Sieg vergoldete vielmehr die beiden Punkte aus den zwei Spielen gegen Augsburg (2:2) und Dortmund (0:0). Nach drei Spieltagen ist Ole Werners Mannschaft weiter ungeschlagen, aber nicht sieglos – ein feiner, aber wichtiger Unterschied für die Stimmungslage.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Dass er den Sieg einwechselte, wie man im Fußball so schön sagt, ist nach den großen Diskussionen über seine Einwechslungen im Heimspiel gegen Dortmund eine besondere Genugtuung für Werders Trainer. Er schickte Neuzugang Derrick Köhn in der 67. Minute erstmals aufs Feld, nur zwei Minuten später schoss der neue Mann in Unterzahl den Siegtreffer. Werners trockener Kommentar dazu war gewürzt mit einer Prise Humor. Es klang wie ein Originalton des legendären Thomas Schaaf, als Werner sagte: „Es gibt grundsätzlich bei uns die klare Anweisung, dass die Einwechselspieler zu treffen haben. Nicht alle halten sich daran, aber Derrick hat es heute getan.“
Später haute Werner noch so einen Spruch raus, als es um Marvin Ducksch ging. Den habe er vom Feld geholt, weil er in Unterzahl vorne mehr Tempo haben wollte in Person von Marco Grüll. Dass Ducksch dann beim Torjubel von der Bank aus doch noch beachtlich viele Meter machte, „das zeigte“, meinte Werner, dass bei ihm „wohl doch noch was im Tank gewesen wäre“.
Bald in Werders Top-3
So gelöst hört man Werner selten. Als Trainer von Werder Bremen fliegen einem die Erfolge im Alltag ja auch nicht zu. Seine Stimmung nach dem Spiel ließ erahnen, welcher Druck von ihm abgefallen war.
Nach dem ersten Saisonsieg werden jetzt zwar noch keine Straßen nach Ole Werner benannt. Aber immerhin wird es nun realistischer, dass er im Spätherbst in einem internen Ranking aufsteigt: Seit 1023 Tagen ist er Trainer von Werder, und Ende November würde er Sepp Piontek überholen, der zwischen 1972 und 1975 einst 1094 Tage in Bremen im Amt war. Seit Bundesliga-Beginn 1963 gäbe es dann nur noch drei Trainer, die länger am Stück bei Werder wirkten als Ole Werner. Nämlich Otto Rehhagel (5203 Tage), Thomas Schaaf (5119) und Florian Kohfeldt (1283). Bringt Ole Werner diese Saison in Bremen zu Ende, würde er im Juni auch Kohfeldt einholen und sich mit dann 37 Jahren einen Platz unter Werders Top-3 der Trainergeschichte sichern. Damit würde er die Hoffnungen mancher Fans erfüllen, die sich bei Werners Einstieg in Bremen im November 2021 nach einer werdertypischen Ära auf dem Trainerstuhl sehnten. Damals spielte Greuther Fürth noch in der ersten Liga, Bayerns Trainer hieß Julian Nagelsmann und der HSV glaubte, bald wieder aufzusteigen. Bremen stand nach einer Niederlage in Kiel auf Platz 10 der zweiten Liga…
Wofür Werner einmal rückblickend stehen wird, lässt sich natürlich noch nicht sagen. Für den Aufstieg, klar, ebenso für seriöse Arbeit. Aber halt auch für eine gewisse Unruhe hinter seiner Trainerbank. Über die späten Wechsel wird ständig so laut gemurrt wie über den fehlenden Hang zur Talentförderung oder die Vorhersehbarkeit von Aufstellung und Spielsystem.
Wofür Werner ebenfalls stehen sollte, sah man in Mainz – und auch deshalb war es ein Trainersieg. Vor dem Foul an Justin Njinmah, das zum Elfmetertor durch Marvin Ducksch führte, hatte Werder elf Ballkontakte in Serie in der gegnerischen Hälfte. Mainz wurde im Zwischenraum zwischen Abwehr und Mittelfeld schwindelig gespielt. Das ist typischer Werner-Fußball. Und auch die Aufstellung war typisch: Seit seinem ersten Tag in Bremen coachte Werner 94 Spiele. Es gibt seither fünf Profis, die öfter zum Einsatz kamen als alle anderen. Sie machten 91 Spiele, 90, 85, 82 und 78. Alle fünf standen beim Sieg in Mainz wieder in der Startelf. Ihre Namen: Marvin Ducksch, Anthony Jung, Romano Schmid, Mitchell Weiser und Marco Friedl.
Mehr Handschrift eines Trainers gibt es selten, weil nur wenige im Profifußball überhaupt so lange im Amt bleiben. Aktuell sind in der Bundesliga nur Frank Schmidt (Heidenheim) und Marcel Rapp (Kiel) länger bei ihrem Klub als Werner bei Werder. Deutschlandweit ist er also schon in den Top-3.