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Werder-Kolumne Werder darf sich über die Schlagzeilen nicht wundern

Obwohl viele Medien Werder jeden Tag begleiten, wirkt der Verein manchmal überrascht von seiner eigenen Außendarstellung. Dabei ist es nicht schwer, die mediale Bühne anders zu nutzen, meint Jean-Julien Beer.
09.09.2024, 15:42 Uhr
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Werder darf sich über die Schlagzeilen nicht wundern
Von Jean-Julien Beer

Manche halten das, was bei Werder zuletzt passiert ist, für ein reinigendes Gewitter. Das war es aber nicht: Die Unstimmigkeiten zwischen den Führungsspielern Marco Friedl und Marvin Ducksch auf der einen Seite sowie Trainer Ole Werner und Manager Clemens Fritz auf der anderen gaben vielmehr einen interessanten Einblick in das Innenleben des Vereins. Der Rummel zeugte nicht nur von unterschiedlichen Sichtweisen und einer nicht gerade erstklassigen Kommunikation untereinander, sondern auch von einer Fehleinschätzung, die der Verein selbst beheben könnte, wenn die Handelnden die Chance dazu erkennen.

Dass beide Spieler einen Rüffel bekommen haben, ist okay, mehr muss aber nicht sein. Als Marvin Ducksch die späten (und nicht offensiven) Auswechslungen monierte, sprach er nur das aus, was viele Werder-Fans auch so empfunden haben. In Überzahl gegen ein an diesem Tag schwaches Dortmunder Team hätte man mehr riskieren können. Auch die Worte von Kapitän Friedl waren logisch, weil sich viele Spieler im Kader andere Transfers gewünscht hatten, um Werders Qualität in der Breite zu erhöhen – dass es daran fehlt, ist seit Monaten ein Thema. Kritische Töne sind im Profisport unerlässlich. Wenn sich alle nur lieb haben, fehlt die Reibung, dann geht es schunkelnd in die zweite Liga. Das sollte Werder gelernt haben. Man muss offen ansprechen dürfen, was jeder Fußballfan draußen auch sieht.

Andere sind Meister darin, Themen zu steuern

Das eigentliche Problem war in beiden Fällen Werders fehlende Balance in der Außendarstellung, denn erst dadurch entstand eine gefährliche Stimmung: Plötzlich bestimmte die Kritik an Auswechslungen und Transfers die Schlagzeilen, während Clemens Fritz später zurecht monierte, dass man nach einem Punktgewinn gegen den Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund auf einmal eine Stimmung habe, als hätte Werder gegen den BVB vier oder fünf Stück kassiert. Auch sein Hinweis auf die acht Spiele, die Werder saisonübergreifend nicht mehr verloren hat, ist ja richtig. Aber, und das ist das hausgemachte Problem: Niemand im Verein hat die Chance genutzt, diese positiven Aspekte in den Vordergrund zu stellen.

Es wäre leicht gewesen, wenn sich Fritz oder der Leiter Profifußball Peter Niemeyer oder ein Führungsspieler vor die Journalisten gestellt hätte und mit stolzem Herzen über das Positive geredet hätte. Die Geschichte der Liga lehrt, wie man das macht – auch in Bremen. Manager-Legenden wie Uli Hoeneß in München, Reiner Calmund in Leverkusen, Rudi Assauer auf Schalke, aber auch Werders Willi Lemke oder Klaus Allofs waren Meister darin, die Medien-Bühne zu nutzen und Themen zu beeinflussen. Und sei es, um von weniger schönen Rand-Aspekten abzulenken, in diesem Fall also von einer nicht so ruhmreichen Transferperiode oder den Auswechslungen. Beides waren allenfalls Kleinigkeiten des Spieltags, die plötzlich riesig wurden. Werder schien darüber verwundert.

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Es gibt Spieler und Trainer, die genial darin sind, die Chance zu ergreifen, die sich durch das große mediale Interesse im Fußball ergibt: Jürgen Klopp oder Niclas Füllkrug brauchen beide nicht viel Bedenkzeit und keine Einflüsterer, um nach den Spielen mit ein paar Aussagen die Themen setzen, die es aus ihrer Sicht relevant sind. Damit bestimmen sie oft die Schlagzeilen. Auch Florian Kohfeldt verstand das bei Werder vom ersten Tag an.

Wie es jetzt läuft, ist geradezu absurd

Der aktuelle Fall mit Ducksch und Friedl ist ein Lehrbeispiel dafür, welch wichtigen Stellenwert die Zeitungs- und Online-Journalisten haben. Denn im Gespräch mit dieser Journalistengruppe entstehen nach den Spielen die Schlagzeilen und Themen der nächsten Stunden und Tage. Viele im Profifußball, ob Spieler, Trainer oder Manager, wirken so, als würden sie das Reden vor dieser Gruppe als lästige Zusatzpflicht empfinden, nachdem sie vorher schon mehrere TV-Interviews gegeben haben. Klar: Die Sender müssen bedient werden, weil sie für die Übertragungsrechte bezahlen. Aber was dort gesagt wird, bestimmt selten die Berichterstattung der nächsten Tage. Vieles versendet sich, wird gekürzt oder nicht gezeigt. Keiner kann da den Überblick behalten.

Ducksch schien vor seinem Auftritt vor den Print-Journalisten zu fragen: Muss ich da jetzt auch noch hin? Das aber ist das falsche Denken. Denn: Hier klug und gezielt zu reden, ist eine schöne Chance für Spieler, Trainer oder Manager, um Einfluss darauf zu nehmen, was und wie über sie berichtet wird. Es ist geradezu absurd, das abgehetzt, widerwillig oder unter Zeitdruck zu tun. Wer diese Bühne nutzt, der bestimmt mit, was darauf gespielt wird. Wie man sie nicht nutzt, hat Werder nun in Gänze gezeigt.

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